[CN] Reisebericht:Highspeed zwischen Shanghai&Nanjing TEIL1 (Reiseberichte)

Sibirjak, Berlin, Sonntag, 29.12.2019, 13:04 (vor 1552 Tagen)

Moin Ihr Freunde des gemütlichen Hochgeschwindigkeitsverkehrs,

Im Dezember musste ich beruflich nach China / Shanghai und dachte mir, ich nutze meinen einzigen freien Tag vor Ort mal mit bisschen Zugfahren - und möchte euch hier kurz davon berichten und meinen Einstand in euer schönes Forum liefern.

Der 30km lange Transfer vom Flughfafen Pudong in die Innenstadt wurde traditionell im dem Transrapid - in China Maglev genannt - zurückgelegt.
Für 50RMB (ca 6€) ist es ganz lustig sich mal auf 430km/h beschleunigen zu lassen und macht definitiv mehr Spaß als die überfüllte U-Bahn.
Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich aber zugeben, dass ich besonders vom Fahrgefühl und der Laufruhe enttäuscht bin:
Klar - der Gerät ist 17 Jahre alt und brettert da jeden Tag durch die Walachei , aber mit gemessenen 91dB im Fahrzeug und einer so starken Vibration der Karosserie, dass man nicht definitiv nicht ruhig stehen oder schlafen kann, ist es schwer, fachfremden Personen die „Zukunft des Hochgeschwingkeitsverkehrs“ zur vermitteln.
Aber was solls - trotzdem schön, dass Sie sich damals zur Expo durchgerungen und bei den Deutschen eingekauft haben.

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Ankunft im Bahnhof Longyang Road nach 7min Fahrzeit

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Blick auf die Trasse Richtung Pudong Airport.
Aufgrund des sandigen Bodens mussten einige der Stelzen bis zu 80m tief im Boden verankert werden.
Die gesamte Beton-Fahrbahn kann hydraulisch nachgeregelt werden um kleine Erdbeben/tektonische Versetzungen auszugleichen.

Anschließend ging es in die Metro:
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Leider hatte mir keiner gesagt, dass die U-Bahn unter der Woche zwischen 7-9Uhr und 16-18Uhr für Normalos fast nicht nutzbar ist, besonders wenn man sich nach 3 überfüllten Bahnen einfach in die nächste reinprügelt. Selbstverständlich mit 2 Koffern.
Habe auf der 2h Fahrt ins Hotel auf jedenfall einige neue Chinesische Beleidigungen kennengerlernt und wurde böser Teil so mancher WeChat-Story der Chinesen.
Naja, seit dem freue ich mich jedesmal wenn ich in Berlin in die BVG steigen darf - aber man muss zugeben, dass die auch nicht mehr als 13 Millionen Menschen am Tag befördern, sondern knapp 3 Millionen..
Fahrzeugmässig sind ganz stark Alstom, Siemens und Adtranz verteten - komischerweise habe ich in den zwei Wochen kein chinesisches Rollmaterial in der Metro gehabt.
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Jetzt aber zurück zu dem Thema warum wir eigentlich hier im Forum sind: Hochgeschwindkeitsverkehr.
Vor der Reise habe ich mir bei www.chinahighlights.de zwei Zugtickets gebucht - mit den zugesendeten Ticketnummern und meinem Reisepass konnte ich diese Tickets dann vor Ort am Bahnhof abholen.
Natürlich dürfen die Ausländer nicht an die unzähligen Automaten gehen, weil der Pass dort nicht gelesen werden kann. Stattdessen gehts zum internationale Schalter - der natürlich kein Englisch spricht. Macht Sinn.
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Als erste Fahrt habe ich mir den „schnellsten Zug Chinas“ rausgesucht - den G4 der zwischen Shanghai - Peking verkehrt; Ich fahre jedoch nur bis Nanjing.
G gibt die Zugklasse an und steht für Hochgeschwindigkeitszüge und die Linien G1 bis G9 sind die „Sprinter“ des Landes, die ggü. den anderen Zügen nochmals beschleunigt sind und weniger halten.
Reisen in den G-Zügen haben immer eine verpflichtende Sitzplatzreservierung - mein Ticket ist für die 1. Klasse und kostet mit 229,5RMB zirka 28€.
Ich starte am Bahnhof Shanghai Hongqiao, der beim gleichnamigen Flughafen gelegen ist und an dem nur Hochgeschwindigkeitszüge starten.
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Nach ausführlicher Sicherheitskontrolle mit gründlichen Abtasten aller erogenen Zonen war ich dann auchschon drin: Im vermutlichen größten Bahnhof der Welt. 30 über 400m lange Bahnsteige und 210.000 Passagiere am Tag.
Auf den riesigen LED-Flächen findet man seinen Zug und den passenden Checkin-Schalter:
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Zwischen 7Uhr und 22Uhr verlässt durchschnittlich aller 4min ein Highspeed-Zug den Bahnhof.

