Schrecklich. (Reiseberichte)
Hallo.
Dieses Jahr sollte es eigentlich in das Grenzgebiet zwischen Frankreich und Spanien gehen; konkret ins Baskenland, in die Pyrenäen und nach Barcelona. Aus bekannten Gründen war die Umsetzung dieser Reisepläne aber äußerst schwierig. Die Streiks bei der SNCF mit Veröffentlichung der fahrenden Züge jeweils am Vorabend erschwerten eine mehrtägige Reise mit verschiedenen Abschnitten im französischen Regionalverkehr erheblich, denn bekanntlich kann schon im Regelbetrieb das Zusammenstellen von Reiseketten bei unseren französischen Nachbarn zum Albtraum werden. Wenn dann noch die Hälfte der Züge ersatzlos ausfällt, dann wird das Reisen mit der Bahn erst recht zur planerischen Herausforderung. Und spätestens wenn dann wegen des geringen Restangebots ganze Tagesetappen (die bei mir gar nicht unbedingt so lang sind) zusammen brechen, dann macht das Ganze auch keine Freude mehr.
Ja, genau so ist Deutschland mittlerweile. Planerische Herausforderung ==> macht keine Freude.
Ich hatte auch mal 2 Mädels im Zug, die erzählten, dass sie mit Interrail nach Frankreich wollten. Ich war schon entzückt, aber dann erzählten sie, dass alles schon exakt geplant sei, Hotels gebucht und und und. Schade, da hat auch wer Interrail und Freiheit nicht verstanden.
Alles am Ende. Trostlos. Kein bißchen Abenteuerehrgeiz mehr. Jede Sekunde muss vorgeplant werden. Jede Planstörung ist ein Ärgernis und sorgt für Verdruss.
War das damals schön in den 1990ern mit Tramper-Monats-Ticket. Was ich wohl alles verpasst habe ... - aber da ich ja gar nicht wußte, was ich verpasse, störte es mich auch nicht. Da ich aber auch nicht wußte, was mich erwartet, war das Erlebte ein Erlebnis. Der Interregio München - Leipzig wurde mir zu voll. Also stieg ich aus und fuhr rüber nach Eisfeld und graste da die Gegend ab.
Ich fand das neulich beim Kollegen schon so traurig, wo er da einen ollen Malaxa(?)-Triebwagen als Gegenzug sah, gerne mitgefahren wäre, aber das wegen des starren Programms nicht ging. Ist doch trostlos sowas.
Zu SWT-Zeiten wollte ich mit nem Kumpel mal nach Stralsund. Aber schon nach 15 Minuten hatten wir wegen Schrankenstörung 30 Minuten Verspätung. Da sind wir dann alternativ nach Ulm gefahren. DAS ist Leben mit Tickets, die Freiheit bedeuten!
Immer schlimm, aus wieviel Reiseberichten man regelmäßig Unzufriedenheit rausliest. Fotowolke, Regen, Verspätung. Da fahr ich doch lieber ohne Planung von Kopenhagen nach Malmö und wundere mich, warum es in einen Tunnel geht, wo ich doch eine Brücke erwartete. Okay, die kam dann ja auch. Später. Und hoch nach Kiruna sah ich live den Zugzielanzeiger in Nattavaara. Der steht ganz sicher in keiner der To-do-Listen, die man als Freak vorher durchackert. Und wenn doch und alles vorbereitet ist, dann muss man just dann auf's Klo und verpaßt alles. Scheiße.
Heute richtete DB Regio wieder Chaos an. Die Spontanidee Moorexpress war gestorben. Dafür weiß ich jetzt, dass die 33 in Bremen eine irre Umleitung fährt, in deren Verlauf ich die Marcusallee kennenlernte - die sogar einen eigenen Wikieintrag hat:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Marcusallee
Weil es unerwartet war, war es ein Erlebnis. Und bleibt in Erinnerung.
Genauso schlimm, wenn ich diese Youtube-Videos sehe, wo sie alle mit ihren Smartphones das Konzert aufnehmen. Und sich mehr auf Smartphone und Filmen konzentrieren als auf's Konzert. Schrecklich, wie will man denn da die Atmosphäre aufsaugen? Und eintauchen in die Situation?
Ich hab das mit dem Knipsen mal ausprobiert - nee, da verpasse ich viel zu viel, weil ich mit dem Knipsen beschäftigt bin. Ich hatte dann Papier und Kuli parat und kitzelte in Stichpunkten das Erlebnis auf. Lenkt nicht ab. Und später beim Entziffern ploppt die Erinnerung wieder auf.
Klar, ich profitiere natürlich davon, wenn da die Leute knipsen, bis der Arzt kommt. Insofern ist die Kritik sehr unfair. Aber es soll auch keine Kritik sein. Sondern eher ein Aufruf. Weniger planen, mehr Spontanität, heute genießen und erst morgen an morgen denken. Und bei den Touren spontan reagieren und agieren.
Schöne Grüße von jörg
Herrje, was ein Geschreibsel wieder. Aber mir ist nicht nach Schlafen. Dabei müsste ich das jetzt. Will doch um 7 Uhr zu Debby. Auch so ne Sache, wo ich wieder ungeplant ins nächste Chaos gerate. Aber das ist das Leben.
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"Zu Lebzeiten will ich gerne bescheiden sein; doch wenn ich tot bin, soll man natürlich anerkennen, dass ich ein Genie war." (Michel Audiard)
gesamter Thread:
- [AT][SI][HR][IT] Wenn die einen nicht wollen… - Vorwort -
Pfälzer,
27.08.2023, 16:51
- [DE][AT] Wenn die einen nicht wollen… 1/6 (34 B.~10 MB) - Pfälzer, 27.08.2023, 16:53
- Schrecklich. -
Der Blaschke,
28.08.2023, 00:43
- Herrlich ;) -
Pfälzer,
28.08.2023, 08:21
- Herrlich ;) - bahnfahrerofr., 28.08.2023, 13:39
- Schrecklich - genau! Reisen mit Interrail im 21. Jahrhundert -
Murrtalbahner,
28.08.2023, 14:37
- Schrecklich - genau! Reisen mit Interrail im 21. Jahrhundert - Langmütige, 11.09.2023, 23:59
- Interrail und die Freiheit der freien Zugwahl - 462 001, 28.08.2023, 18:57
- Herrlich ;) -
Pfälzer,
28.08.2023, 08:21
- Link zur Neu-Veröffentlichung mit funktionierenden Bildern - Pfälzer, 01.12.2024, 08:33