Warum relative Erstattung für absolute Verspätung? (Allgemeines Forum)

Hermes, Donnerstag, 25.07.2013, 19:49 (vor 3946 Tagen)

Auf einer relativ kurzen Strecke mit einer planmäßigen Fahrtzeit von knapp 40 Minuten hat mein ICE heute wegen eines Triebfahrzeugschadens eine Verspätung von etwa 45 Minuten aufgebaut. Obwohl sich die Fahrtzeit dadurch mehr als verdoppelt hat, besteht offensichtlich kein Anspruch laut Fahrgastrechten, weil die Verspätung unter einer Stunde liegt. Insofern sind Reisende, die kürzere Strecken zurücklegen, bei der Bahn grundsätzlich im Nachteil, weil sie selbst bei deutlichen prozentualen Fahrtzeitverlängerungen keine Erstattungsansprüche erwerben. Offensichtlich muss man aber damit leben, dass Verspätung absolut und nicht relativ gemessen wird und ein Pendler, der pro Woche zweieinhalb Stunden Verspätung einsammelt gegenüber einem Fernreisenden, dem dasselbe auf einer längeren Strecke gelingt, diskriminiert wird.

Wird jedoch die absolute Verspätungsgrenze von 60 bzw. 120 Minuten überschritten, dann wird nicht etwa ein Absolutbetrag erstattet, sondern ein prozentualer Anteil des Fahrkartenpreises. Das scheint mir nicht in sich schlüssig zu sein.

Würden nämlich die Fahrgastrechte darauf abstellen, dafür zu entschädigen, dass die erworbene Dienstleistung nicht die zugesagte Qualität aufweist, dann wäre eine prozentuale Minderung des Preises naheliegend, wie sie tatsächlich erfolgt. Die Messung der Qualität der Dienstleistung hinsichtlich einer Verspätung sollte dann aber möglichst durch das Verhältnis von zugesicherten zu tatsächlichen Produkteigenschaften erfolgen, also als relative Verspätung. Bei einer Urlaubreise würde vermutlich auch eine Reklamation bezüglich eines Hotels, das sich statt 200 Meter vom Strand entfernt 1200 Meter vom Strand entfernt befindet auch anders gehandhabt als eine entsprechende Reklamation bezüglich eines Hotels, das sich 5 km vom Meer entfernt befinden soll, tatsächlich aber 6 km von dort entfernt liegt.

Will man nun umgekehrt nicht für die Schlechtleistung entschädigen, sondern Schadensersatz für den Zeitverlust leisten, dann ist nachvollziehbar, warum absolute Grenzen gesetzt werden. Dann jedoch ist wiederum nicht nachvollziehbar, warum keine Pauschalbeträge erstattet werden, sondern relative Anteile des Fahrkartenpreises. Der Fahrkartenpreis spiegelt nämlich keineswegs in geeigneter Weise wider, wie wertvoll die Zeit eines Reisenden ist und in welcher Höhe er für ihren Verlust infolge einer Zugverspätung entschädigt werden muss. Hier sollte also entweder nach anderen Kriterien oder überhaupt nicht differenziert werden - der Fahrkartenpreis ist kein geeignetes Kriterium.

Warum gibt es nun so eine eigenartige Mischform bei der Ermittlung eines Anspruchs und der Bestimmung der Erstattung? Leider bin ich kein Jurist und kann insofern nur auf Basis sehr rudimentären Hintergrundwissens argumentieren. Kennt sich irgendjemand besser damit aus, oder wurde dieses Thema schon einmal diskutiert?


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