[FR] Les Côtes de France – 4/8 (21 B. ~ 2 MB) (Reiseberichte)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:21 (vor 671 Tagen) @ Pfälzer

Der nächste Tag soll uns noch ein ganzes Stück nach Süden bis in Sichtweite der spanischen Grenze führen. Damit wäre der äußerste Punkt der Reise auch schon fast erreicht. Auch an diesem Tag gibt es am Vormittag einen längeren Zwischenhalt, heute in La Rochelle. Manchen könnte die Stadt durch den Film „Das Boot“ bekannt sein, in dem das porträtierte U-Boot dort stationiert ist und auch einige Szenen am U-Boot-Bunker im Hafen von La Rochelle gedreht wurden. Wir werden die äußeren Hafenanlagen der Stadt allerdings nicht zu Gesicht bekommen, denn sie sind nicht öffentlich zugänglich. Statt dessen widmen wir uns etwas der Küste und dem zivilen Hafen der Altstadt.

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4-1 Der Bahnhof Nantes befindet sich zur Zeit noch im Umbau und begrüßt Fahrgäste am Südeingang mit moderner Architektur

Zur Anreise nach La Rochelle nutze ich nach langer Zeit mal wieder keinen TER, sondern einen Zug auf einer der selten gewordenen Intercités-Linien. Die Zuggattung IC wurde seit 2017 weitgehend durch die Umwandlung von IC-Leistungen in TER-Leistungen aufgegeben. Der Unterschied zwischen einem „alten“ IC und einem „neuen“ TER liegt auf den betroffenen Linien, z. B. von Paris nach Amiens, nicht im Fahrzeugeinsatz. In der Anfangszeit wurden die TER mit dem alten IC-Material weiter betrieben und auch schon vor 2017 wurden einige IC durch Triebwagen gefahren. Die Unterscheidung, ob ein Zug IC oder TER ist, liegt einzig und allein an der Finanzierung und Koordinierung des Angebots. Die wird für die IC von der SNCF direkt und für die TER von den jeweiligen Regionen übernommen. Ein bisschen also wie bei uns. RE sind bestellter Nahverkehr der Länder und IC(E) eigenwirtschaftliche Fernverkehrszüge des Bundes. Mit dem Unterschied, dass in Frankreich tariflich nicht in Nah- und Fernverkehr unterschieden wird. Dafür gibt es bei uns aber auch keine Reservierungspflicht. Als Fahrzeug kommt für meinen IC ein Coradia Liner zum Einsatz. Das ist eine fernverkehrstaugliche Abwandlung des Régiolis aus der Polyvalent-Plattform der SNCF-„Hausmarke“ Alstom. Auch bei dieser Fahrt wechselt der Zweikraft-Triebwagen am Bahnhof La Roche sur Yon von elektrischer zu thermischer Traktion. Zu meiner Verwunderung wird der Diesel aber schon während der Fahrt angeworfen. Schön, dass es auch Fahrzeuge gibt, die den Systemwechsel während der Fahrt durchführen können. Die Strecke zwischen La Roche und La Rochelle (nicht verwechseln) wurde gerade frisch renoviert, sodass es sich um eine ruhige und im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, recht zügige Fahrt handelt. Den Stadtbahnhof von La Rochelle erreichen wir nach weniger als zwei Stunden drei Minuten vor Plan.

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4-2 Coradia Liner in der Bahnhofshalle von La Rochelle

In La Rochelle fahre ich zunächst mit dem Bus runter zur Küste. Beim Einstieg kaufe ich natürlich pflichtbewusst beim Fahrer eine Fahrkarte. Mir ist inzwischen auch hinlänglich bekannt, dass Fahrkarten in Frankreich immer „kompostiert“ werden müssen. Bei dem Gerät, dass da am Einstieg im Bus hängt, bin ich aber überfragt. Die anderen Fahrgäste halten ihre Abo-Karten einfach dran und es macht ein Geräusch. Die Validierung erfolgt bei denen also elektronisch. Nun kannte ich es auch schon, dass mancherorts auch Einzelfahrkarten so entwertet werden. Ich halte meine Fahrkarte also dran – und nichts passiert. Eine andere Vorrichtung zum Entwerten kann ich an dem Gerät nicht finden. Den Busfahrer scheint das aber nicht zu stören, weshalb ich einfach nach hinten durchgehe. Er wollte wahrscheinlich einfach nur schnell weiter. Nach meinem Spaziergang entlang der „Südküste“ von La Rochelle sollte ich dann lernen, wie ein natürlicher Sandstrand auf absolut natürliche Art und Weise entsteht. Ja gut, so ein Bagger besteht ja im Endeffekt auch nur aus dem, was die Natur so hergibt, nur halt irgendwie anders.

