Schön das Systemversagen beschrieben! (Allgemeines Forum)

Der Blaschke, Donnerstag, 22.07.2021, 16:24 (vor 1241 Tagen) @ Tobias Brunnbach
bearbeitet von Der Blaschke, Donnerstag, 22.07.2021, 16:25

Huhu.

Meinen Eindrücken nach arbeiten einige Reisendenerheber eher aus Freude am Arbeits(um)feld als aus (vorrangigem) Gewinninteresse; manche sind auch einfach gelangweilt und/oder ohne soziale Kontakte und rechnen sich die Erhebungen als Freizeit schön.

Yüp ...

Was ich sagen will: In gewissen Einzelfällen mögen deine Ausführungen passen, aber in der Masse (der es zwangsläufig um die Hauptfinanzierung ihres Leben gehen muss) wirst du nicht genügend Menschen mit einer solchen Liebhaberei finden.

Stimmt. Auch da herrscht Personalmangel ...

Zumal sich die Beschäftigungsverhältnisse und Arbeits-/Lohnbedingungen bei rechtlicher Prüfung in viel zu vielen Fällen als unzulässig herausstellen würden.

Allerdings nicht nur da. Da kenne ich diverse andere Branchen. Ist eben auch eine Form der Bananenrepublik: die Gesetze sind zwar alle da, aber auf wirtschaftlichen Wunsch hin gucken halt alle weg. An deiner 'rechtlichen Prüfung' hat ja niemand ein Interesse. Auch der Arbeiter nicht. Wenn nämlich z.B. das Finanzamt ahnungslos ist. Wiegt die fehlende Sozialversicherung wieder auf. Oder es Geld im Umschlag vom Spediteur persönlich gibt und der Gläubiger oder die Ex-Ehefrau in die Röhre schauen ...

Kleiner Exkurs: Ich kenne jemanden, der viele Jahre lang hauptberuflich Tag und Nacht als Reisendenerheber in ganz Deutschland und manchmal darüber hinaus unterwegs war. Bei jedem Gespräch/Treffen spürte man seine Leidenschaft für Bahn (u.a.) und Menschen. Der kannte quasi jeden kleinen Haltepunkt nachts im (Unterwegs-) Schlaf, quasi jede tarifliche Kleinigkeit aus etlichen Verbünden und war auch betrieblich sehr interessiert. Er kam auch mit nahezu jedem als "Risikofahrgast" Abgestempelten gut zurecht und sorgte ganz nebenbei für kundenfreundlich wie wirtschaftlich lohnenswerte Zugfahrten. Wenn sich das Zugbegleitpersonal nicht "übergangen" sah (da gab es tatsächlich immer wieder Beschwerden), wurden ihm kurzerhand oft noch kundendienstliche und manchmal betriebliche Aufgaben anvertraut (mal als inoffizielle Unterstützung, mal aus Bequemlichkeit). Trotz bester Scoringwerte bei den Erhebungsinstituten wurde ihm von den Prüfern diverser Auftraggeber irgendwann der Strick aus irgendwelchen Formalien ohne negative Auswirkung aufs Arbeitsergebnis gedreht. Anschließend boten ihm diverse EVU als Kundenbetreuer u.ä. entweder keine Chance, er war unter lauter Angelernten und eingezwängt in regionalen Teilnetzen heillos unterfordert oder das fremdgeplante Dasein als Angestellter bildete nicht seine planerische Kreativität und tägliche Lust aufs Neue ab. Letztlich musste er sich eingestehen, für den Bahnbereich zu engagiert zu sein. (...) Da er auch hier still mitliest, liebe Grüße an dieser Stelle :-)

Unbekannterweise grüße ich ihn auch. Ich werde ja genauso enden. Auch zu engagiert ... Kommt mir jedenfalls alles seeeehr bekannt vor. Außer dass ich mich bei einem EVU je beworben habe. Und auch nie werde. Weil ich da in der Tat mit meiner Individualität nicht reinpasse; egal wo.

Aber in meinen anderen Jobs kenne ich das von dir erwähnte Fazit ähnlich. Engagement ist nicht gewollt und nicht gefragt. Wichtig ist Klappe halten, nicht mitzudenken und einfach die Vorgaben umsetzen, egal wie sinnlos sie sind.

Auch da weigere ich aber seit jeher. Hatte deswegen auch ständig überall Ärger. Und ich werde nur deswegen nicht entlassen, weil die Beschäftigungslage aus Arbeitgebersicht schlicht katastrophal ist. Da beißt man man in die Tischkante und erträgt den Großkotz halt. Zumal ich mittlerweile gelernt habe, keine Verbesserungsvorschläge nach oben zu reichen, sondern ich einen Deal eingehe: ich lasse sie da oben in Ruhe - wenn sie im Gegenzug mich in Ruhe lassen.

Natürlich richtet man so jedes Unternehmen zugrunde. Und man wundert sich auch gar nicht, warum so unendlich viel falsch läuft und nicht klappt. Aber ich bin nicht so masochistisch und so größenwahnsinnig zu meinen, da was ändern zu können. Das war ich vielleicht noch in jungen Jahren. Mittlerweile nehme ich den oben verzapften Unsinn zur Kenntnis, denke mir da meinen Teil und gut ist's. Und wie geschrieben: sollen sie sich oben Pöstchen und Einkommem zuschustern und sich in Rundschreiben und Infos wichtig aufpumpen - mir alles egal; ich möchte nur in Ruhe gelassen werden und in meiner kleinen Welt leben. Da werde ich nicht Millionär und sehe nicht viel von der Welt. Aber so habe ich auch nicht viel zu verlieren. Und für meine Ansprüche reicht's. So lange ich mir Cola in gewünschter Menge leisten kann ... Und ich habe meinen Seelenfrieden. Muss nicht im Hamsterrad des Erfolges rumrennen, muss nicht mobben und Mobbing ertragen, um die Stelle zu verteidigen oder weiter empor zu kommen.

Inhaltliche Kehrtwende: Leider habe ich schon viele Projekte erlebt, wo speziell Fahrgastlenker, Servicekräfte und dgl. rekrutiert wurden. Leider hat man schön "bürokratisch" und gut für Statistik und Presse auf Kandidaten von der AA, örtlichen JC, Zeitarbeitsfirmen, politisch passende Menschen u.ä. zurückgegriffen, während inhaltlich Interessierte ungleich "offiziellem Sozialfall" usw. gleich wieder abtreten durften, weil es für sie z.B. keine Förderung/statistische Auswirkung/Provision/positive Presse gegeben hätte. Oder man annahm, sie könnten Kritik üben, weil sie sich zu sehr auskennen. Kurz: Man musste die "richtigen" Leute schnell die restliche Vertragslaufzeit über irgendwo versteckt ihre Zeit absitzen lassen (sofern noch jemand erschien), nachdem sich die Beschwerden von Fahrgästen und Personal gehäuft hatten. Da waren schon schlimme Ereignisse dabei. Und das elendig oft in verschiedenen Regionen wiederholt und von den üblichen Consultingfirmen "unterstützt".


Ja, so ist das überall modern. Deswegen läuft auch so viel falsch überall. Aber so isses halt. Das ist auch das schöne am Alter und dem bevorstehenden Ende: da erträgt sich's leichter ...


Schöne Grüße von jörg


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