Versuch der Einordnung (S)SP / Flexpreis (Allgemeines Forum)

Ludo, Niedersachsen, Montag, 05.06.2023, 22:42 (vor 328 Tagen) @ gnampf
bearbeitet von Ludo, Montag, 05.06.2023, 22:44

Alltag. Hat es immer gegeben, wird es immer geben.


Ist aber ein Unterschied in der Häufigkeit.

Beim TGV ist in der 1. Klasse die grafische Reservierung möglich, zumindest bei der SNCF.
Und an einer Stelle muss ich dich korrigieren: Man konnte auch vorher schon platzgenau reservieren, habe ich auch so gemacht, man musste halt dazu ins Reisezentrum oder telefonisch bestellen.


Wie war das noch, mit Eisenbahn-Nerds? Um grafisch im Online-Bestellvorgang heute zu reservieren muß man kein Nerd sein. Um ins Reisezentrum zu gehen mit dem bevorzugten Plätzen, die man ja auch nicht mal eben vor Ort sehen oder vorher im Internet nachschlagen konnte... da brauchte es dann schon eine gehörige Portion Nerd.

Warum? Vor 10 Jahren gab es noch deutlich mehr Reisezentren, die Wartezeiten waren ebenfalls noch kürzer als oftmals heutzutage. Es waren noch weniger verschiedene ICE-Fahrzeugtypen unterwegs, ich hatte in jeder Baureihe meinen Stammplatz, wenn verfügbar. Heutzutage habe ich komplett den Überblick verloren (langer Einser, kurzer Einser, langer Vierer, kurzer Vierer, ICE 3 klassisch, Velaro D, Velaro Neo, IC 1, IC 2) bzw. manche Fahrzeuge sind auf den von mir benutzten Strecken (nur noch) selten anzutreffen. Zusätzlich nutze ich mit meinem Nachwuchs nun oft das Kleinkindabteil, wenn ich alleine reise auch oft die 1. Klasse.

Oh, so wenig fährst du? Ich habe Status und fahre 1. Klasse, und trotzdem musste ich in weniger als 12 Jahren schon mehrmals stehen oder im Einstiegsbereich hocken. Ok, ich habe mir nicht die Mühe gemacht die Comfort-Plätze kontrollieren zu lassen, das war mir zu affig.

Wieso affig? Wenn es diese Privilegien schon gibt, kann man auch das Personal darum bitten, diese nutzen zu können. Wie gesagt: War erst einmal überhaupt nötig, als Alleinreisender habe ich abgesehen von dieser Fahrt überall noch einen Sitzplatz gefunden und sobald ich nicht alleine reise und nicht gerade Saure-Gurken-Zeit ist, reserviere ich.

Wenn vorher wegen Personen im Gleis die Strecke gesperrt war und dann eine Menschenmasse den ersten wieder fahrenden ICE entert, dann ist das halt so. Müssen alle damit leben. Die Sitzenden sollten sich dabei glücklich schätzen.


Tust so als ob das gottgegeben wäre, ist es aber nicht. In Frankreich z.B müssen die planmäßig Reisenden auch nicht damit leben. Und nein, glücklich schätze ich mich keineswegs wenn ständig jemand neben mir steht und ich permanent Angst um meine Sachen haben muß. Das ist ähnlich anstengend als wenn ich selbst auch stehen würde.

Einen Anspruch auf APS gibt es ohnehin nicht. Es lebt sich deutlich entspannter, wenn man diesen Service gar nicht erst einplant, und die paar Schritte zum Bordrestaurant haben mir bisher noch nicht geschadet.


Stimmt, und wenn man dann zurück kommt und das Gepäck weg ist, dann lebt es sich auch viel leichter. Der Sitzplatz natürlich auch, aber der kratzt einen dann auch nicht mehr.

