KVV: Corona-bedingte Preiserhöhung kommt (Sammelthreads)

Pfälzer, Mittwoch, 12.05.2021, 07:19 (vor 1670 Tagen) @ Administrator

Hallo liebe Forengemeinde,

nachdem viele Verkehrsverbünde die sonst in üblicher Manier jährlich zum Fahrplanwechsel im Dezember statt findende Preiserhöhung letztes Jahr den Kunden zu Liebe ausgesetzt haben scheint sich das nun zu rächen:

Der KVV hat gestern mitgeteilt, seine Tarife zum 1. August 2021 um fast 4 Prozent anzuheben.

„Auch wenn eine Tarifanpassung und eine verstärkte Nutzerfinanzierung immer unpopulär sind, müssen wir mit betriebswirtschaftlicher Vernunft auf diese Kostenentwicklungen reagieren.", so Oberbürgermeister Mentrup im Namen des Aufsichtsrates. Der kommunale Handlungsspielraum sei durch die Pandemie gesunken.

Als Kostentreiber genannt werden die üblichen Verdächtigen genannt: Tarifabschlüsse für die Beschäftigten, gestiegene Energiekosten sowie Investitionen in Fahrzeuge und Infrastruktur. Vor allem aber sei die Pandemie ein entscheidender Faktor:

„Wir haben uns diese Entscheidung nicht einfach gemacht. Die beschlossene Tarifanpassung gibt den Verkehrsunternehmen im KVV jedoch etwas mehr Handlungsspielraum zur Gestaltung der klimagerechten Verkehrswende. Denn neben der allgemeinen Kostenentwicklung stellen auch die Folgen der Corona-Pandemie den KVV und seine Verkehrsunternehmen weiterhin vor große wirtschaftliche Herausforderungen“, macht KVV-Geschäftsführer Dr. Alexander Pischon deutlich."

Im Jahr 2020 hat der KVV Einnahmenverluste in Höhe von 1,5 - 2 Millionen Euro zu beklagen, auch für 2021 wird mit weiteren Verlusten gerechnet. Dies könne der Rettungsschirm von Bund und Ländern nicht vollständig ausgleichen. Die Fahrgastzahlen sind um bis zu 75% zurück gegangen.

"Trotzdem haben die Verkehrsunternehmen im KVV auf Entscheidung von Politik und Aufgabenträgern während der gesamten Pandemie ihr Fahrplanangebot nicht ausgedünnt [...]"

Da muss ich widersprechen: Im April letzten Jahres gab es sehr wohl eine weitgehende Ausdünnung des ÖPNV-Angebots. Unter anderem wurden die Straßenbahnen der VBK unter der Woche auf den 20-Minuten-Takt des Sonntagsfahrplan umgestellt, die Stadtbahnen der AVG auf ca. 50% des üblichen Angebots zusammengestrichen und auch einige Angebote im Vollbahn-Verkehr reduziert. So war z. B. die Linie RE6 komplett entfallen. Auch im Busverkehr wurde der Zweistundentakt an Werktagen während der ersten Pandemie-Phase populär. Ich kenne auch einige Busfahrer, die während der Pandemie in Kurzarbeit geschickt wurden, unter anderem auch, weil Schulverkehre noch länger ausgesetzt waren.

"Für die Politik und die Verkehrsunternehmen besteht derzeit die große Herausforderung, den Widerspruch zwischen steigenden Ansprüchen an den ÖPNV im Sinne des Klimaschutzes sowie der Forderung nach günstigen Fahrpreisen aufzulösen.“

Es wäre schon einmal ein guter Anfang, den noch verbleibenden ÖPNV-Kunden nicht von Seiten der Politik ein schlechtes Gewissen für ihr Verhalten einzureden. Beim Thema "Ansteckungsgefahr im ÖPNV" gehen die Meinungen nach wie vor weit auseinander, aber eines hat sich in den letzten Monaten sehr deutlich gezeigt: Für die Politik ist der ÖPNV mit seinen geschlossenen Räumen derzeit ein rotes Tuch. Warum sonst hätte man die Idee zur kompletten Einstellung des öffentlichen Verkehrs in den Raum stellen sollen? Dazu werden die treuen Kunden jetzt als "Milchkühe" betrachtet, die man ausquetschen muss, um den Verlust der weggefallenen Kunden etwas zu kompensieren. Es ist zwar klar, dass es betriebswirtschaftlich sinnvoll sein wird, die Tarife zu erhöhen - aber das Signal kommt nicht unbedingt zum besten Zeitpunkt.

