Deutschland-Takt (Allgemeines Forum)

Oscar (NL), Eindhoven (NL), Dienstag, 01.09.2009, 20:19 (vor 5962 Tagen) @ sappiosa

Hallo sappiosa,

schöner Beitrag, dem ich zu 99 Prozent zustimme.

Danke fürs Kompliment.

Diese Länder brauchen keinen HGV, die Fahrzeiten sind auch so kurz genug, einfach weil es auch die Entfernungen sind.

Stimmt nicht ganz. Auch in NL, BE, CH und AT liegen SFS oder werden sie gebaut. Grund dafür ist die internationale Anbindung.

Bei uns in NL geht man schon etwas weiter. NS Hispeed ist völlig davon überzeugt (ich übrigens nicht), dass es auch genug Fahrgäste für einen Halbstundentakt Amsterdam-Breda gibt sowie für einen 10-Minutentakt Amsterdam-Rotterdam! Letztere Strecke ist im Moment 1:03-1:06, wird ab Montag in etwa 43 Minuten machbar sein, 32 Minuten werden nachgestrebt. Wenn die V250 fahren, ist man also doppelt so schnell. Dafür bezahlt man dann wohl auch den doppelten Preis. Und ich wage zu bezweifeln, ob der NLer sich das leisten wird.

Eine lohnende Verbindung auf der Schiene braucht in Deutschland schon HGV. Und der funktioniert leider nur, wenn er zwischendurch eben nicht alle naselang hält.

Klar, stimmt. Bei Langstreckenfahrten gibt es sogar von 3 Fronten Konkurrenz: Auto, Flugzeug und Fernreisebus.

Ein Bus ist auf der Autobahn nicht so schnell wie ein ICE, aber:

1. er kann die geschätzte 100 km/h Geschwindigkeit sehr lange ausfahren;
2. das Straßennnetz ist besser ausgebaut als das Schienennetz (sogar auch wenn man die Bauernwege ausläßt);
3. die Fahrgäste verlieren keine Zeit wegen umsteigen;
4. sie werden gerade vor dem Hotel abgeliefert.

Ich erinnere es mich noch, es wurde mal vergleichen, eine Wintersportreise von Amsterdam nach Saalbach-Hinterglemm. Eine Gruppe fur Bahn und ÖPNV, die andere Gruppe mit dem Bus. Der Bus war am Ende nur 30 Minuten langsamer als die Gruppe, die mit der Amsterdamer Straßenbahn, ICE, Regionalzügen und Linienbus Zell-Saalbach-Hinterglemm unterwegs waren.

Insofern ist es gerade in Deutschland schwierig, ein Personenverkehrs-Netz aufzubauen, das den Ansprüchen fast aller einigermaßen gerecht wird.

Kommt noch hinzu, dass es viele unterschiedliche Fahrgäste gibt.

Bei uns ist es einfach: die meisten Fahrgäste sind Pendler. Für die ist ein dichter Taktverkehr mit guten Anschlüssen wichtig. Im Wochenende gibt es wohl auch viele Ausflügler, aber die Fahren relativ kurze Abstände und profitieren also vom Taktfahrplan mit.

In Deutschland gibt es z.B.:

1. Kurzstreckenpendler. Die fahren meistens mit DB Regio und Stammstreckenzeitkarten, fahren etwa bis 100 km pro Tag. Diese wären mit einem NL-Takt natürlich optimal bedient. Ausstattung der Züge ist relativ einfach; der Zug ist hier vor allem Massentransportmittel.
2. Langstreckenpendler / Berufsfahrer. Die fahren meistens mit IC(E); die Stammstrecke ist so lange, dass eine MBC 100 sich lohnt. Die Züge müssen allerdings anspruchsvoller sein, weil man einen wesentlichen Teil des Tages im Zug verbringt. Frühstück und Abendessen werden wohl im Zug genutzt; Arbeit wird morgens vorbereitet und abends wird abgeschaltet. Takt ist hier auch wichtig, aber mit mehr Betonung auf Zuverlässigkeit als auf Frequenz.
3. Urlaubstouristen. Für diese relativ kleine aber nicht vernachlässigbare Gruppe konnte ein Deutschland-Takt ziemlich egal sein. Es ist diesen Leuten wichtiger, dass eine umsteigefreie Direktverbindung zum Ferienort besteht, auch wenn es die Verbindung nur 1x pro Tag (NRW-Oberstdorf), 1x pro Woche (NRW-Schwarzwald) oder nur saisonal (CNL NRW-Brig) gibt. Fahrkarten werden meistens schon lange voraus gebucht, Stichwörter sind hier Dauer-Spezial, Europa-Spezial und SparNight.