Es gibt da grundsätzlich zwei Herangehensweisen. Entweder lebt man bei jeder Zugfahrt permanent mit der Angst, beklaut zu werden. Muss ständig sein Gepäck im Auge haben, traut sich kaum aufs Klo, geschweige denn ins Bistro. Traut keinem der Mitreisenden über den Weg. Oder man reist mit einer gewissen Gelassenheit. Ich habe mich für letzteren Weg entschieden. Wenn ich auf die Toilette gehe, bleibt der Laptop am Platz (lediglich der Bildschirm wird "gesperrt"), das iPad bleibt im Rucksack und dieser bleibt ebenfalls vor Ort. Natürlich achte ich darauf, dass dazwischen kein Unterwegshalt liegt. Nach der Rückkehr vom WC kurzer Kontrollcheck, ob diese beiden Dinge noch da sind.
Wenn ich ins Bordrestaurant gehe, nehme ich Laptop & Rucksack mit, meinen Koffer lasse ich am Platz. Auch der Buggy meiner Kleinen bleibt dort. Ganz ehrlich: Wer es nötig hat, einen Koffer voller Klamotten oder gar einen Reise-Buggy zu klauen, muss arm dran sein. Bisher fahre ich gut mit meiner Strategie und meiner Herangehensweise, dass auf meinen Reisen nicht überall das Böse lauert. Klar gibt es da immer auch Zeitpunkte, wo man besonders wachsam sein wollte (z.B. Aufenthalt in Frankfurt Hbf), aber das ist ja nicht der Regelfall.
Ach ja, im Vor-Smartphone-Zeitalter hat man das übrigens so gemacht (bzw. ich mache das auch heute noch so), dass man Mitreisende darüber informiert hat, dass man in den Speisewagen geht und sie bitte ein Auge auf den Platz haben mögen. Hat bisher immer wunderbar geklappt! Seit dem Smartphone-Hype scheint die große Mehrheit der Bevölkerung eine Art Sozialphobie entwickelt zu haben, Corona hat sein Übriges dazu beigetragen. Einfach mal jemanden schnell und unkompliziert auf der Straße ansprechen und nach dem Weg fragen? Fehlanzeige. Da wird lieber minutenlang das Smartphone mit Google Maps hin- und hergedreht, bis man das gewünschte Ziel gefunden hat und meint, den besten Weg gefunden zu haben. "Entschuldigung, ist der Platz neben Ihnen noch frei?" - Machen inzwischen die wenigsten, dann lieber im Gang stehen und so tun, als gäbe es keine Sitzplätze mehr.

Ich lasse mir meine positive Grundeinstellung jedenfalls nicht nehmen. Klar kann es auch passieren, dass ich irgendwann mal beklaut werde. Aber das Leben ist eben voller Gefahren, man muss sie nur nicht permanent und überall eine wittern.

Meiner Meinung nach sollte die 1. Klasse sich preislich deutlich von der 2. Klasse abheben. Für 20,15 € inkl. Reservierung mehrere Stunden im ICE in der 1. Klasse zu fahren kann nicht das Ziel sein, weder für die Kunden, noch für die Bahn. Aus rein wirtschaftlicher Sicht verstehe ich den Schritt durchaus.


Das preislich abheben erreichst du aber nicht durch das weglassen der Inklusivreservierung, im Gegenteil. Dann fahren eben mehr Leute mit billigen Tickets ohne Reservierung und sorgen damit wieder für mehr Probleme in der 1. Klasse. Wenn also lieber die Reservierung drin lassen, auch bei den restlichen versprochen Features wieder für mehr zuverlässigkeit sorgen, und dafür den Preis der Fahrkarte entsprechend anheben.

Es macht die 1. Klasse zumindest etwas unattraktiver für die sehr preissensible Kundschaft.
Wieso mehr Probleme? Bisher hat man einen Sitzplatz reserviert und diesen belegt. Heute fährt man womöglich ohne Reservierung und muss sich seinen Sitzplatz selbst aussuchen. Oder im Zweifelsfall eben stehen, weil man das Reservierungsentgelt sparen wollte. Dann wird diese Personengruppe jedoch vermutlich das letzte Mal 1. Klasse gefahren sein. Ich rechne jedenfalls nicht mit mehr Chaos, sondern analog zur Lounge-Reform mit etwas mehr Entspannung und weniger Luftbuchungen.

Gruß, Ludo


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