Seltsames [SK]-Schlängeln im saublöden Seuchenjahr – Kap 2/5 (Reiseberichte)

Krümelmonster, München, Freitag, 29.01.2021, 09:42 (vor 1793 Tagen) @ Krümelmonster

Am folgenden Freitag hatte ich kurzarbeitsfrei. =)
In der Slowakei wird SEV grundsätzlich nicht im Fahrplan hinterlegt, sondern fahrzeitneutral durchgeführt (so zumindest die graue Theorie). Es gibt bloß von ŽSR eine total unübersichtliche Tabelle (erscheint erst Donnerstagnachmittag für die folgende Woche) sowie eine nicht immer vollständige Übersicht von ŽSSK, wo in der folgenden Woche SEV stattfinden wird. Das EIU verkündete nun für meine Strecke Bauarbeiten & SEV, das EVU nicht… Deshalb hatte ich am Vorabend nach Ankunft in Žilina schon gefragt, ob denn nun SEV sein würde oder nicht. Nach einigem Hin und Her (für mich ist auf Slowakisch Hörenverstehen am schwersten, weil es da am wenigsten Gelegenheiten zum Üben gibt, und es war ja gleich am ersten Tag) habe ich dann kapiert: „Das sehen Sie dann, wenn Sie im Zug sind!“ – „Gibt es keine Möglichkeit, das vorher zu wissen?“ – „NEIN!“. Da lt. EIU der SEV nur morgens stattfinden sollte, stellte ich mein Programm um, sodass ich den entsprechenden Abschnitt abends passieren würde. Dafür fuhr ich 2 h später los, aber kam 4 h später zurück. -.-
Viertel vor neun ging es los mit der Eierlegerin: Die ŽSSK produziert ständig Schleicher-Ei. Der Schnellzug aus Bratislava traf zwar pünktlich in Žilina ein, hatte hier ohnehin 4 min Aufenthalt, aber wegen Wartens auf Anschlussfahrgäste fuhr er erst mit + 5 los. :D Die Fahrt führte mich westwärts der Waag entgegen. In diesem Bericht hatte ich bei Bild 20 geschrieben, dass rund um Žilina an einer neuen Bahnstrecke gewerkelt wird – das ist aber nicht korrekt: Dort wird keine Bahnstrecke gebaut, sondern eine Stinktierrenne, die dann südlich von Žilina vorbei führen soll. Die Slowakei ist einer von wohl sehr wenigen Flächenstaaten in Europa, dessen beide größte Städte nicht durchgehend per Autobahn verbunden sind. Und daran wird sich wegen der komplizierten Topographie im Bereich Ružomberok so schnell auch nichts ändern (alle anderen Abschnitte sind wenigstens im Bau, auch wenn die Fertigstellung noch ein paar Jahre dauern wird). Eine Beschleunigung der Bahnstrecke hingegen ist derzeit nur im Raum Považská Bystrica (westlich von Žilina) in Arbeit.
Nach einer halben Stunde erreichte der Schnellzug, nun schon mit + 8, Kraľovany, wo ich umstieg in einen Regionalzug. Technik, die begeistert: Um die Türen auf der linken Seite zu öffnen, musste der Tf immer erst zum hinteren Führerstand latschen. :D Der Zug quälte sich unfassbar langsam das Tal der Orava hinauf. Nach einer halben Stunde war mit + 4 die Kreisstadt Dolný Kubín erreicht, wo ich ausstieg.
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28 Der Löwe flirtet mit einem Elefanten – manche stehen eben auf Kurven ;-)
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29 – 31 Die über der Waag wachende Burg Strečno entstand bereits um das Jahr 1300 (ja, die Bilder entstanden an unterschiedlichen Tagen mit unterschiedlichem Wetter^^)
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32 Ein putziges gelbes Bauwägelchen in Kraľovany
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33 Flussaufwärts
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34 Risikogruppe & Maske à la Depp – genau mein Humor -.-
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35 Führerstand, leer weil ohne funktionierende Türöffnung links^^
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36 Nun kriecht er weiter langsam bergauf
Der Busbahnhof befand sich gleich neben dem Bahnhof, doch ich hatte eine Dreiviertelstunde Zeit. Zunächst ging ich in das Gebäude, wo groß „Busbahnhof“ draufstand. Zwar weiß ich, dass man die Tickets in der Slowakei in der Vergangenheit immer beim Fahrer kaufte, aber dachte mir, in Seuchenzeiten wäre das vielleicht geändert worden.
