Regulierungsspirale... - wir sind selbst schuld daran (Allgemeines Forum)

Hustensaft, Donnerstag, 04.07.2024, 17:13 (vor 353 Tagen) @ BGSMH

Liberal wäre, dass der Staat sich aus dem Thema "Streik" raushält

Nett gedacht, aber unmöglich. Erstens sind bei den meisten der im Vorschlag enthaltenen öffentlichen Dienstleistungen auch Dritte betroffen, es ist eben keine reine Auseinandersetzung zwischen zwei Tarifparteien. Zweitens gibt es hier keinen freien Markt, ein ausweichen auf andere Anbieter ist meist nur sehr eingeschränkt bis gar nicht möglich. Drittens handelt es sich bei viele der Dienstleistungen um solche der öffentlichen Daseinsvorsorge, d.h. der Staat muss schlicht alles tun, damit diese Leistungen angeboten werden - wer das negiert, der sei daran erinnert, wie viel Geld der Staat bei den meisten Leistungen zuschießt, weil die eigenwirtschaftlich nicht erbringbar sind.

Wie wenig neutral der Staat sein kann, wird auch - Ältere werden sich daran erinnern - daran deutlich, dass Drittbetroffene womöglich Kurzarbeit in Anspruch nehmen müssen, Schlagwort § 116 AFG.

Nun hat der Gesetzgeber aber in den Arbeitsmarkt dahingehend eingegriffen, dass er - grob gesagt - arbeitsrechtliche Konsequenzen bei einem Streik ausgeschlossen hat.

Stimmt so interessanterweise nicht, wer die Rechtsentwicklung betrachtet weiß, dass das früher explizit (Maßregelungsverzicht) in Tarifabschlüsse geschrieben wurde bzw. von den Arbeitsgerichten "erfunden" wurde, der Staat hat also nur das in die Gesetze übernommen, was ohnehin Rechtslage war.

Und nun gibt es eben Gewerkschaften die das vom Gesetzgeber geschaffene Streikrecht ausnutzen, sodass der Gesetzgeber möglicherweise weiter ins Detail reguliert.

Na ja, auch hier sei daran erinnert, dass es kein unbegrenztes Streikrecht gibt, hier aber wieder einmal die Arbeitsgerichte rechtsbildend wirken - Stichworte Unangemessenheit und Unverhältnismäßigkeit, nicht umsonst wurden manche Streiks gerichtlich untersagt.

Man nennt das eine Regulierungsspirale. Eine einmal geschehene grobe Regulierung erfordert dann immer weitere Regulierungen, die dann immer mehr ins Detail gehen.

Und wer ist daran schuld? Nicht der Staat, sondern die, welche die Regelungen überreizen. Das beste Beispiel ist der Warnstreik - den es eigentlich nicht gibt und der historisch betrachtet illegal ist. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Gewerkschaften sich an ihre eigenen Satzungen halten und erst nach Tarifverhandlungen, die gescheitert sind, mit anschließender Urabstimmung zu Streiks aufrufen; Warnstreiks vor oder während der Tarifverhandlungen waren nicht vorgesehen und nicht zulässig. Dazu kommt der immer offenkundigere Missbrauch, wann rief in der letzten Tarifrunde die GdL zur Urabstimmung auf? Da hatten die Verhandlungen noch gar nicht begonnen ...

Schön daran zu sehen wie viele Gesetze jedes Jahr neu erlassen werden und wie bestehende Gesetze über die Jahrzehnte immer dicker werden und immer mehr ins Detail regeln.

Wie gesagt, wir alle haben an diesem Effekt eine Mitschuld, in dem nicht nach dem Sinn von Regeln gehandelt wird, sondern alle Lücken genutzt werden - und entweder schließen die Gerichte die Lücken oder der Gesetzgeber muss das tun.

Ansonsten halte ich den FDP-Vorschlag für gar nicht so falsch, er hebelt das Streikrecht übrigens gar nicht so stark auf, wie es erscheint, er beschränkt letztlich nur Warnstreiks und sichert eine Grundversorgung. Wie wichtig Grundversorgung ist: Man stelle sich vor, die E-Werker würden streiken und den Strom abstellen ...


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