Gedanken am Sonntagabend: die richtige Revolution :-) (Allgemeines Forum)

Blaschke, Sonntag, 08.12.2013, 21:15 (vor 3799 Tagen) @ ALR997

Hallo!

Das Konzept will ich jetzt gar nicht groß bewerten. Durchaus ganz spannend - und ein bißchen eine Rückversetzung in die eigene Jugend, als meinereiner auch an solchen Ideen "bastelte".

Prinzipiell lehne ich erstmal die Trennung von Fern- und Nahverkehr ab. Da habe ich ganz andere Vorstellungen. Auch die Zugzusammenstellung halte ich für falsch. Bei mir würden ausschließlich(!) drei- und vierteilige Triebwagen bestellt. Damit läßt sich zwischen drei- und sechszehn-teilig jede gewünschte Zuglänge darstellen (außer 5-teilig). Es kann also geflügelt und vereint werden, bis der Arzt kommt. Und heute undenkbare Konzepte wären möglich: Da fährt der Zug dann als "Fernzug" von Hamburg nach Nürnberg, kommt dort abends an und bummelt als "RE" dannn aber noch weiter nach Ingolstadt. Zum Beispiel.

Gleichzeitig bin ich kein Freund des ITF. Tolle, schlanke Anschlüsse sind auf dem Papier nett, in der Praxis aber zu oft ein Problem. Außerdem wird die Bahnhofsinfrastruktur völlig ungleichmäßig ausgelastet: Zum Knoten kommen von überall Züge, die alle Bahnsteigkanten benötigen, dann düsen sie alle wieder ab und der Knoten versinkt bis zum nächsten Takt im Dornröschenschlaf. Die Merkbarkeit der Fahrzeiten kann heute, wo jeder jederzeit online ist und alles ratzfatz nachschauen kann, kein Argument mehr sein. Und wo es für einen Stunden- oder Zweistundentakt nicht reicht, wird dann eingestellt, anstatt einzelne Zugpaare verkehren zu lassen. "Taktabweicher" sind auch heute schon in Teilen "notwendig" und haben ihr Publikum. Das alles dem ITF unterzuordnen, ist ein großer Fehler des deutschen Bahnwesens. Was fehlt, sind viel mehr Züge und Zugverbindungen, aber dazu später mehr.


Außerdem müssen viel mehr neue Strecken errichtet werden. 2 Neubaustrecken, über die niemand spricht, fallen mir sofort ein. Zum einen ist das Soest - Kassel - Eisenach. Jeweils auf kürzestem Wege. Womit die Schleicherei und die ganzen Umwege über die MDV endlich ein Ende haben. Zum anderen ist das der Ersatz für die Rollbahn Münster - Hamburg. Hier muß ab Lengerich über Osnabrück bis Bohmte erstmal neugebaut werden ("Teutoburger-Wald-Tunnel" und "Wiehengebirgsbasistunnel"), ab Diepholz geht es geradeaus Richtung Wildeshausen, weiter nach Delmenhorst, in Bremen dann über die neu zu errichtende "Neustädter Kurve" von Osten in den Hbf rein (also so wie heute aus Osnabrück kommend auch). Dann geht's von Bremen direkt Richtung Buxtehude, über die Elbe direkt Richtung Altona.

Und auch sonst gäbe es reichlich auszubauen. Hannover - Halle muß über Magdeburg beschleunigt werden. Noch besser wäre eine direkte SFS, aber den gesamten Harz zu untertunneln, hm, andererseits: Warum nicht? Trier - Köln etwa in der Trasse der Eifelquerbahn. Und südlich weiter bis Saarbrücken. Ulm - Singen - Schaffhausen - Basel auf direkten schnellen Wegen. Hamburg - Rostock ist die reinste Achterbahnfahrt auf der Landkarte. Die "Amerikalinie" nicht zu vergessen, Stendal - Uelzen - Soltau - Bremen. Dazu all die bekannten Projekte.

