Grundrechtsdiskussion ist wichtig, gerade in Krisenzeiten (Sammelthreads)

heinz11, Donnerstag, 07.01.2021, 00:42 (vor 1795 Tagen) @ Ost-Lok-Fan

Nabend

in einer solchen Lage die Grundrechte herauszustellen, halte ich für ehrlich gesagt schwierig. Nimm einmal an, du bist unerkannt Corona positiv und begibst dich in die Massen der Tagesausflügler, die wir in den letzten Tagen in unterschiedlichen deutschen Gebieten erlebt haben. Dann hast du dein Grundrecht auf freie Entfaltung ausgelebt. Was ist aber, wenn du dann zum Super-Spreader wirst und um dich herum fünfzig andere infizierst. Was ist mit deren Grundrechten auf Unversehrtheit des eigenen Körpers. Die müssen ja nicht mal sterben, sondern die Post-Covid Erscheinungen zeigen.

Doch, die Diskussion über die Grundrechte ist wichtig, gerade in einer Krise. Grundrechte sind kein Gnadenbeweis, sondern ein elementarer Anspruch eines jeden Bürgers. Eine Einschränkung der Grundrechte ist ein erheblicher Eingriff in die Lebenssphäre, der ein Gesetz erfordert, welches begründet sein muß. Der Eingriff muß verhältnismäßig sein und es ist immer das mildeste Mittel zu wählen. Ich weiß, die Begründung erfordert Aufwand und eine Diskussion darüber ist unbequem. Deswegen kommen ja auch gern die Sprüche, das müsse jetzt mal eben so sein (Eine andere Art des Basta-Regierens).

Das führt zum zweiten Punkt, der Konkurrenz der Grundrechte. Mit Ausnahme des Grundrechts in Art. 1 GG konkurrieren die Grundrechte miteinander, so daß eine Abwägung vorgenommen werden muß. Auf den Punkt gebracht: Das Grundrecht auf Leben und körperliche Gesundheit ist nicht absolut und genießt keinen Vorrang, sondern steht in Konkurrenz zu den anderen Grundrechten. Auch wenn das momentan ganz gern "vergessen" wird oder ein scheinbarer Absolutheitsanspruch geltend gemacht wird. Wolfgang Schäuble hat das im Frühjahr mal wieder in Erinnerung gerufen.

Zu Deinem Beispiel:
Wenn ich symptomfrei und ohne das Wissen, Überträger zu sein, diese Reise antrete, dann ist die Ansteckung Anderer sehr bedauerlich, aber ein schuldhaftes Verhalten kann ich nicht erkennen. Zu bedenken ist nämlich, daß sich die anderen Tagesausflügler auch freiwillig in diese Situation begeben haben. Aufgrund der Umstände mußten sie damit rechnen, sich anzustecken. Somit haben sie das Risiko einer möglichen Infektion billigend in Kauf genommen. Im umgekehrten Fall würde auch jeder sagen: Was bist Du so blöd und fährst dahin, das kann man sich doch an drei Fingern abzählen, daß das Infektionsrisiko hoch ist.

Grundrechte sind wichtig, aber für das Gemeinwohl sollten Grundrechte doch vorübergehend zur Gefahrenabwehr eingeschränkt werden dürfen.

Das ist eine Binse, die in Art. 11 GG geregelt ist und auch praktiziert wird. Abzuwägen und zu diskutieren sind Dauer und Tiefe der Grundrechtseinschränkungen.


Soweit meine Gedanken zum Thema Grundrechte.

Viele Grüße

heinz11


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