Fahrgastrechte bei 57-59 Minuten gemessener Verspätung (Allgemeines Forum)

michael_seelze, Dienstag, 07.04.2015, 19:02 (vor 3332 Tagen) @ Florian

Nach meinen Erfahrungen ist die Bahn da sehr kulant und erstattet dir auch schon bei 59 Minuten die 25%.


Kulanz ist das weniger. Die DB kann die Verspätung nicht auf die Minute genau dokumentieren. Dazu müsste im RIS die Zeit der Türfreigabe abrufbar sein. Daher hat sich die DB mit dem EBA geeinigt, die Entschädigung schon zu zahlen, wenn die Verspätung nach den Angaben aus dem RIS mindestens 57 Minuten beträgt. Das ist wohl billiger als eine genauere Technik zur minutengenauen Dokumentation der tatsächlichen Türfreigabezeit anzuschaffen.

Richtig; dazu folgendes Zitat aus dem Beschluss des VG Köln vom 15.02.2013 (AZ 18 L 102/13, Abschnitte 31-34), welches auch auf das Außenverhältnis von DB und den Kunden (mit DB-Fahrkarte) eingeht (Hervorhebung durch mich):

Die Frage, ob sich die Antragstellerin an die Vereinbarung mit der Antragsgegnerin hält, bei Verspätungen von 59 Minuten eine Entschädigung nicht mit Rücksicht auf die eine fehlende Minute zu versagen, stellt sich angesichts des hier vorliegenden Sachverhalts zugleich als die Frage danach dar, ob die Antragstellerin ihre Verpflichtungen aus Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 einhält.
Angesichts der von der Antragstellerin festgestellten Ungenauigkeiten in dem
Messverfahren bzw. dem Feststellungsverfahren (Abschneiden von Sekunden) hat
sich die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin selbst dazu bereit erklärt,
bei Verspätungen von 57 bis 59 Minuten eine Verspätungsentschädigung zu leisten. Da die Antragstellerin aufwändigere Messungen oder Prüfungen vermeiden wollte, die ggf. eine weitergehende Klarheit hinsichtlich der konkreten Dauer einer Verspätung hätten erbringen können, hat sie sich aus Praktikabilitätsgründen für dieses Verfahren entschieden. Dabei handelt es sich nach dem Verständnis der Kammer nicht um eine reine Kulanzregelung, deren Nichteinhaltung rechtlich nicht zu einem Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 führen könnte, weil dort ein Anspruch auf Verspätungsentschädigung erst ab einer Verspätung von 60 Minuten vorgesehen ist. Vielmehr handelt es sich - angesichts des Kontextes mit den Ungenauigkeiten der Feststellung - um eine Regelung, die sicherstellen soll, dass begründete Anträge auf Verspätungsentschädigung nicht unter Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/200 abgelehnt werden.
Für die vorliegend angeforderten Unterlagen gilt dies umso mehr, weil hier nur Verspätungen von 59 Minuten in den Blick genommen wurden, auf die sich Messungenauigkeiten (Abschneiden von Sekunden) noch eher auswirken können
als bei Verspätungen von 57 oder 58 Minuten.
Vor diesem Hintergrund sind die von der Antragsgegnerin angeforderten
Unterlagen auch erforderlich zur Durchführung der Aufgaben der Eisenbahnaufsicht. Denn sie dienen der Feststellung, ob die Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 eingehalten werden. Soweit die Antragstellerin geltend macht, es handele sich ausschließlich um Unterlagen bezüglich Verspätungen, die durch nicht DB-eigene
Eisenbahnverkehrsunternehmen verursacht worden seien, bedarf diese Behauptung ggf. der Nachprüfung durch die Antragsgegnerin. Da die Antragstellerin - wie dargelegt - jedenfalls auch Adressatin des Fahrpreisentschädigungsanspruchs nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 ist, gilt ihre Zusage hinsichtlich der Behandlung von Anträgen mit einer Verspätung von 59 Minuten auch für diese Anträge.
Das Argument der Antragstellerin, sie könne nicht rechtlich bindend für andere
Eisenbahnverkehrsunternehmen eine Zusage hinsichtlich einer Entschädigungspraxis machen, greift insoweit nicht durch. Denn es geht hier um die Handhabung eines gegen die Antragstellerin gerichteten Entschädigungsanspruchs. Hinzu kommt, dass die Ungenauigkeiten in der Feststellung bei dem von der Antragstellerin angewandten Verfahren ggf. auch dann vorliegen können, wenn etwa am Beginn und Ende der Beförderungskette die Antragstellerin und lediglich dazwischen ein nicht DB-eigenes
Eisenbahnverkehrsunternehmen tätig ist. Denn auch in diesem Fall wird die Frage,
ob eine Verspätung über 60 Minuten vorlag, nach dem Mess- und Feststellungsverfahren der Antragstellerin geklärt. Es gibt deshalb keinen sachlichen Grund, in diesem Fall die Zusage hinsichtlich der Behandlung des 59-Minuten-Falles nicht einzuhalten.
Für die Frage, wie die Antragstellerin ggf. im Innenverhältnis Rückgriff bei anderen
EVU nehmen kann, kann es indessen von Belang sein, sich mit diesen Unternehmen auf einheitliche Standards im Umgang mit derartigen geringfügigen Unterschreitungen zu einigen. Das hier allein maßgebliche Außenverhältnis der Antragstellerin zu den Fahrgästen wird davon jedoch nicht berührt.


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