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4-3 Nordsee? Nein, davon sind wir ein gutes Stück weit weg. Aber es erinnert schon entfernt an Friesland.

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4-4 Pointe de Minimes, mittig im Hintergrund der Phare du bout du monde (Leuchtturm am Ende der Welt)

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4-5 Bei der „natürlichen“ Bildung dieses Sandstrands wird ein wenig nachgeholfen…

Auf der Rückfahrt in die Stadt sollte sich mein Problem mit dem Entwerten der Busfahrkarten dann rächen. Ich kaufe erneut eine Fahrkarte und hätte, da ich an der Endhaltestelle einsteige, noch genug Zeit, beim Fahrer nachzufragen. Aber komm, denke ich mir, da kontrolliert doch eh keiner und wenn es für den Fahrer in Ordnung geht... Ja, und wie das so ist: Immer genau dann, wenn man es nicht braucht, kommt das Problem natürlich von selbst. In diesem Fall steigt eine Staffel von Kontrolleuren zu. Ich bin dann gleich auf sie zu und frage nach, wie man denn hier Fahrkarten entwerten kann. Die Reaktion ist erwartbar: Sie halten mich für einen Schwarzfahrer! Die anschließende Belehrung wird so schnell und genuschelt ausgesprochen, dass ich davon kein Wort verstehe. Ich bin deshalb ziemlich ratlos, was ich machen soll. Zum Glück sehen sie mir meine Ratlosigkeit an, weshalb mich einer der Kontrolleure zum Entwerter mitnimmt. Dort führt er meine Fahrkarte in einen winzigen und kaum erkennbaren Schlitz ein, der sich farblich null von dem Gehäuse des Geräts abhebt. Ich bin im Nachhinein sehr froh, dass es nicht so weit gekommen ist und ich meinen Ausweis vorzeigen musste. Denn mit deutschem Ausweis dort schwarz zu fahren sieht möglicherweise gar nicht so gut aus.

Nach der ereignisreichen Fahrt gehe ich weiter zur Anlegestelle des Passuers. Der Passeur ist eine Fähre, die nach Bedarf zwischen den Haltestellen Médiathèque und Vieux-Port hin und her pendelt. Die Fahrt dauert drei Minuten und die Fähre ist in den ÖPNV integriert, also mit normalen Fahrkarten (von denen ich inzwischen genug habe) nutzbar. Beim Einstieg fordert mich der Steuermann auf, meine gerade eben kompostierte Fahrkarte erneut in den Entwerter zu schieben, obwohl die Stunde noch nicht abgelaufen ist, die man damit fahren darf. Kein Problem. Der Entwerter nimmt die Fahrkarte, leuchtet grün, druckt keinen neuen Stempel drauf und gibt die Fahrkarte zurück. Anscheinend können die Geräte also wenigstens erkennen, ob man als Umsteiger mit einer schon entwerteten Fahrkarte unterwegs ist.

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4-6 Am Ende dieses Kanals befindet sich das Musée Maritime. In der Mitte ist die Fregatte France I zu erkennen.

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4-7 Vor der Mediathek befindet sich die Anlegestelle des Passeurs (unten bei den beiden Segelbooten). Gegenüber der Tour de la Lanterne.

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4-8 Auf hoher See! Die Fähre läuft gleich zwischen beiden Türmen im Vieux-Port ein.

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4-9 Tour de la Chaîne als Nahaufnahme

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4-10 Passeur im Vieux-Port, dahinter der Tour Saint-Nicolas

