Ein Junggesel*innenabschied zur Ligne des Causses (1/4) (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Montag, 21.04.2025, 22:36 (vor 241 Tagen)

Zwei meiner besten Freunde heiraten dieses Jahr und statt eines üblichen Junggesellen- oder Junggesellinnenabschieds entschlossen wir uns zu einem kleinen Städtetrip nach Südfrankreich, je zwei Tage Lyon und Montpellier. Als vierter im Bunde ist Thomas dabei, der auch schon in diversen Reiseberichten mit mir unterwegs war.
Die Reise ist klar in zwei Teile geteilt: Die ersten vier Tage sind wir zu viert mit schnellen Bahnfahrten unterwegs, danach bin ich drei Tage allein überwiegend im unteren Geschwindigkeitsbereich unterwegs. Am Montag werde ich mit der Ligne des Causses eine Strecke befahren, die nach großer Stilllegungsgefahr vorerst gerettet ist, während das Schicksal der Strecke nach Felletin am Dienstag wohl endgültig besiegelt ist.

Tag 1: Karlsruhe - Lyon
Los geht es donnerstags nach Feierabend mit dem direkten TGV von Karlsruhe nach Lyon. Trotz meines Auslandssemesters in Lyon 2021 bin ich mit diesem noch nie gefahren. Obwohl es mir damals in Lyon sehr gut gefallen hat, war ich seitdem nicht mehr in Lyon, weshalb ich mich ganz besonders auf die nächsten beiden Tage freue. An der Anzeigetafel trifft mich eine Hiobsbotschaft für die folgenden Wochen: An meiner Stammstrecke in die Pfalz ist bei Landau ein Dachsbau im Bahndamm eingestürzt, weshalb eine unbefristete Sperrung droht. Inzwischen haben sich die streng naturgeschützten Dachse glücklicherweise als Kaninchen entpuppt und die Schäden wurden in unter einem Monat behoben.
Unser TGV ist aber pünktlich und so geht es wenig später gut gelaunt und erstklassig nach Süden.
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In Straßburg nutze ich die Wendezeit für ein Foto unseres Zugs.
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Am Hausbahnsteig sehe ich zum ersten Mal zwei Régiolis für den deutsch-französischen Verkehr im Fahrgasteinsatz, wie angekündigt aber vorerst erst innerfranzösisch nach Hagenau und Lauterburg.
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Auf dem Rückweg zum Zug fällt mir ein anderer Fahrgast aus unserem Waggon auf, der ebenfalls den Zug fotografiert und mir irgendwie bekannt vorkommt. Nach einer Weile fällt es mir ein und ich spreche ihn an. Tatsächlich stellt er sich als der Forist Thomas Klug aus dem anderen großen Bahnforum heraus, den ich von diversen Bildern aus Ralfs Reiseberichten hier im Forum erkannt habe. Nach einem angeregten Gespräch und einem Fotogruß an Ralf verabreden wir uns auf ein Bier im Bordbistro am Abend.
Nach Belfort darf der TGV endlich mal seine Muskeln spielen lassen und düst mit 320 km/h durch die graue Franche-Comté.
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Kurz vor Dijon treffen Thomas und ich uns dann wie verabredet im Bordbistro. Natürlich tauschen wir uns die meiste Zeit ausgiebig über anstehende und vergangene Bahnreisen aus. Vielen Dank nochmal für das nette Gespräch und die Einladung!
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Während Thomas noch bis Marseille weiterfährt, kommen wir um 20 Uhr an unserem Tagesziel Lyon an und können noch Abendessen gehen. In der Nähe unserer Unterkunft ist eines meiner Lieblingslokale aus der Erasmuszeit. Leider stellt sich heraus, dass es Betriebsferien hat. Stattdessen finden wir in der Nähe einen einladenden Armenier. Eine Landesküche, die für uns alle vier neu ist.
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Tag 2: Lyon
Leider ist heute wie prognostiziert trübes Wetter. Zum Glück beginnt es aber erst am Abend zu regnen. Deshalb schlafen wir recht gemütlich aus und fahren mit der Metro von Charpennes hoch zum Markt nach Croix-Rousse. Am Rathaus wechseln wir von der Linie A zur ziemlich einzigartigen Zahnradmetrolinie C. Zum 50-jährigen Jubiläum des Umbaus von einer Standseilbahn zur Zahnradmetro wurde an der Talstation eine kleine aber informative Fotoausstellung eingerichtet. Dieses Bild zeigt das alte Bahnhofsgebäude der Bergstation.