Noch zwei Anmerkungen zu den Kostenfaktoren:

"Doch auch beim für den Busbetrieb relevanten Preis für Dieselkraftstoff ist – nach einem Tiefstwert im Jahr 2020 – wieder ein Preisanstieg um rund 25 Prozent zu verzeichnen."

Eine gute Verkaufsstrategie, um kurzfristige Kostensenkungen nun wieder als "Preisanstieg" zu verkaufen. Betrachtet man die Spritpreis-Tabelle des ADAC stellt man fest, dass der Dieselpreis sein Niveau von 2019 wieder erreicht hat. Es wird wohl niemand ernsthaft geglaubt haben, dass sich das Niveau aus der Pandemie mit Preisen unter 1,10 € pro Liter dauerhaft halten lässt. Das wäre meines Erachtens schon fast ein Kalkulationsfehler.

"In den Bilanzbüchern der Verkehrsunternehmen spiegeln sich auch die hohen Kosten für Investitionen in die ÖPNV-Infrastruktur wider. Kontinuierlich verjüngen die Verkehrsunternehmen ihre Fahrzeugflotten, um den Fahrgästen auch weiterhin ein qualitativ hochwertiges Nahverkehrsangebot mit komfortablen Bahnen und Bussen bieten zu können."

Ja, und das tun die Verkehrsunternehmen natürlich auch komplett freiwillig aus Gutmütigkeit und Selbstlosigkeit.

Ohne Ironie: Die Verkehrsunternehmen beschaffen nur deshalb ständig neue Fahrzeuge, weil in fast jeder Ausschreibung nur Neufahrzeuge zugelassen sind. Daher müssen alle 10 bis 15 Jahre die Fahrzeugflotten komplett ausgetauscht werden. Diesen Kostenfaktor sehe ich deshalb eher bei den ÖPNV-Aufgabenträgern als bei den Verkehrsunternehmen. Man könnte durchaus auch Gebraucht-Fahrzeuge für Neuausschreibungen zulassen, denn nach 10 bis 15 Jahren sind die meisten Fahrzeuge noch nicht am Ende ihrer Lebensdauer. Oder was soll mit den GoAhead-FLIRT, den Abellio-Hamstern, den Desiro HC und Mireos der DB bis 2040 passieren? Verkauf nach Osteuropa oder schon nach 15 Jahren zum Bender? Das wäre Schade für die recht jungen Fahrzeuge und auch Schade für die Umwelt.

Als Fazit:

Natürlich steht der ÖPNV unter besonderem Druck, unter anderem da öffentlicher Verkehr nie kostendeckend erbracht werden kann. Home-Office und die in der Pandemie neu angeschafften Autos der Leute, die Maskenpflicht und die lange Debatte um die angebliche "Virenschleuder ÖPNV" leid sind, werden dazu auch noch länger beitragen. Aber ob da eine Preiserhöhung zum aktuellen Zeitpunkt der richtige Weg ist? Es fühlt sich eher an wie ein Knüppelschlag für die verbleibenden Abo-Kunden, die trotz geringerem Verkehrsbedürfnis ihr Abo nicht gekündigt haben und jetzt mit höheren Tarifen dafür gerügt werden. So wird es mit den in der Pressemitteilung angesprochenen "Klima- und verkehrspolitischen Ziele[n]" jedoch schwer!

Freundliche Grüße aus dem Süden!


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