Pietät, Schuld und andere "Kleinigkeiten" (Allgemeines Forum)

sappiosa, Mittwoch, 28.10.2009, 17:25 (vor 5900 Tagen) @ ICE-T-Fan

Hallo Markus,

na, das ist schon alles arg einseitig, nämlich nur aus Sicht des Unfallverursachers.

Wobei hier die Frage der Teilschuld zu klären wäre.

Ein Autofahrer z.B. muss immer damit rechnen, dass ihm ein Fußgänger vor das Auto läuft und daher gibt es ja zumindestens in geschlossenen Ortschaften grundsätzliche Tempolimits usw.

Richtig. Überschreitung des Tempolimits gibt auch erhebliche Mitschuld, oft genug über 50 Prozent.

Nur: Auch wer alle Tempolimits einhält, dem kann jemand vors Auto laufen. Bei unbeaufsichtigten Kindern muss ein Autofahrer damit rechnen - bei Erwachsenen nicht.


Wirklich skurril finde ich, dass im Todesfall Hinterbliebene, also am konkreten Unfall unbeteiligte Personen für Unfallfolgen aufkommen müssen.
Ist der Unfallverursacher volljährig, muss er unabhängig vom Ausgang die vollen Konsequenzen tragen, was aber bedingt, dass er geistig voll handlungsfähig ist, was wiederum bedeutet, dass kein anderer Mensch für die Folgen seiner frei getroffenen Entscheidung belangt werden kann.

Aber was wäre die Alternative?

Dass der andere Verunfallte, dem überhaupt nichts vorzuwerfen war, auf seinem Schaden sitzenbleibt? Auch der kann eine Existenz zerstören.


Im schlimmsten Falle sollten Unfallbeteiligte dann höchstens von der zurückgebliebenen Wertmasse des getöteten Unfallverursacher entschädigt werden.. das würde Versicherungen natürlich mit einschließen.

Es hat schon einen guten Grund, dass beim Autofahren eine Haftpflicht Vorschrift ist: damit schuldlose Unfallopfer immer ihren Schaden ersetzt bekommen, auch wenn der Unfallverursacher dazu gar nicht in der Lage wäre.

Aber Unfälle passieren ja nicht nur beim Autofahren...


Bei suizidgefährteten Menschen stellt sich ohnehin die Frage nach der Schuldfähigkeit. Rein rechtlich und medizinisch begründet kann ein schuldunfähiger Mensch auch nicht für die Konsequenzen seiner Tat zur Verantwortung gezogen werden.. somit bleibt die Bahn oder der Autofahrer im Endeffekt auf den Kosten sitzen.

Ist das so? "Strafrechtlich nichts vorzuwerfen" und "zivilrechtlich nicht haftbar" sind zwei völlig unterschiedliche Dinge.

Und auch hier wieder hieße die Alternative: Zahlen müssten völlig Unschuldige.

Eine Frau, die aufgrund eines familiären Zwischenfall psychische Probleme hatte, hatte ihren Koffer in einem Zug oder auf einem Bahnsteig vergessen (ich weiß es nicht mehr ganz genau).
Daraufhin kam es wie es kommen musste, es gab einen Bombenentschärfungseinsatz.
(Wäre vor 10 Jahren vermutlich nicht passiert und das Gepäckstück wäre im Fundbüro gelandet.)

Nun sollte die Frau die Kosten der Sperrung, der Zugverspätung und anderer Folgekosten tragen, was grob überschlagen paar 10.000 Euro waren.
Was daraus geworden ist, ist mir leider nicht bekannt.

Nun gut, ein Extremfall...

Es ist eh drastisch überzogen, wegen eines herrenlosen Koffers das Bombenentschärfungskommando zu rufen. Aber es ist halt immer eine Frage des Einzelfalls.


Allerdings kann es absolut jedem Menschen so ergehen, dass er aufgrund von Todesfällen, schweren Krankheiten oder sonstigen mal nicht wirklich bei der Sache ist und solch ein Malheur darauf folgend passieren kann.

Wenn man jeden Menschen dann für Folgekosten belangen wollte (vorallem wenn sie aus m.E. unsinnigen Überreaktionen herrühren), könnten die meisten Menschen schonmal pauschal zu ihrer Geburt Privatinsolvenz anmelden ;)

Absolut richtig.

Nur, provokant gesagt: Will man dann andererseits jedem Menschen das Risiko aufbürden, für Folgekosten aufzukommen von Fehlern, die nicht einmal sie selbst gemacht haben, sondern andere?
Nichts anderes hieße nämlich, auf den Kosten eines Unfalls sitzenzubleiben.

Dass die Bahn und andere Großkonzerne in solchen Fällen im Zweifelsfall nicht auf ihrem Recht bestehen, weil es um Beträge geht, die für sie Peanuts sind, ist schon völlig richtig so. Aber einen Grundsatz kann man daraus nicht machen.

Schöne Grüße
Daniel (aka Sappiosa)


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