Ich ging ins Gebäude zur Frau am Schalter und sagte: „Guten Tag, ein Ticket nach Oravská Lesná, bitte.“
Sie: „...“
Ich: „...“
Sie: „Ich verkaufe Tickets für die Toilette“ [skeptischer Blick]
Ich: „...“
Sie: „...“
Ich: „Ich möchte ein Busticket kaufen. Hier ist doch der Busbahnhof!“ [skeptischer Blick]
Sie: „...“
Ich: „...“
Sie: „Ich verkaufe Tickets für die Toilette“ [skeptischer Blick]
Ich: „...“
Sie: „...“
Ich: „Tschüss -.-“ [genervter Blick]
War gar nicht peinlich. Da standen halt auch etliche Leute in der Schlange, die das mitbekommen haben. Ich weiß gar nicht, was die da wollten, die können ja nicht alle aufs Klo gemusst haben. :D Irgendwann kam der erhoffte Bus (von Arriva). Die Massen stürzten sich auf ihn (fast ausschließlich junge Leute). Es gab mehr Stehplätze als Sitzreihen – suboptimal in Zeiten, in denen Die Seuche umgeht. -.- Nachdem ich mein Programm umgestellt hatte, hatte ich nun nicht mehr wie ursprünglich geplant 80 min für 4 km Fußweg, sondern 70 min für 5 km Fußweg. Und da der Bus so unfassbar voll war und die Tickets immer noch alle beim Fahrer gekauft werden, hatte er auch noch 10 min Verspätung. Ich beeilte mich mächtig und schaffte die Strecke in 50 min. :D
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37 Corona-Party. Hier hatte er sich schon deutlich geleert, immerhin hatte ich nun einen Sitzplatz…
Die Waldbahn Orava ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr schlecht erreichbar, die nächsten beiden Bushaltestellen liegen eben mehrere km entfernt.^^ Ihre Strecke führte in 20 minütiger Fahrt von der Station Tanečník in Oravská Lesná hinauf zum Pass Sedlo Beskyd. Sie misst 2,6 km und überwindet dabei einen Höhenunterschied von 120 m. Früher gab es in der ganzen Region Orava ein ausgedehntes Netz an Schmalspurbahnen, das dem Abtransport von Holz diente. Heute sind nur noch zwei Museumsbetriebe erhalten: Die Waldbahn Orava fährt hoch zum Pass, auf dessen Westseite in Vor-Seuche-Zeiten ein Draisinenverkehr die Strecke mit mehreren Spitzkehren hinunter angeboten wurde. Die Draisinen fuhren bis Skanzen (Freilichtmuseum), von dort gab es auch im saublöden Seuchenjahr Dampfzüge der Waldbahn Kysuce zum Weiler Vychylovka. Aber diese Strecken schaffte ich zeitlich nicht unterzubringen. Oben am Sedlo Beskyd angekommen waren 20 min Pause, während man den örtlichen Aussichtsturm erkraxeln konnte. Dann ging es wieder zurück zum Tanečník (bitte fragt mich nicht, warum die Station „Tänzer“ heißt :D).
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38 Fahrzeuge der Waldbahn Orava
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39 Station Tanečník beim Parkplatz & Besucherzentrum
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40 Aussicht vom Sedlo Beskyd
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41 Waldbahn Orava ebendort
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42 Links die Strecke führt hinab Richtung Orava, die Strecke rechts hinunter nahmen in Vor-Seuche-Zeiten die Draisinen
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43 Die Bremsprobe zu vergessen wäre hier wirklich suboptimal…
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44 Fahrt die kurvige Strecke bergab
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45 Die Fahrt ist natürlich auch bei Familien äußerst beliebt, entlang der Strecke stehen Plastiken verschiedener Märchenfiguren
Nun hatte ich 80 min Zeit für die 4 km Fußmarsch zur Bushaltestelle. Ich lief am Tanečník los und passierte bald eine Unterkunft, die passenderweise „Ende der Welt“ hieß. :D Irgendwann erreichte das Zentrum von Oravská Lesná (gilt übrigens als kältester Ort des Landes, liegt ja recht hoch und recht nördlich, es war auch fast der einzige Tag, an dem ich kein T-Shirt trug^^), doch an der gewünschten Stelle angekommen konnte ich keine Bushaltestelle an meiner Straßenseite ausmachen, nur eine in Gegenrichtung. Da ich noch ausreichend Zeit hatte, lief ich dem Bus eine Station entgegen, wo ich dasselbe vorfand. Leicht nervös lief ich dem Bus noch eine Station entgegen. Auch hier fand sich nur ein Wartehäuschen auf der falschen Seite. (Seitdem weiß ich: Das reicht aus.^^) An jener dritten Haltestelle sollte der Zug in knapp 10 min seine Fahrt beginnen, hier musste er also halten. Kurz darauf traf er ein. Offenbar war eine Fahrt mit zwei Nummern versehen, denn er war schon wieder massiv überfüllt. Dabei war die vorderste Sitzreihe direkt beim Fahrer gar nicht abgesperrt. Ca. jeder vierte bis fünfte Fahrgast trug seine Maske à la Depp. -.- Und das, obwohl Schilder wirklich mit Bildbeispielen darauf hinwiesen, wie es falsch und wie es richtig ist... Der Anteil der Leute, die ihre Maske à la Depp trugen, war zwar in der gesamten Slowakei ungefähr gleich hoch (Maskenverweigerer habe ich keine gesehen!), aber so dermaßen volle Verkehrsmittel wie hier in Orava hab ich zum Glück nicht mehr erlebt. Schon im Laufe des Oktobers entwickelte sich just die Region Orava (sowie der Kreis Bardejov im Osten) zum gravierendsten Seuchenhotspot des Landes...