Dort wird dann brav gewartet bis der der Zug kommt und der Zugang zum Bahnsteig gewährt wird, denn alles ist wie überall mit eindrucksvoller Gesichtserkennung Videoüberwacht; Und wer aus der Reihe tanzt, dessen Score sinkt natürlich. #yolo
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Planmäßige Abfahrt des G4 ist 14Uhr - die Gates werden aber erst 13:54 geöffnet und anschließend nochmal alle Fahrkarten und Ausweise kontrolliert. Und der Zug ist mit 1283 Personen bis auf den letzten Platz ausgebucht. Deshalb passiert wohl das schlimmste was es in China gibt: Eine Verspätung eines G-Zugs. Erst um 14:06 schließen sich die Türen des 440m langen FUXING genannten CR400AF des chinesischen Herstellers CRRC. Der CN: Lokführer begrüsst alle Fahrgäste im G4, legt den Hebel auf den Tisch und direkt prügeln brutale 19.200.000 Watt ins Kreuz.
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Vor uns liegen knapp über 300km bis Nanjing und wir befahren durchgehend ohne Unterwegshalt die Hochgeschwindigkeitsstrecke.

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Die ausgebuchte 2. Klasse mit einer 2+3 Bestuhlung.
Wir reisen in der 1. Klasse mit einer 2+2 Bestuhlung und sehr bequemen Stoffsitzen.
Die kleine Dame in Rot bringt schönes Catering (im Fahrpreis inkludiert) und kontrolliert bei mir sicherheitshalber nochmal den Pass - alle anderen müssen den nicht zeigen. Aber Hey - kann mir gut vorstellen, dass wir Europäer für die alle gleich aussehen :D
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Ich wähle natürlich die Blaschi-Gedenk-Cola und lass mir die dazugehörigen Schildkröten-Ohren ordentlich schmecken.

Sowohl der CR400AF hat einen "Designspeed" von 400km/h, als auch die komplette Strecke Shanghai - Peking.
Dennoch wurde direkt nach Eröffnung die normale Reisegeschwindigkeit wieder auf 350km/h reduziert; Hauptsächlich aufgrund des enormen Verschleisses und des Energieverbrauchs. Bei 400km/h verbraucht das Fahrzeug fast doppelt soviel Energie wie bei 300km/h. Mittlerweile (mein lokaler Kollege sagte seit Juni 2018) dürfen die G1-G9 Züge jedoch wieder ihre Vmax ausfahren um Verspätungen aufzuholen - und dieses Glück hatten wir:
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400km/h schaffen wir leider nicht ganz, mehr als 387km/h habe ich nicht entdecken können - aber die Laufruhe bei dieser Geschwindigkeit ist eindrucksvoll. 72dB Lautstärkepegel in der ersten Klasse - also vergleichbar mit einem ICE-T bei 200km/h.
Energetisch gesehen also 1/80 als der Transrapid bzw 80x Leiser!

Direkt neben uns verlaufen häufig andere Strecken - zwischen Shanghai und Suzhou verlaufen auf dem ersten 100km sogar 4x Gleise für 350km/h nebeneinander. Und so kommt es häufig vor, dass wir andere G-Trains mit minimalem Geschwindigkeitsunterschied überholen:
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Schließlich kommen wir nach 53min in Nanjing South-Station an. Chapeau! 1min vor Plan.
In Nanjing haben wir 1h Aufenthalt bevor es wieder nach Shanghai zurückgeht.


WEITER IN TEIL 2


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