Ein paar Dinge gingen aber auf alle Fälle. Und was ich zu einem echten "Deutschland-Takt" vermisse, ist eine umfassende Planung, die auch Aus- und Neubauten in den Dienst des Fahrplan-Gesamtkonzepts stellt.

Genau das hat die Schweiz mit ihrem Bahn2000 perfekt vorgemacht. Letztlich läuft das dann darauf hinaus, Fernverkehr ebenso wie den Nahverkehr staatlich zu bestellen und zu bezahlen.

In Deutschland hätte man "layered structures". Ich sehe hier ein Modell verschiedener Netze, die immer etwa 40% schneller sind, also das übernächste Netz doppelt so schnell. Reisegeschwindigkeiten 200-140-100-70.

A-Netz. Reisegeschwindigkeit 180 km/h oder besser. Ziel ist hier, Inlandsflüge auf die Schienen zu verlagern. Gefahren wird mit dem in Italien bedachten 300-250-200 Konzept: man baut 300 km/h SFS, bastelt einen Fahrplan für vmax = 250 km/h damit sich einen vdurch von 200 km/h ergibt. Das v-Gebiet [250;300] ist für das Dichtfahren von Verspätungen bedacht.

B-Netz. Reisegeschwindigkeit 130-150 km/h. Hier sollen vor allem die neuen IC250-Triebwagen in Einsatz kommen. Schnellfahrstrecken werden mit 250 km/h mitbenutzt, damit man diese Strecken optimal benutzen kann und so wenig wie möglich fahrplanbedingte Lafas entstehen. Damit das möglich sei, sollen die SFS wie Autobahnen gebaut werden, wobei B-Halte aus beiden Richtungen eine Ausfahrt erhalten. Haupteinsatzgebiet sind allerdings Ausbaustrecken, wobei Altstrecken für 160 km/h fitgemacht werden.

C-Netz. Reisegeschwindigkeit 90-110 km/h. Hier verkehren die Regional und Überregionalexpresse. Fernschnellbuslinien könnte man auch in diesem Netz einfügen.

D-Netz: Reisegeschwindigkeit 65-75 km/h. Regional- und Vorortbahnen sowie schnelle Regionalbusse wie etwa der "DB Moselbus Hünsrückhöhenstraße".

Nur für die SFS-Benutzung sollte einen Zuschlag bezahlt werden, frei nach dem Prinzip einer Autobahngebühr. Die Ausbaustrecken und Altstrecken bleiben nach wie vor gebührenfrei; somit kann eine Fahrt mit einem Regionalzug genauso teuer sein wie mit dem IC.

Auch für Güterzüge soll eine Verteilung/Vertaktung gemacht werden:

A-Netz: HGV-Güterzüge nach dem Carex-Prinzip: 1, 2.

B-Netz: Parcel-IC, hochwertige Güterzüge mit 130-140 km/h schnelle Güterwagen.

C-Netz: die meisten heutigen Güterzüge.

D-Netz: Lokalgüterverkehr (durfte allerdings gering sein, weil LKW sich dann eher lohnt)


Klar werden noch viele Autos über die Straßen rollen und viel Wasser durch Rhein und Donau fließen, bevor es soweit ist, aber es ist ja auch nur ein Ansatz.


gruß,

Oscar (NL).

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Mit den neuen IC-Triebwagen wird alles besser !!

Trans-Europ-Express 2.0? Abwarten und TEE trinken!

Schienenstränge enden nicht an einer Staatsgrenze, sondern an einem Prellbock.


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