Durchsetzung der Rechtslage vor Gericht (Allgemeines Forum)

zettelbox, Donnerstag, 25.09.2025, 09:52 (vor 89 Tagen) @ LoungeHopper

Danke für den Beitrag, ich möchte ihn ein wenig ergänzen um eine zweite Perspektive.

Ich bin häufig mit der Bahn aber auch gelegentlich mit Airlines unterwegs. Auch bei Airlines gibt es ja (wenn auch erst in extremeren Fällen, in der Regel ab 3 Stunden Verspätung oder halt bei Annulierung oder verspätungsbedingt verpassten Anschlüssen) gewisse Entschädigungsansprüche.

Da ich absolut gesehen deutlich häufiger Bahn fahre als fliege, und außerdem die Bahnfahrten relativ gesehen häufiger schief gehen, und die FGR bei der Bahn viel früher greifen, habe ich absolut gesehen sehr viel mehr Ansprüche aus Bahn-FGR als aus Flügen.

Dennoch muss ich sagen:
Meine Erfahrungen mit der DB in Sachen Durchsetzung der FGR sind seit 2-3 Jahren (geschätzt) sehr positiv. Seit die Antragsstellung über den DB Navigator digitalisiert ist, ist erstens die Antragstellung wirklich einfach und zweitens die Bearbeitung sehr schnell. In den meisten Fällen gibt es die Entschädigung wenige Tage nach Antragsstellung direkt aufs Konto. In wenigen Fällen bekommt man eine Ablehnung und kann die Hotline anrufen - und dort wurden bisher alle meine Fälle geklärt, das Geld gab es dann später. Das betrifft in der Regel schwierigere Fälle, wie Verauslagung von Übernachtungskosten (Taxi hatte ich glaube ich noch nie) oder ein Fahrtabbruch, wenn ich gestrandet bin und mich privat von dort habe abholen lassen (wobei ich dann nur die Fahrkarte 100 % erstatten lasse, aber keine weiteren Fahrtkosten).

Bei Airlines ist meine Erfahrung eine völlig andere.
Ansprüche aus verpasstem Gepäck (das ist dann die Erstattung von Notkäufen für Kleidung etc.) werden dort ebenfalls (sofern angemessen) sehr schnell bearbeitet und das Geld landet innerhalb weniger Tage auf dem Konto.

Bei Ansprüchen aus Verspätungen und Annulierungen stellen sich die Airlines aber quer und reizen es aus. Sie suchen sich völlig weltfremde Begründungen, warum sie nicht entschädigungspflichtig sind (entkoppelt von der Rechtslage, nahezu absurd) und lassen es auf die gerichtliche Klärung ankommen. Da habe ich nun mehrere Erfahrungen gemacht, und zwar immer erfolgreich. Und daraus nehme ich mit:

- die E-Mail-Adresse aus dem Impressum ist genau richtig. Wenn ein Anwalt eine Forderung mit 7 Tagen Frist dort hin schickt, ist erstaunlich, wie schnell die Mails dann doch zur Rechtsabteilung durchgestellt werden, in der Regel am selben Tag noch.
- Man sollte sich schon an die Rechtslage halten, denn im Zweifelsfall sucht die Rechtsabteilung des Unternehmens dann doch nach einer Lücke. Wenn es eine 100 min Frist gibt: einhalten.
- Klagen hilft und ist erstaunlich entspannt, man hat wirklich weniger Stress damit als man zunächst glaubt. Zunächst unter Fristsetzung nochmal Mail an die Airline, dann Sachverhalt an den Anwalt schicken, später Klageschrift freigeben, einige Wochen später Geld erhalten. Man sollte hier aus Angst nicht zurückstecken.
- Thema Beweislast: Hier habe ich die Gerichte als extrem verbraucherfreundlich erlebt. Wenn ich behaupte (natürlich wahrheitsgemäß), dass mir keine Mahlzeiten angeboten wurden, dass mir am Schalter keine Alternativverbindung angeboten wurde sondern ich auf den Flug am nächsten Tag umgebucht wurde, ich keine Hotelübernachtung angeboten bekommen habe etc. dann glauben die Gerichte das, bis die Airline das Gegenteil beweist bzw. plausibel darlegt. Das können sie natürlich nicht. Noch nie hat ein Gericht irgendwie verlangt, von mir zu beweisen, dass ich wirklich am Schalter war, oder dass ich wirklich eine Frist in einer Ankunftshalle abgewartet habe. Die Behauptung/Zusicherung reicht als Anscheinsbeweis völlig aus.

All das dürfte auch für die Bahn gelten. Wie gesagt, ich musste noch nie gegen die Bahn klagen, spätestens mit dem Anruf nach erster Ablehnung haben sich die Fälle bislang immer geklärt, einmal musste ich halt zweimal anrufen nach zwei Ablehnungen, aber das war glaube ich eher Missverständnissen geschuldet. Da kämpfen die Airlines mit deutlich härteren Bandagen.

Very long story short: Rechtslage kennen, entsprechend verhalten, Ansprüche geltend machen. Ich würde mir hier nicht zu sehr den Kopf zerbrechen, man kommt ziemlich zuverlässig und ohne allzu viel Stress zu seinem Recht, auch wenn man gewisse Punkte nicht beweisen kann.


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