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An der einzigen Zwischenstation im Zahnradabschnitt und früheren Talstation der Standseilbahn Croix-Paquet ist die Besonderheit der Metrolinie gut zu sehen.
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Nachdem wir uns in einem Café aufgewärmt haben, erkunden wir den Markt. Dieser ist noch so gut, wie ich ihn in Erinnerung habe, und wir decken uns mit diversen Spezialitäten für das Abendessen ein, wobei ich etwas wilder unterwegs bin als meine Begleiter. Hier gibt es Ziegenkäse in allen Altersstufen von Frischkäse bis fröhlich bunt.
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Nach Ende der Shoppingtour schlendern wir in die Innenstadt runter.
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Ohne Thomas (nicht Thomas Klug, sondern der andere), der noch keinen Appetit hatte, kehren wir zwischen Rhône und Saône in einem typischen Lyoner Bouchon ein. Damals als Student war ich mit Besuch meistens in einem etwas preiswerteren Bouchon in der Altstadt, aber diesmal schlage ich eines der besseren auf der Halbinsel vor. Die traditionelle Lyoner Küche der Bouchons zeichnet sich durch deftige Gerichte und vielfältige Verwendung von Innereien aus. Passend dazu ist meine Vorspeise eine Geflügelleberpastete mit Morcheln und Flusskrebsen und Hummersauce., gefolgt von zwei weiteren exzellenten Gängen. Chris und Katharina wählen das leichtere Tagesmenu.
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Als kleinen Verdauungsspaziergang gehen wir auf den Fourvièrehügel, wo man neben der Wallfahrtskirche Notre-Dame die Aussicht auch bei schlechtem Wetter aus einem Panoramcafé genießen kann. Bei sehr guter Sicht ist von hier der Montblanc zu sehen. Einmal ist mir das damals gelungen, heute ist davon nur zu träumen.
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Für den Rückweg wollen wir die Funiculaire nehmen. Leider ist die zu Notre Dame wegen Bauarbeiten außer Betrieb, weshalb wir auf die andere Standseilbahn beim römischen Theater ausweichen müssen.
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An der Talstation Vieux-Lyon erfolgt der Umstieg auf die fahrerlose Linie D, wo ich natürlich an der Zugspitze einsteige.
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Vier Metrolinien gibt es in Lyon. A, C und D sind wir heute schon gefahren, fehlt also noch die B. Da diese auch nach Charpennes, nehmen wir deshalb diese statt der A. Zu meiner Überraschung ist die B inzwischen auch fahrerlos. Die Umstellung erfolgte wohl 2022, vielleicht in Zusammenhang mit der Verlängerung im Süden nach Saint-Genis-Laval im Folgejahr.
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Den Abend verbringen wir dann wetterbedingt mit unseren Einkäufen vom Vormittag und gutem lokalem Rotwein aus dem Rhônetal in unserer Ferienwohnung. Wer noch mehr Interesse an Lyon, empfehle ich meine ausführliche Berichtreihe von der Zeit meines Auslandssemesters: https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10532411

Tag 3: Lyon – Montpellier
Heute fahren wir am späten Vormittag weiter nach Montpellier. Da wieder kein besonders gutes Wetter ist, schlafen aus und machen auf dem Weg zum Bahnhof Part-Dieu einen Abstecher zur Markthalle. Auf dem Weg dorthin fällt mir diese Straßenbahnbaustelle bei Charpennes auf. Hier entsteht die Endhaltestelle der zukünftigen Tramlinie 9. Diese wird von hier bei zum Universitätscampus die Trasse der Linien 1 und 4 mitbenutzen und von dort weiter stadtauswärts Richtung Osten nach Vaulx-en-Velin führen. Generell entwickelt sich das Lyoner Tramnetz ziemlich dynamisch, insbesondere im Bereich Villeurbanne. Dort wird aktuell die Linie 6 Richtung Norden durch das Zentrum von Villerurbanne bis zum Unicampus verlängert, eine Relation, die ich damals häufig Rad gefahren bin.
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Unser Zug kommt aus Tourcoing bei Lille ganz im Norden des Landes und ist ein Ouigo. Begeistert war ich davon zwar nicht wirklich, aber für 10 € kann man nichts sagen und so viel schlechter als in der 2. Klasse im TGV Inoui ist es auch nicht.
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Schnee im Süden von Lyon! Damit hätten wir Mitte März nicht gerechnet.
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Weiter südlich kurz vor Avignon sieht das Wetter schon deutlich freundlicher aus, als wir beim Schloss von Montfaucon die Rhône zum dritten und letzten Mal überqueren.
