[FR] Les Côtes de France – 3/8 (39 B. ~ 4 MB) (Reiseberichte)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:20 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

Der nächste Tag führt uns in Richtung der Bretagne. Ursprünglich hatte ich angedacht, den Mont-Saint-Michel zu besichtigen. Allerdings zeigt sich bei einem Blick in den Fahrplan, dass das fast nur ein Vergnügen für Pedaltreter mit Lenkrad ist. Denn der zugehörige Bahnhof Pontorson-Mont-Saint-Michel wird außerhalb der Hauptsaison im Sommer, in der es sogar zusätzliche Züge aus Paris dorthin gibt, gerade einmal von zwei Zügen pro Tag und Richtung angefahren. Busse fahren zwar auch, aber nur als Shuttle vom Bahnhof zum Mont-Saint-Michel und zurück und nur zu den Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Züge. Demnach wäre meine Aufenthaltszeit zur Besichtigung des Mont-Saint-Michel auf genau 5 Stunden fixiert gewesen. Leider kam es aber schon im Frühjahr 2021 zu einer Fahrplanreduzierung, durch die nur ein Zug pro Tag und Richtung übrig blieb. Es war daher im Vorhinein ungewiss, ob das zweite Zugpaar auch zu meinem Reisetermin fahren würde und ob ich am selben Tag wieder aus Pontorson wegkommen würde. Ein Taxi wäre keine Alternative, denn die örtlichen Unternehmen machen damit ordentlich Asche und verlangen bis zu 100 € für den Transfer zum nächsten häufiger bedienten Bahnhof. Daher entschied ich mich letztendlich für ein alternatives Reiseziel: Saint Malo.

Um 7:59 sollte die erste Etappe des Tages von Granville zum Umsteigebahnhof Dol de Bretagne planmäßig losgehen, an dem ich 15 Minuten für den Anschluss nach Saint Malo habe. Nachdem das AGC aus Richtung Caen im Bahnhof angekommen war, leerte es sich fast vollständig. Schon nach einer Minute ist mehr Bahnpersonal im und am Zug zu sehen als Fahrgäste. Kein Wunder, denn die Strecke in Richtung Rennes wird erst um 12:59 das nächste und letzte Mal für diesen Tag befahren. Ein schlechtes Angebot hat eben nach den Gesetzen des Marktes eine schlechte Nachfrage zur Folge. Allgemein ist die Relation Caen – Granville – Rennes ein Paradebeispiel für eine rückschrittliche SPNV-Angebotsentwicklung im ländlichen Raum: Der Fahrplan wurde in den letzten Jahren von den zuvor 3 – 4 mal pro Tag angebotenen Direktverbindungen Caen – Rennes ohne den Schlenker über Granville umgestellt. Seitdem fahren pro Tag einige Züge zwischen Caen und Granville, aber dafür eben nur noch zwei Züge weiter nach Rennes. In nördlicher Richtung wird die Gesamtstrecke Rennes – Caen sogar nur noch einmal am Tag direkt angeboten. Dafür hat die SNCF auch hier zusätzliche Schnellbusse über die Autobahn ins Programm genommen. Mit der Angebotsreduzierung einher gehend wurde das 2. Gleis im Abschnitt Dol de Bretagne – Avranches zurück gebaut. Braucht man ja nicht mehr. So geht vorausschauende Infrastrukturplanung heute!

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3-1 Weitere Sparmaßnahmen: Am „Knotenbahnhof“ Folligny wurde der Fahrkartenschalter wegrationalisiert. Die Fahrgäste können nun bei Unregelmäßigkeiten über ein Telefon beim Fahrdienstleiter anrufen, um sich zu erkundigen.

Jedenfalls kommen wir in Granville mit einer Verspätung von 8 Minuten los, Ursache nicht erkennbar. Durch die kurzen Haltezeiten an den Unterwegshalten (welcher normale Fahrgast sollte dieses hochattraktive Angebot auch nutzen) können wir bis kurz vor Dol de Bretagne auf 3 Minuten aufholen – und stehen die gut gemachte Zeit dann am Einfahrtsignal wieder ab. Der Umstieg ist aber zum Glück bahnsteiggleich und zwischen den korrespondierenden Zügen gibt es einen Trassenkonflikt, sodass der Anschluss gut funktioniert. Zu meiner Freude fährt ein neuer Doppelstöcker vor (Régio 2N – 2N steht für deux niveaux). Eine Viertelstunde später wird Saint Malo erreicht.

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3-2 Umstieg in Dol de Bretagne

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3-3 Kurz nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof ist rechts eine markante Erhebung zu sehen: Der Mont-Dol.

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3-4 Régio 2N in Saint Malo

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3-5 TER Bretagne nennt sich inzwischen mit Verbundenheit zur bretonischen Sprache „BreizhGo“.

Saint Malo ist, wie auch einige Städte, die wir zuvor schon gesehen haben, eine alte Festungsstadt. Das historische Zentrum der Stadt bildet der Teil, der sich innerhalb der Stadtbefestigung befindet. Er wird auch selbsterklärend intra-muros genannt. Das besondere an Saint Malo ist, dass man hier die Befestigungsanlagen direkt besichtigen und auf der historischen Stadtmauer entlang schreiten kann. Aber auch einige auf den ersten Blick etwas weniger offensichtliche Ecken wie der Plage de Bas Sablons im Jachthafen, das Fort d‘Alet oder der Tour Solidor machen die Stadt besonders sehenswert. Im Nachhinein sollte sich die Planänderung also als richtig erweisen, nach Saint Malo und nicht zum Mont-Saint-Michel zu fahren.

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3-6 Saint Malo begrüßt Reisende mit moderner Architektur – in dem Gebäude befindet sich eine Mediathek

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3-7 Château de la Duchesse Anne

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3-8 Porte Saint Vincent – der meist frequentierte Eingang zur Altstadt

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3-9 Vor der Stadt befinden sich einige Inseln, die teilweise auch Festungen beherbergen, so wie hier das Fort National. Von den Gezeiten abhängig sind diese Inseln trockenen Fußes zu erreichen.

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3-10 Historische Stadtbefestigung

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3-11 Straße innerhalb der Altstadt „intra-muros“

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3-12 Parkregelung der anderen Art: Vom 1. bis zum 15. jeden Monats darf man hier nicht parken, vom 16. bis zum 31. aber schon (ich hoffe, ich habe es richtig rum verstanden).

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3-13 Deutsche unter sich…

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3-14 Etwas versteckt liegt hinter dem Hafen der Plage des Bas Sablons. Das Fort d’Alet aus den Bildern 3-15 und 3-16 liegt auf dem Hügel rechts

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3-15 Fort d’Alet – heute ein Mahnmal für die Opfer des 2. Weltkriegs

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3-16 So sieht es von Innen aus.

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3-17 Tour Solidor

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3-18 Zurück am Bahnhof

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3-19 Links ein TGV nach Paris, rechts mein Zug

Die Weiterfahrt zu meinem Tagesziel Nantes führt nun erst einmal zurück nach Dol de Bretagne und dann direkt weiter bis nach Rennes. Dahin bringt mich erneut ein Régio 2N. In Rennes steige ich schon am Haltepunkt Pontchaillou aus, um mit der Metro für die Mittagspause ins Stadtzentrum zu fahren. Der Anschluss nach Nantes hat noch fast zwei Stunden Zeit. Also auf zur Metro.

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3-20 Ein Lost-Place: Das ehemalige Bahnhofsgebäude von Bonnemain

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3-21 Am Haltepunkt Pontchaillou im Norden der Stadt Rennes steige ich aus

Die Metro ist aber gar nicht so leicht zu finden, denn die gleichnamige Metro-Haltestelle Pontchaillou liegt nicht etwa direkt neben dem Bahnhof, sondern ein gutes Stück weit davon entfernt. Um hin zu kommen muss man zunächst den verwinkelten Campus der örtlichen Uniklinik durchqueren. Und das ist echt leichter gesagt als getan. Schließlich erreiche ich nach 10 Minuten und einigem im wahrsten Sinne des Wortes „Um-Die-Ecke-Denken“ die Metro. Interessant: Der dort aushängende Metro-Plan weist den Umstieg zum Zug nicht an der Haltestelle Pontchaillou, sondern an der nächsten Haltestelle Anatole France aus. Die ist anscheinend näher an der Eisenbahn als die gleichnamige Haltestelle. Muss man auch erstmal wissen.

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3-22 Nach langem Suchen endlich gefunden: Die Metro-Haltestelle Pontchaillou

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3-23 Höchste Sicherheitsstandards mit Bahnsteigtüren

Ich kaufe am Automaten eine Fahrkarte, gehe durch die Sperre und noch bevor ich in den Zug einsteige kommt mir etwas komisch vor. Du hast sie doch noch in der rechten Jackentasche… - oder doch in der linken Hosentasche… - irgendwo muss sie doch sein! Spätestens während der Fahrt realisiere ich dann: Wo auch immer ich sie hingetan habe, meine Fahrkarte ist weg! Leiche Panik bahnt sich an, wie ich so wieder aus dem geschlossenen Metro-System rauskommen sollte. Nachzahlen? Oder den SOS-Knopf drücken? Am Ende ist die Sorge aber unbegründet, denn beim Ausstieg an der Haltestelle République sollte sich zu meinen Gunsten eine Schwachstelle der Metro heraus stellen: Wenn man mit dem Aufzug nach oben fährt, kommt man ohne Sperre raus – und auch wieder rein! Dafür ist der Aufzug offiziell auch nur für Mobilitätseingeschränkte freigegeben. Ok, mit meinem Gepäck habe ich mich da ausnahmsweise großzügig dazu gezählt.

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3-24 Das Rathaus von Rennes

Nach der Mittagspause und der anschließenden Metro-Fahrt zum Bahnhof geht die Reise weiter. Wenn man die folgende Etappe auf einer Karte sieht, könnte man kaum glauben, dass es sich dabei um einen Direktzug und zu dieser Zeit um die schnellste Verbindung handelt: Mein Zug fährt von Rennes zunächst in östlicher Richtung bis kurz vor Le Mans, dann nach Süden bis Angers und am Ende östlich nach Nantes. 260 Strecken-Kilometer für eine Luftlinie von 100 Kilometern! Klar, es ginge auch direkt, aber selbst die Züge über die direktere Strecke vorbei an Redon benötigen eine Reisezeit von 1,25 Stunden. Dagegen können sich die 2,25 Stunden meines Zuges in Sachen Durchschnittsgeschwindigkeit sehen lassen. 115 km/h, trotz 10 Minuten Standzeit am Bahnhof Sablé-sur-Sarthe. Das liegt einerseits am Fahrzeug. Der Zug wird mit einem Z-TER gefahren. Dieser Nahverkehrstreibwagen erreicht in der Spitze 200 km/h und kann das auf weiten Teilen der Strecke auch ausfahren. Und da sind wir schon beim anderen: Zwischen Laval und Sablé-sur-Sarthe befährt der Zug die LGV Paris – Bretagne (LGV = Ligne à grande vitesse). Es handelt sich dabei, von den TERGV abgesehen, um die einzigen Regionalzüge in Frankreich, die eine Hochgeschwindigkeitstrecke mit benutzen.

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3-25 und 3-26 Der architektonisch interessante Bahnhof von Rennes

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3-27 Z-TER

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3-28 Im Tal der Loire bei 180 km/h

Nach der rasanten Fahrt erreiche ich Nantes um kurz nach 17:00. Dort unternehme ich nun noch eine kleine Stadtrundfahrt. An Bord einer AGC-Doppeltraktion in Richtung Sainte-Pazanne kurve ich über die Île des Nantes, eine früher industriell geprägte Stadtinsel, die mittlerweile einen beachtlichen Strukturwandel durchgemacht hat. Vom nächsten Halt Rezé Pont-Rousseau aus fahre ich mit der Straßenbahn zurück in die Innenstadt.

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3-29 Züge im Bahnhof Nantes: Vorne ein TGV, dahinter ein TER 2N NG und ganz hinten ein Tram-Train

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3-30 Querung des nördlichen Arms der Loire

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3-31 AGC-Doppel in Rezé Pont-Rousseau

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3-32 Weiter geht es mit der Straßenbahn…

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3-33 …hier über den südlichen Arm der Loire

Dabei zeigt sich ein Problem des ambitionierten Straßenbahnausbaus in Frankreich allgemein und in Nantes speziell: Obwohl die Tram auf der Île de Nantes im gemeinsamen Abschnitt zweier Linien im 3-Minuten-Takt fährt sind alle Züge brechend voll! Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Dimensionierung der ÖPNV-Netze in vielen Fällen nicht zu der Größe der Stadt passt und daher die Kapazitäten des ÖPNV schon jetzt stellenweise restlos erschöpft sind. Natürlich ist jeder Ausbau der Infrastruktur schön und gut, aber immer nur ein Schritt in die richtige Richtung, solange bis das Netz eine für eine so große Stadt ausreichende Leistungsfähigkeit endlich erreicht hat. An der Ausstiegshaltestelle nahe meines Hotels muss ich mich deshalb richtig aus dem Wageninneren herauskämpfen und durchquetschen, um wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Sowas habe ich seit meinen Schulzeiten nicht mehr erlebt.

Am Abend bin ich noch zu einem kleinen Rundgang unterwegs, bevor auch dieser Tag zu Ende geht.

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3-34 Auf der Île des Versailles, einer kleinen Insel im Fluss Erdre, befindet sich ein gut gepflegter japanischer Garten

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3-35 Ein fantastisches Farbenspiel im Frühjahr

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3-36 Auf der Promenade vor der Cathédrale (hinten rechts) wird eine Kirmes aufgebaut

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3-37 Château des Ducs de Bretagne

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3-38 Doppelgelenkbus

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3-39 Und zur Vollständigkeit noch eine moderne Tram


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