Nach einer Stunde Fahrt war die Kreisstadt Námestovo erreicht, wo ich gut anderthalb Stunden Zeit hatte. Ich ging erstmal was futtern.^^ Dann drehte ich noch eine Runde durch die Stadt (ich hätte nichts verpasst^^) und fuhr weiter per Bus über Tvrdošín (die dritte Kreisstadt der Region) nach Trstená (knappe halbe Stunde Fahrt). Wenigstens war dieser Bus nicht bis zum Sinken überladen.^^ Da ich auch hier noch eine Dreiviertelstunde hatte, schaute ich mir wieder kurz den Ort an, bevor ich zum Bahnhof lief.
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46 Brücke über den Orava-Stausee in die Kreisstadt Námestovo
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47 Der Stadtplatz von Trstená
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48 Die alte Synagoge von Trstená
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49 Schön hier^^
Nun fuhr ich die komplette Bahnstrecke hinunter bis nach Kraľovany. Das sind 56 Schienenkilometer. Die Fahrt dauerte – ohne längere Zwischenhalte! – 1:56 h, wow! Selbst das Wasser im Fluss Orava ist wohl schneller. :D Es wäre wirklich tragisch gewesen, wenn ich hier den hintersten Abschnitt wegen SEV verpasst hätte. :D Nach ungefähr der Hälfte der Fahrt wurde es draußen dunkel. Gegen Ende stieg eine feiernde Männergruppe ein. Zwar trugen sie alle ihre Masken richtig (niemand à la Depp, bei solch einer großen Gruppe durchaus bemerkenswert), aber sangen laut im Zug. Sie hatten sogar einen Akkordeon-Spieler dabei.^^ Dann wurde gegenseitig zugeprostet, wofür sie natürlich die Masken absetzen mussten. Als sie nach ein paar Stationen ausgestiegen waren, öffnete ich erstmal alle Fenster... :p Der Zub ging durch und fragte mich: „Hier ist niemand eingestiegen, oder?“ Bis ich seine Frage verstanden und eine Antwort parat hatte, war er halt schon 10 Reihen weiter. :D Gegen Ende der Fahrt wurde leicht Verspätung aufgebaut. Kurz vor dem Ziel blieb der Tf extra nochmal stehen, damit es bei Ankunft auch ja + 5 wurden. :D
In Kraľovany war eine Viertelstunde Umsteigezeit, doch der Schnellzug aus Košice hatte wegen Bauarbeiten genauso viel Verspätung. Bald kam ein Regionalzug aus derselben Richtung herangerollt, der hier 10 min Aufenthalt hatte und dabei vom Schnellzug überholt werden sollte. Gut, jetzt hatte er eben eine halbe Stunde Aufenthalt. :D Schließlich kam der Schnellzug. Ich hätte nicht gedacht, dass ich die ellenlangen Schnellzüge auf der Hauptstrecke der Slowakei mal schwach ausgelastet erlebe. Zumal Freitag Abend. Aber die Lösung ist ganz einfach: entgegen der Lastrichtung fahren. Also Fr Abend eben Richtung Westen. ;-) Während der Fahrt ging einfach für eine halbe Minute alles Licht im kompletten Großraumwagen aus. :D
Halb zehn war ich dann wieder in Žilina.
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50 Langsamer Langzug hinab ins Tal. Der vordere Zugteil war selbst mit Abstand Halten schon völlig überdimensioniert für die Nachfrage.^^
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51 Im letzten Licht des Tages noch die mächtige Burg Orava abgelichtet
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52 Der Langzug unten in Kraľovany. Wer sich gefragt hat, was das rechts ist...
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53 …erfährt nun: Das war der tschechische Pendolino auf seiner abendlichen Fahrt nach Košice (zwei Zugpaare am Tag gab es, bevor Tschechien alle internationalen Seuchenrekorde knackte und sogar von der Slowakei als Risikogebiet eingestuft wurde… Aktuell gibt es ein Zugpaar am Tag.).
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54 Der Loki des Regionalzugs nutzt die Wartezeit für etwas Sinnvolles :D
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55 Eine Minute vor Abfahrt kannte man noch kein Gleis^^

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Was Du suchst, ist in Dir. Ansonsten ist es im Kühlschrank. Oder in der Kekspackung. :)

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