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Ouigo und Inoui in trauter Zweisamkeit in Montpellier Sud-de-France. Der vordere Zugteil wurde mit einem Inoui-Triebzug gefahren. Wer dort in der 1. Klasse seine Reservierung hatte, hatte mit dem Ouigo-Ticket einen ziemlich guten Deal gemacht. Ärgerlich, dass wir im „richtigen“ Ouigo-Triebzug waren.
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Der große Haken an unserem Ouigo ist seine Ankunft im Bahnhof Montpellier Sud-de-France statt am Stadtbahnhof. Der LGV-Bahnhof hat den Charme eines Provinzflughafens und liegt im Vergleich zu anderen LGV-Bahnhöfen einigermaßen stadtnah. Normalerweise versuche ich, die französischen „Rübenackerbahnhöfe“ zu meiden, aber der Preis des Ouigo war zu verlockend. Davor bin ich nur einmal mit Thomas in Spanien in Camp der Tarragona zugestiegen und in Nîmes Pont-du-Gard von TGV zu TGV umgestiegen. Das reicht mir eigentlich an Erfahrungen mit diesem Typ Bahnhof.
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Die Hauptstadt der ehemaligen Region Languedoc-Roussillon empfängt uns mit Kaiserwetter. Da Chris etwas schlapp ist, lassen wir aber unseren ursprünglichen Plan für gutes Wetter fallen und nehmen in die Stadt statt Stadträdern den ÖPNV. Die Verlängerung der Straßenbahnlinie 1 zum Bahnhof wird jedoch erst im Oktober eröffnet.
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Generell wird in Montpellier sehr viel gebaut. Montpellier gehört zu den Boomtowns in Frankreich. Aus gegebenen Gründen geht es mit dem Bus bis zur Haltestelle Place de France der Straßenbahn. Jede der vier Linien der Straßenbahn Montpellier hat ein eigenes Design. Die Linie 1 ist blau mit weißen Vögeln.
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Mitten im Szeneviertel liegt die neogotische Kirche Saint-Roch. Diese hat nur indirekt etwas mit dem gleichnamigen Stadtbahnhof Montpellier Saint-Roch zu tun. Beide sind nach dem Stadtpatron Rochus von Montpellier benannt. Rheinhessen dürfte den Namen von der Rochuskapelle über Bingen, die auch aus den Zügen im Rheintal zu sehen ist, kennen. Diese wurde ihm in wegen seiner Funktion als Schutzpatron gegen die Pest geweiht.
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Nach einem Eis checken Chris und Katharina in der Ferienwohnungen ein, während Thomas und ich die Nachmittagssonne für zwei Pastismischgetränke gegenüber der Markthalle nutzen.
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Dann folgen auch wir zur Wohnung. Vor Abendessen mache ich noch einen kleinen Abstecher zum Stadtbahnhof Saint-Roch. Dieser bekam bei einer Modernisierung dieses auffällige Dach.
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Zwischen der zentralen Place de la Comédie und dem Bahnhof teilen sich die Tramlinien 1 und 2 eine Strecke. Die Linie 2 erinnert an Prilblumen und fährt zu Sabine, wo auch immer diese wohnen mag.
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Nicht nur die Palmen in den Straßen erinnern mich in Montpellier an spanische Städte. Die ganze Altstadt versprüht ein mediterranes Flair. Im Vergleich zur Nachbarstadt mit Nîmes mit seinen römischen Stätten gibt es hier keine überregional bekannten Sehenswürdigkeiten, aber die Altstadt gefällt uns sehr gut. Das passt zu den Eindrücken, die ich von anderen Besuchern von Montpellier mitbekommen habe.
Da Chris immer noch schlapp ist, gehen wir heute Abend zu dritt aus. Das ist dann quasi der Junggesellinnenabschied. Für Katharina gibt es direkt gegenüber der Kirche Saint-Roch etwas mit Gemüse, für Thomas einen warmen Camembert und ich für mich passend zur Bahnfahrt übermorgen ein Steak vom Aubrac-Rind.
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Danach ziehen wir zu einem Absacker in eine Sportbar weiter. Dort ist heute die Hölle los, denn es ist letzter Spieltag des Sechs-Nationen-Turniers in Rugby. Wir hatten davon noch nie etwas gehört, aber Südfrankreich ist Rugbyhochburg und rangiert für viele vor Fußball. Die Stimmung ist gut, denn mit einem Sieg gegen Außenseiter Schottland kann Frankreich den Pokal holen, was dann auch gelingt.


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