Kirchenbesucher (Allgemeines Forum)

J-C, In meiner Welt, Donnerstag, 23.07.2020, 22:13 (vor 1965 Tagen) @ Gast
bearbeitet von J-C, Donnerstag, 23.07.2020, 22:14

Ich weiß jetzt nicht genau, was Sie alles zu Staatskirchen zählen. Ich habe nur die Situation in der katholischen Kirche und nicht in irgendwelchen Sekten im Blick und glaube, aus Ihrer Aussage über Besucherzahlen schließen zu können, daß Sie am Sonntag keine katholische Messe besuchen und auch keine Kirchgängerzahlen beobachten...

Zum selben Schluss komme ich auch, selbst in Hamburg, was evangelisch geprägt ist, sind die katholischen Kirchen jetzt nicht so leer, wie es oft dargestellt wird.

Nein allgemein ist Religion wesentlich beliebter als manche es so behaupten.

Und vom Fundament her ist das Christentum alles andere als immer staatskonform, wenngleich man da leider öfters der Versuchung erlag, den Weg der kleinsten Mühen zu gehen. Das ist zutiefst menschlich aber einfach falsch.

Es scheint halt oft mehr "Opium des Volkes" als Christentum zu sein, was sich da abspielt. Denn eines muß ja klar sein: Wenn ein Pfarrer oder sonstwer bisher immer gelehrt hat, daß unsere Hilfe im Namen des Herrn ist, komme, was da wolle, daß es Pflicht ist, sonntags zur Kirche zu gehen, eine Pflicht, die die Kirche uns auferlegt, weil sie um die heilsame Wirkung der heiligen Messe weiß, daß die Kommunion uns Kraft gibt und zentraler Bestandteil des christlichen Gemeindelebens ist, daß alles so getan werden muß, wie es uns die Apostel überliefert haben und und und... und dann wird plötzlich das Weihwasser ausgekippt und womöglich durch Desinfektionsmittelspender ersetzt, Gottesdienste lange Zeit eingestellt und gemäß der Maxime gehandelt, daß uns in dieser ach so speziellen Situation jetzt doch WHO, Robert-Koch-Institut, "Wissenschaftler" usw. mehr zu sagen haben als unser über allem stehender wohlwollender Vater im Himmel und sein Wort, die Bibel - dann ist ganz gewaltig etwas faul!

Zunächst einmal, die Pflicht des Besuchs sollte nicht von außen, sondern von innen, vom Herzen kommen. Du hast schon Recht, dass das Verhältnis zur Gott zumindest für einen Gläubigen einen hohen Wert genießen sollte. Und da ist der Besuch der Sonntagsmesse freilich ein wichtiger Bestandteil.

Jetzt sind wir aber in einer Situation, von der quasi niemand verschont ist. Wir sind in einer Situation, wo wir alle, Gläubige und Nichtgläubige, gemeinsam gegen einen gemeinsamen Feind zu kämpfen haben, der leider auch nicht vor den allerheiligsten Räumen Halt gemacht.

Sehen wir es mal so, solche Pandemien kommen nicht aus dem heiteren Himmel, es ist etwas, was wir als Menschen uns selbst über uns brachten, da wir in Bereiche der Natur vorgedrungen sind, wo es eben kritisch wird und die Konsequenzen sehr stark zu spüren sind. Es war ja ein Lebendtiermarkt in Wuhan, der nach bisherigem Kenntnisstand der Ursprung des Virus ist. Tiere, die das Virus in friedlicher Koexistenz in sich trugen, landeten auf unseren Speiseteller. Und das hat eben die Folgen, die wir kennen.

Und auch wenn das Virus aus einer bestimmten Region seine Ausbreitung auf den Menschen fand, es wäre die falsche Zeit, irgendwen zu beschuldigen, stattdessen müssen wir alles daran setzen, das Virus in den Griff zu kriegen und das können wir am Ende nur zusammen. Es wäre der schlechteste Moment, sich aufgrund von Prinzipien in die Lage eines Gefährders zu bringen. Genau das passierte in Südkorea mit einer Sekte, die sich gegen jeden staatlichen Einfluss sträubte und für eine sehr gefährliche Situation sorgten. Wir mögen zwar durch unseren Glauben ein besonderes Privileg haben, aber es macht uns weder physisch unverwundbar, noch würden wir von jeglichen Problemen der Welt befreit sein. Im Gegenteil, denn jetzt gilt es mehr denn je, Nächstenliebe zu zeigen, jeder könnte das Virus mit sich tragen, aus Nächstenliebe müssen wir unser Verhältnis zu Gott eben anders organisieren für diese Zeit.

Und gerade heutzutage ist das eben nicht unmöglich. Es ist gerade so, dass wir vielleicht mehr die Dinge zu wertschätzen lernen, die wir für selbstverständlich hielten. Wir leben vielleicht etwas bewusster.

Ich trage eine Maske, auch in der Kirche. Weil ich aus Liebe zu meinen Mitmenschen nicht will, dass jemand durch mich an dieser gefährlichen Krankheit erkrankt. Ich würde es auch so tun, aber eben durch meinen Glauben habe ich dazu eine besondere Motivation.

--
Umwege erweitern die Ortskenntnis ~ Kurt Tucholsky


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum