fehlende HGV-Netzgedanke bei DB Fernverkehr? (Allgemeines Forum)

sappiosa, Samstag, 19.09.2009, 13:07 (vor 5336 Tagen) @ Oscar (NL)

Hallo Oscar,

wie schon des öfteren im Forum sind wir hier im Kern einer Meinung.
Die Bundesbahn hatte in den 70ern und frühen 80er Jahren (als der Bau der NBS Hannover-Würzburg und Mannheim-Stuttgart begann und auch über KRM schon diskutiert wurde) durchaus Ansätze für einen Deutschland-Takt ähnlich dem Schweizer Bahn2000 auf dem Tisch, hat sie aber schon da angesichts der zahllosen Vetos von Kirchturmpolitikern irgendwann entnervt ad acta gelegt.

Man merke wohl: Die Schweiz, immerhin auch ein stark föderalistisches Land, hat offenbar viel besser geschafft, alle zum Ziehen an einem Strang zu bewegen.
Vielleicht sollte die DB (oder die Bundespolitik) von sich aus mal einen überzeugenden Zielzustand für das Jahr 2030 entwickeln - dann würde es viel leichter, alle darauf einzuschwören, als für einzelne, zusammenhanglose Neubauten, denen man einen Halt in Montabaur hinzufügen kann, ohne anderswo nennenswert Schaden anzurichten?

Ich möchte aber noch hinzufügen, dass im Vergleich zu den von Dir genannten Ländern Deutschland als dicht besiedeltes, zugleich stark zerstreutes Land ohne wirkliches Zentrum, sondern mit zahllosen örtlichen Zentren sehr ungünstige Voraussetzungen für ein echtes HGV-Netz mitbringt. Die Struktur ist eher mit CH und NL vergleichbar, aber die haben dafür den Vorteil, dass sie klein genug sind, keine ernsthafte Konkurrenz von Inlandsfliegern befürchten zu müssen.

Wie sieht es denn in den klassischen HGV-Ländern sonst aus?

- Japan: Ein Großteil der Besiedlung entlang der Ostküste. Wenn man hinter die eine SFS legt, hat man schon so gut wie gewonnen. Dann sehen wir weiter.

- Italien: Im Grunde ähnlich: Eine Linie Turin-Mailand-Bologna-Florenz-Rom-Neapel, plus einem Abzweig nach Venedig und Triest, und man hat die Nachfrage schon weitestgehend abgedeckt. (Die Idee mit den Autobahn-Abfahrten zur Anbindung mittelgroßer Städte am Weg sehe ich aber als vorbildlich.)

- Frankreich hat letztlich gar kein Netzkonzept. Sie überlegen sich einfach nur: Welcher Stadt und welcher Region verschaffen wir als nächstes die TGV-Verbindung nach Paris? Und in einem stark zentralistischen Land passt das ziemlich gut zur Nachfrage. Wenn man dann noch die LGV zusätzlich mit einigen Zügen an Paris vorbei nutzen kann - um so besser. Zudem ist Frankreich dünner besiedelt, dadurch der Bau von Neubaustrecken leichter - zumal die meisten bisherigen LGV durch relativ flaches Land verlaufen.

- Spanien: Ähnlich wie Frankreich. Allerdings schlagen die Spanier ein so atemberaubendes Tempo an, dass ich mich frage, woher sie das Geld nehmen. (Nein, es ist nicht nur die EU-Förderung - die bekommen andere Länder auch.)

Und in Deutschland? Wäre für ein echtes HGV-Netz schon einmal das Mindeste gewesen, die vier größten Städte miteinander zu verbinden. Dummerweise liegen die im Nord-Süd-Ost-West "wunderbar verteilt" und hätten allein sechs Direktverbindungen von zusammen über 3000 km Streckenlänge gebraucht. Durch Bündelung ließe sich das vielleicht auf 2000 km reduzieren - das ist immer noch mehr als das ganze französische LGV-Netz. Und dabei hätte man nur die Städte angebunden, die zufällig entlang einer dieser Verbindungen liegen.

Man kann da durchaus die Frage stellen, ob Deutschland nicht letztlich besser getan hätte, auf ein echtes HGV-Netz überhaupt zu verzichten, die Strecken über 600 km dem Flugzeug zu überlassen und für alles darunter ein ITF-Netzkonzept wie Bahn2000 zu entwerfen und umzusetzen. Aber machen wir uns nichts vor: Auch das wäre teuer geworden und an vielen Stellen nicht ohne Neubaustrecken ausgekommen. Auch Bahn2000 hat die Schweiz einiges gekostet.

Schöne Grüße
Daniel (aka Sappiosa)


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