Muß nicht. Aber man kann. Synonym Köln Hamburg (Reiseberichte)

Blaschke, Montag, 17.04.2017, 01:17 (vor 2579 Tagen) @ Hustensaft

Hallöchen!

Die Relation Köln - Hamburg ist ein schönes Beispiel für das Elend des deutschen Verkehrswesens.

Die Autobahn ist noch immer nicht durchgängig dreispurig ausgebaut. Was auch noch Jahre dauern wird. Lustig ist dabei insbesondere das Bundesland NRW. Als PPP ausbauen will man nicht. Für einen öffentlich-rechtlichen Ausbau hat man aber kein Geld. Immerhin hat man sich angeblich jetzt geeinigt. Südlich Münsters soll's öffentlich rechtlich wie bisher auch gemacht werden, nördlich davon bis Lotte als PPP. Selbst mit erheblich schnellerer PPP-Bauen soll es aber frühestens 2024 was werden mit der Fertigstellung des Ausbaus. Auf dem Abschnitt. Wielange es dann ansonsten dauert, kann sich jeder selbst ausmalen.

Da könnte die Eisenbahn seit zig Jahrzehnten eine echte Alternative sein! Fahrzeittechnisch ist sie deutlich im Vorteil. Aber was ist? Seit Jahrzehnten dümpelt sie mehr schlecht als recht herum. Noch immer im mickrigen Stundentakt. Mit ausgenudeltem Schrott. Und tendenziell eher kürzeren als längeren Zügen. Verbesserungen an der Strecke gibt's seit Jahrzehnten nicht, die 200-Abschnitte gelten als dauerhaftes Nonplusultra, der große Umweg zum Bremer Hauptbahnhof und die umständliche Linienführung rund um Osnabrück sind gottgegeben. Wie der niemals kommende zweigleisige Ausbau Lünen - Münster auch. War alles schon immer so, bleibt auch immer so. Über Taktverbesserungen diskutiert niemand ernsthaft.

Und so bleibt die Relation eisenbahntechnisch weiterhin nur das Überlaufventil für die, die dem Irrsinn Autobahn entkommen wollen, dann aber im Irrsinn Eisenbahn landen. Der Fernverkehr auf der Strecke ist derart elendig, dass man die parallele Nahverkehrsrelation in Osnabrück mit den 55/56-Minuten Übergangszeit künstlich ausbremsen muß, damit sich überhaupt noch ein paar Wahnsinnige in den Fernzügen wiederfinden.

Wie erwähnt, an all dem wird sich auf Jahre und Jahrzehnte hinaus nichts ändern. Zumal niemand Druck hat. Keiner wird abgewähnt, niemand wird verjagt, wenn die Eisenbahn da auch in den nächsten Jahren gemächlich vor sich hindümpelt.

Darüber kann man sich nun aufregen. Sich engagieren. Beiträge verfassen. Und drauf hinweisen. Und Verbesserungen anmahnen. Nur führt das bestenfalls dazu, dass man einen Herzinfarkt erleidet. Oder Fan vom alten Sisyphos wird.

Also ist es sinnvoll, die Begebenheiten zu akzeptieren, so wie sie sind. Wer das bei der Eisenbahn nicht kann, darf nicht bahnfahren. Und wer das dann auf der alternativen Straße, wo es keinen Deut besser ist, auch nicht kann, der sollte seine persönliche Mobilität drastisch einschränken. Das ist dann halt so. Wer dann gar nicht damit klarkommt, dem muß man dann klarmachen, dass man in weniger entwickelten Ländern froh wäre über unsere Zustände, weil sie dort einen klaren Entwicklungfortschritt bedeuten würden. Und wer will, darf ja auch glauben, dass es irgendwann mal alles besser wird. Auch wenn unsere Gesellschaft, unser Wirtschaftssystem und unsere Eisenbahn ihren Zenit längst überschritten haben und es in Summe nur noch bergab gehen wird, mal schneller und mal weniger schnell und nicht gleichmäßig verteilt, einer schönen Neubaustrecke stehen 20 vernachlässige gegenüber. Das muß man halt eben verstehen, dass es nicht besser wird. Auch nicht bei der Eisenbahn. Trotz schöner Sonntagsreden, trotz toller Programme mit schönen Namen.

Wenn man das Ganze erstmal verstanden hat - um zur Ausgangsfrage zu kommen - und auch verinnerlicht hat, dann läßt sich das Leben ertragen. Zumal es auf der Welt noch das so ziemlich angenehmste ist und alles ohnehin nur Luxusprobleme sind. Und gegen die übelsten Auswüchse muß man für sich selbst einen Ausgleich schaffen. Hier eine kreative Fahrkarte, da unberechtigt Erstattungen einfordern, dort mal 3 Wochen gemütlich krank feiern und ganz hinten noch ein paar Euro Steuern hinterziehen. Dann paßt doch alles.

Schöne Grüße von

jörg