Das Versagen der österreichischen Politik (Sammelthreads)

J-C, Da, wo ich grad gedanklich nicht bin., Donnerstag, 12.11.2020, 20:19 (vor 1253 Tagen) @ Administrator
bearbeitet von J-C, Donnerstag, 12.11.2020, 20:21

Vorab, ich hoffe, dass solche Beiträge auch ihren Platz hier finden können. Um ehrlich zu sein, ich brauche das einfach selbst, um meine Gefühle über diese Geschichte los zu werden.

Österreich hat heute eine Anzahl von 9262 neuen Corona-Fällen vermeldet. Das würde auf deutsche Verhältnisse fast 100 000 Fälle bedeuten. An. Einem. Tag.


Die Österreichische Politik inklusive dem Bundeskanzler befasst sich lieber mit dem Evaluieren pathetischer Maßnahmen, anstatt so entschlossen zu handeln wie im März. In Tschechien wären bei solch einer Politik schon Köpfe gerollt. Der Premierminister Andrej Babiš wird mir mehr und mehr sympathischer als der Bundeskanzler von Österreich, Sebastian Kurz. Es wurden in Tschechien viele Fehler gemacht und man ist dort ziemlich traurig unterwegs. Aber diese Fehler wurden dann auch eingesehen, es wurde dann eben doch gehandelt und zu Maßnahmen gegriffen, die letztlich zu einer Stabilisierung und Verringerung der Zahlen führen konnte.

Währenddessen wird in Österreich die ganze Zeit evaluiert. Man kommt mit irgendeiner lächerlichen Ausgangssperre in der Nacht daher, während bei den Zahlen eigentlich viel schärfere Maßnahmen angesagt wären.

Man hätte totale Ausgangssperren bereits vor einer Woche durchsetzen sollen, aber stattdessen beschäftigt sich die Bundesregierung damit, zu schauen, ob diese Mini-Maßnahmen denn was bringen. Währenddessen steigen die Corona-Neuinfektionen steil an. Währenddessen sind bald die Belastungsgrenzen erreicht. Währenddessen ist eine Triage wahrscheinlicher.

Jetzt will man am Samstag schauen, ob man die Maßnahmen verschärft. Bis effektive Maßnahmen in Kraft treten, werden wir bereits davon reden, dass die Triage beginnt.

Die österreichische Bundesregierung hat den Weg der Versager eingeschritten, als sie auf eine Politik der langsamen und schwachen Reaktion anstatt auf die Politik der raschen und effektiven Aktion zu setzen.

Und das zieht eben sämtliche Einwohner des Landes mit in die Tragödie. Wegen dieser völlig inadäquaten Globuli-Politik sterben Menschen sinnlos in den Krankenhäusern, aber auch daheim. Und die, die eine Infektion überleben, tragen oft nachhaltige Schäden mit sich. Durch die Verknappung der Kapazitäten kann dann nicht mehr sichergestellt werden, dass man sich um jeden Patienten kümmern kann. Dabei ist es schon schlimm genug, dass die Testergebnisse teils Wochen auf sich warten lassen. Jetzt wird sogar positiv getestetes Krankenpersonal weiterhin in die Krankenhäuser gelassen, soweit nicht davon ausgegangen wird, dass sie ansteckend sind. Ich bin kein Experte in der Medizin, aber das klingt nach ziemlich perversen russisch Roulette.

Und die Liste ließ sich fortsetzen. Währenddessen kriegt es die österreichische Politik grandios hin, mit sinnlosen Selbstbeschäftigungsmaßnahmen wegen des Attentats in Wien von letztem Montagabend irgendwo billiges politisches Kleingeld einzusammeln. Dabei handeln die völlig am Problem vorbei, wo in Wahrheit rasche Aufarbeitung notwendig ist und ein Aufräumen in den absolut inakzeptablen Strukturen der Inkompetenz in entscheidenden Behörden.

Es tut mir Leid, dass ich hier jetzt so politisch werde, aber ich fühle mich einfach nicht gut, wenn ich der österreichischen Politik in solchen Zeiten nicht mehr vertrauen kann. Was ich tun kann, ist so weit wie möglich, mich zu isolieren, mein Studium läuft glücklicherweise so gut wie gänzlich über Distance-Learning, auch wenn meine Uni teilweise ziemlich unverantwortlich darin ist und uns in der LVA Verkehrsplanung noch Interviews mit Passanten machen lässt...

...ich hoffe einfach, dass ich dieses Virus nicht kriege. Denn auf schnelle Hilfe kann ich mich womöglich bald nicht mehr verlassen. Und mittlererweile wäre ich froh, wenn ich in Tschechien wäre. Da gibt es viele Probleme, aber wenigstens hat der Premierminister seinen Fehler eingestanden und hat dafür gesorgt, dass die Zuwächse sich langsam aber sicher verkleinern.

Wer garantiert mir, dass die österreichische Politik das auch kann? Ich weiß schonmal, dass der Bundeskanzler sich schwer damit tut, selbst nur als Alibi seine Fehler einzugestehen.

Fakt ist jedenfalls, dass wer auch immer sich über die Politik in Deutschland beschwert, nicht vergessen darf, dass es für mich ein Traum wäre, wenn die Pandemie so professionell wie dort angegangen wird. Seid froh darüber. Ihr wisst vielleicht gar nicht, was für ein Glück ihr habt.

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Reisehäppchen für zwischendurch gefällig?
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(Bildquelle: ČD)


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