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4-11 Vieux-Port

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4-12 Zurück am Bahnhof

Mit einem dreiteiligen Diesel-AGC geht es nun weiter nach Süden. Die Auslastung des Zuges ist recht hoch, wofür der Dreiteiler kaum ausreicht. So müssen zeitweise auch Leute stehen. Ein zusätzlicher Treiber der Nachfrage ist die Tatsache, dass heute Mittwoch ist und die Schule in Frankreich mittwochs traditionell schon gegen 12:00 zu Ende ist. Das bringt einige Schüler zur Benutzung der Bahn. Die Fahrt verläuft bis in etwa zum Unterwegshalt Pons so, wie auch die Fahrt bis La Rochelle gelaufen war: Ruhig und zügig. Danach offenbart sich dann aber der Zustand der Strecke vor der Modernisierung. Wir erreichen kaum mehr 60 km/h, auch auf geraden Abschnitten nicht, und es ruckelt und schaukelt ordentlich. Vermutlich könnte man die Fahrzeit von La Rochelle nach Bordeaux nochmal um 20 – 30 Minuten reduzieren, wenn man in diesen Streckenabschnitt investieren würde. Der Bahnhof Bordeaux Saint-Jean wird schließlich nach mehr als 2,5 Stunden um kurz nach 14:00 erreicht.

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4-13 Das Diesel-AGC wartet auf Fahrgäste

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4-14 heimatliche Gefühle – die Fahrt führt durch das Anbaugebiet des Bordeaux-Weins (den besten Wein gibt es natürlich aber nur in der Pfalz!)

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4-15 Bahnhof Cenon kurz vor Bordeaux – Ludwigshafen Mitte 2.0?!

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4-16 Bahnhofshalle von Bordeaux-Saint Jean mit TGV

Der Anschluss, der mich bis kurz vor die spanische Grenze bringen sollte, besteht aus einer Régiolis-Doppeltraktion, die im Bahnhof Dax geflügelt wird. Der vordere Zugteil fährt weiter nach Hendaye und der hintere Zugteil weiter nach Pau (deutsche Ohren haben an der Aussprache dieses Ortsnamens ihre helle Freude…). Die Reihenfolge der Zugteile wird schon am Bahnsteig auf dem Wagenstandanzeiger angegeben, steht natürlich auf dem Fahrzeug drauf und wird im Zug nach jedem Halt einmal durchgesagt. Zusätzlich gibt es natürlich noch eine größere Durchsage vor der Ankunft in Dax. Bei der Fahrkartenkontrolle achtet die Zugbegleiterin auch penibel genau auf die Reiseziele der Fahrgäste, um ggf. falsch sitzende Fahrgäste auf den richtigen Zugteil verweisen zu können. Durch den hohen Aufwand, der um die Zugteilung betrieben wird, funktioniert das vorbildlich reibungslos. Das kenne ich von zu Hause auch anders. Da gibt es fast täglich Fahrgäste, die die Zugteilung der RB 51 abends in Landau nicht verstehen und sich dann wundern, warum der Wagen nach Neustadt und nicht nach Annweiler fährt. Vielleicht sollte sich DB Regio Mitte an TER Nouvelle-Aquitanie ein Beispiel nehmen. Wir verlassen jedenfalls pünktlich als erstes den Bahnhof von Dax, bevor der hintere Zugteil „am Arsch“ geht (Sorry, der musste jetzt sein!). Ich steige am vorletzten Halt mit der offiziellen Bezeichnung „Les Deux-Jumeaux“ aus. Inoffiziell heißt der Bahnhof auch Hendaye-Plage. Wie der Name schon sagt befindet sich der Bahnhof näher am Strand als der eigentliche „Hauptbahnhof“ Hendaye ohne Namenszusatz.

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4-17 Schon vor der Bereitstellung zeigt der Wagenstandanzeiger, wo man für welches Ziel einsteigen muss. Passenderweise läuft der Zugteil in Richtung „Hinterteil“ hinten.

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4-18 Zugteilung in Dax

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4-19 Der vordere Zugteil in Les Deux-Jumeaux (Hendaye-Plage)

Einen kurzen Fußweg später stehe ich vor der innenliegenden Bucht Baie de Chingoudy und sehe das spanische Festland am anderen Ufer. Leider zieht von genau dort eine dicke Regenfront heran. Ich mache mich also schnell weiter in Richtung Strand und in der Hoffnung, einen Unterstand zu finden. Tatsächlich sollte die Regenfront aber zunächst noch an Hendaye vorbei ziehen. Daher erreiche ich trockenen Fußes noch den Bus, der mich zum Hotel bringt.

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4-20 Baie de Chingoudy, gegenüber liegt die spanische Stadt Hondarribia – natürlich nur original mit Regenfront

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4-21 Plage de Hendaye

Als ich später zum Einkaufen noch einmal raus gehe, werde ich dann aber doch von der Regenfront eingeholt. Das sollte aber noch nichts sein im Gegensatz zu dem, was uns am Folgetag noch erwarten wird.


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