Neuauflage bwAbosommer (Sammelthreads)

Pfälzer, Dienstag, 29.06.2021, 15:07 (vor 1622 Tagen) @ Barzahlung

Hallo,

ich stehe dieser Aktion zwiegespalten entgegen.

Einerseits halte ich dieses Angebot in der aktuellen Phase für unangebracht, da es die falschen Signale aussendet.

Das Problem ist: Die Menschen sind schwach geworden, wollen nur noch das "alte Leben" (= die Situation Pre-Covid) und insbesondere die frühere Reisefreiheit zurück. Da stellt eine Erweiterung des Geltungsraums eines Verbund-Abonnements natürlich einen willkommenen Anlass dar, die dadurch erhaltenen Freiheiten (Fahrtberechtigungen) auch zu nutzen und unnötige Ausflüge zu unternehmen.

Nur noch wenige sind leider zum faktenbasierten Situationsbewusstsein fähig. Denn: Die Situation ist aktuell exakt vergleichbar zum Vorjahr. Bereits damals haben Virologen vor den Gefahren einer neuen Welle im Herbst gewarnt - und viele haben das ignoriert und die Pandemie für sich für "beendet" erklärt. Zu sehen an der Auslastung der ICE im letzten Sommer, denn wenn wirklich nur die Personen mit "triftigem Grund" dort mitfahren würden, wäre eine Besetzung von maximal ca. 10 % zu erwarten. Tatsächlich waren es m. W. n. ca. 50 %. Letzten Endes sollten die Virologen Recht behalten, denn es kam zur "Reiserückkehrer-Welle". Dieses Mal haben wir die notwendigen Mittel, um die Gefahren während des Reisens zu reduzieren (z. B. durch die Tests und Impfungen). Dafür gibt es aber mit der Delta-Variante erneut eine Komponente außerhalb unserer Kontrolle. Die Delta-Welle wird also kommen. Ob das einige wenige Ausflügler im Ländle jetzt noch reißen können wenn sie zu Hause bleiben wage ich zu bezweifeln.

Andererseits sollte man auch beachten, was den ÖPNV-Nutzern bisher zugemutet wurde.

Während der Autofahrer für sein dem Infektionsschutz dienliches Verhalten betätschelt wird muss man sich als ÖPNV-Nutzer fast schon dafür schämen, ein Risiko für die Allgemeinheit darzustellen. Zumindest ist der Ruf des ÖPNV in der Politik dem entsprechend. Vom Hoffnungsträger der "Verkehrswende" zur Virenschleuder. Und so hatte man mit Ausdünnungen des Angebots und immer schärferen Maskenpflichten zu tun und muss jetzt noch saftige Preiserhöhungen fürchten, da die Verkehrsunternehmen Teile ihrer Verluste vom Kunden zurückholen. Zugegeben: Wenn man nicht damit fahren muss gibt es aktuell eigentlich keinen rationalen Grund, den ÖPNV zu nutzen. Seit Corona ist umweltschädliches Verhalten ohnehin wieder voll in Mode, sodass selbst das letzte Argument pro ÖV wegbricht.

Daher stellt die Aktion wenigstens eine Art "Entgegenkommen", "Kompensation", etc. für die bisherigen Strapazen dar. Es geht also weniger um die Gewinnung von Neukunden, denn das wird ohnehin schwierig, wo die wegen Corona angeschafften Autos der Aussteiger jetzt in der Garage stehen. Es geht eher um eine Art "Entschädigung", mit der man den Bestandskunden und den wenigen Wieder-Einsteigern etwas zurück geben möchte.

Und zuletzt sollte man bedenken: Man darf bei dem normalen Abo-Kunden nicht von Nutzungsmaßstäben vergleichbar zu Eisenbahnfuzzys ausgehen. Es würde mich schon wundern, wenn im Durchschnitt mehr als zwei Ausflüge pro Person mit der Abo-Aktion unternommen werden. Ich haben die Möglichkeiten im Rahmen des Abo-Sommers letztes Jahr z. B. gar nicht genutzt, obwohl auch ich schon die ein oder andere anlasslose Fahrt im ÖPNV hinter mir habe (natürlich VOR Corona!).

Fazit:

Natürlich ist die Kritik an der Aktion berechtigt, da sie genau jetzt zu unnötigen Ausflügen animiert, wo ohnehin die Sorglosigkeit mit zunehmendem Impffortschritt wieder einsetzt. Andererseits muss man den ÖPNV-Nutzern aber langsam auch wieder Argumente für ihre Verkehrsmittelwahl liefern, wenn man nicht endgültig die Renaissance des Autos einleiten möchte. Es gibt also für alles immer zwei Seiten.

Freundliche Grüße aus dem Süden (natürlich von zu Hause)!


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