Naja... zu Kurve Biblis und Medienberichterstattung (Aktueller Betrieb)

bigbug21, Samstag, 28.12.2024, 09:36 (vor 357 Tagen) @ Hustensaft

Hallo Hustensaft,

so sehr ich mich auch über einseitige Jubel-Kommunikation ärgere, so sehr versuche ich mir (auch deshalb) einen sachlichen, differenzierten Blick (auch hier) zu bewahren.

Und trotzdem: Auch diese Kurve bleibt erkennbar unter dem, was mit ausreichendem Vorlauf und vernünftigen Mitteleinsatz möglich gewesen wäre (insbesondere im bogeninneren Gleis mit einer Verschiebung um ein paar Meter -- auf bahneigenem Grund! -- statt einiger Zentimeter).


Offiziell werden das vermutlich nicht mal ein paar Zentimeter sein, denn eine Verlegung, egal, wem der Grund und Boden gehört, hätte ein neues Planfeststellungsverfahren bedingt - und das dauert nicht nur, sondern brächte wegen geänderter Rechtslage umfangreiche weitere Dinge wie zusätzlichen Lärmschutz und mehr mit sich.

Das stimmt so pauschal nicht. Eine seitliche Verschiebung in einem (nicht genauer definierten) Zentimeterbereich wurde von der DB kommuniziert (siehe Wikipedia zur Kurve Biblis und Verweis von dort). Die (Längs-)Lage der neuen Weichen hat sich auch erkennbar im Meterbereich verschoben.

Es werden auch immer wieder Gleis(lagen) geändert, ohne dass dafür ein Planfeststellungsverfahren zu durchlaufen wäre. Das sieht man auch auf der Riedbahn, wo bei genauerem Hinsehen schon einige Gleislagen deutlich geändert wurden, beispielsweise in einigen im Zweiggleis schneller befahrbaren Weichen, die dafür teilweise um dutzende Meter (längs) verschoben wurden. (Mich ärgert, dass auch hier viele fruchtbare Debatten gebremst oder im Keim erstickt werden, weil selbst die Lage von Gleisen, die letztlich der Steuerzahler weitgehend bezahlt, nicht umfassend transparent ist.)

Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren auch schon einiges für Vereinfachungen und Beschleunigungen des Eisenbahn-Planrechts getan. Davon hat auch die Riedbahn profitiert, in dem nach § 18 AEG u. a. Oberleitungsmaßnahmen oder der Bau von Überleitstellen explizit planrechtsfrei gestellt wurde.

Gleichwohl hat der Gesetzgeber bislang offenbar versäumt, klar vorzugeben, bis zu welcher Verschiebung eine Gleislageänderung per se planrechtsfrei ist. Zwar fanden sich zuletzt in einem Gesetzesentwurf von 2023 (Seite 123, Punkt 12) schon einmal eine explizite Regelung (von bis zu 3 Meter in der Horizontalen), die aber im weiteren Gesetzgebungsverfahren offenbar verworfen wurde. Stattdessen spricht Satz 1 von § 18 AEG nunmehr allgemein davon, dass ein Planrechtsverfahren erforderlich ist, "wenn der Grundriss oder der Aufriss der Betriebsanlage oder beides wesentlich geändert wird", lässt aber offen, was "wesentlich" ist. Diese Unsicherheit (Angst?) vor Planfeststellungsverfahren führt erkennbar dazu, dass vielfach im Rahmen ohnehin anstehender Erneuerungen und Umbauten Optimierungen nicht umgesetzt werden. Auch mit Blick auf weitere "Generalsanierungen" wäre eine klare Regelung hier sehr wünschenswert, um insbesondere bei ohnehin weitreichenden Oberbau- und Oberleitungsmaßnahmen Geschwindigkeitseinbrüche zu beseitigen.

Ein vollwertiges Planfeststellungsverfahren ist im Übrigen ja auch nur dann erforderlich, wenn der Kreis der Betroffenen nicht überblickt werden kann (was bei größeren Änderungen in der Kurve Biblis wohl zumindest wegen Schallwirkungen der Fall gewesen wäre). Kann der Kreis der Betroffen hingegen überblickt werden, reicht häufig auch eine Plangenehmigung, wobei der Kreis der Betroffenen direkt angeschrieben und angehört wird.

Die einseitige "Jubel-Kommunikation" entwertet letztlich ein gutes Stück weit die große Leistung der vielen, die an diesem Projekt mitgearbeitet haben und kostet letztlich auch wieder Glaubwürdigkeit.


Alleine schon der Umstand, dass zwei S-Bahnen und zwei RB-Linien nicht zum Stichtag fahren konnten - vom fehlenden ETCS ganz abgesehen -, belegt, dass man eben nicht rechtzeitig fertig war; das alles war eine peinliche Show, aber die Medien bemerken das nicht einmal.

Ich finde es unpassend, pauschal von "die Medien" zu sprechen. Wie sich mit einer kurzen Internetrecherche unschwer erkennen lässt, haben schon etliche Medien darauf hingewiesen, dass nicht alles in Betrieb geht. Auch über Probleme der letzten Tage haben durchaus einige Medien berichtet.

Große Sorgen macht mir die allfällige Intransparenz, auch mit Blick auf kommende Generalsanierungen: So sollen beispielsweise anstehenden Sanierung der Strecke Berlin–Hamburg zwar 2,x Milliarden Euro (weitgehend öffentliche Mittel?) verausgabt werden, trotz erster bereits erfolgter wesentlicher Vergaben gibt es aber offenbar keinerlei konkrete Information, wo eigentlich was geändert (auch verbessert, gleich gelassen, verschlechtert) werden soll.

Viele Grüße
Peter

--
unterwegs für freie Eisenbahn-Geodaten


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