Es gäbe unendlich viel neuzubauen. Aber damit darf man ja nicht mal Eisenbahnfans kommen. Die protestieren als erste, wegen Naturschutz zum einen (die Zahl der Fußballfelder, die täglich versiegelt werden, ist ja immer schön beeindruckend, auch wenn die Menge verschwindend gering ist zur Gesamtfläche), wegen Fortschrittsfeindlichkeit zum anderen, aus Nostalgiegründen und weil man selbst sowieso dagegen ist, dass alles schneller sein soll. Und der Rest der Bevölkerung ist ja schon eh gegen jede klitzekleinste Baumaßnahme, erst recht, wenn es die Eisenbahn betrifft. Somit werden unsere Nachfahren auch noch in etlichen Jahrzehnten auf uralten Trassen rumgondeln, ein HGV-Flickenteppich erleben und die Eisenbahn eine Randerscheinung bleiben.

Und wenn wir eine WIRKLICHE Bahnreform wollen würden und eine WAHRE Verkehrswende, dann sind auch Halbstundentakte nach Westerland und Saarbrücken eine Selbstverständlichkeit. Zumal man, wenn eh alle 20 bis 30 Minuten ein Zug kommt, die ewige Anschluss-Problematik vergessen kann. Es müßte viel mehr Züge geben, viel mehr Zugverbindungen, unterschiedliche Bedienungs-Konzepte. Warum fahren in 2 Stunden gerade mal 3 Fernzüge von Berlin Richtung Hannover? Ist doch ein Witz. Zumal sich dann immer alle streiten, wo die halten sollen. Der eine will Spandau bei Berlin, der nächste Zoologischer Garten, andere wollen durchrasen ohne Halt, Wolfsburg fordert seine Rechte ein und Fürsprecher für Stendal gibt's auch. Probleme, die gelöst sind, wenn z.B. jede Stunde folgende Züge führen (Vor - und Nachlauf lasse ich weg):

ICE-Expreß: Berlin Hbf - Hannover Hbf
ICE: Berlin Hbf - Spandau bei Berlin - Wolfsburg - Hannover
IC: Berlin Hbf - Spandau bei Berlin - Stendal - Wolfsburg - Braunschweig - Hannover
IR-Expreß: Berlin Hbf - Berlin Zoo - Potsdam - Magdeburg - Braunschweig - Hannover
IR: Berlin Hbf - Berlin Zoo - Charlottenburg - Potsdam - Brandenburg - Magdeburg - Helmstedt - Braunschweig - Lehrte - Hannover
IR: Berlin Hbf - Spandau bei Berlin - Rathenow - Stendal - Wolfsburg - Gifhorn - Lehrte - Hannover
Dazu dann noch die bisherigen Nahverkehrszüge (die Trennung Nah-/Fern gibt es bei mir bekanntlich nicht mehr, s.o.)

Da es ja nur noch 3- und 4-teilige Züge gibt, kann man dann noch flügeln und vereinen wie wahnsinnig, die Kapazitäten recht genau anpassen. Der letztgenannte zweiteilige IR könnte ab Lehrte getrennt werden und der hintere Teil wird bis Minden zur S-Bahn; in Minden kommt er dann an den nächsten IR nach Dortmund wieder dran.

Natürlich jetzt eine Art Extrembeispiel, es soll aber verdeutlichen, was alles so machbar wäre, wenn man nur wirklich wollen würde. Die Eisenbahn würde DAS Verkehrsmittel in Deutschland. Die Millionen Arbeitslosen aus dem Autobau würden wir schon brauchen, um den ganzen Mehrverkehr bei der Bahn überhaupt abwickeln zu können.


Aber dazu müßte es eine RICHTIGE Revoltion geben in Deutschland und nicht das kleinkarierte Rumdoktoren an einzelnen Mängeln im System. Und man benötigt Bahnfürsprecher, die nicht schon von vornherein Halbstundentakte nach Westerland, Saarbrücken und Angermünde ablehnen. So wird's nie was.

Das war jetzt nur ein kurzes, zusammengestückeltes Sammelsurium. Leider fehlt die Zeit (und etwas auch die Motivation), das alles mal ausführlich und sortiert auf Papier zu bringen.


Schöne Grüße aus der Friedensstadt Osnabrück von

jörg


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