Wilde Wüste, Wahnsinns-Wodka, Wunderlicher Winter: Kap. 2/4 (Reiseberichte)

Krümelmonster, München, Sonntag, 11.10.2020, 10:56 (vor 1265 Tagen) @ Krümelmonster

Nach dem Ausflug nach Shahrisabz fuhren wir spätabends mit dem Taxi zum Bahnhof. Es war eines von nur zwei Taxen auf unserer Reise, das mit Taxameter fuhr – aus Touristensicht natürlich ungemein praktisch, spart man doch mindestens 80 %. ;-) Wir sollten 17.000 Soʻm zahlen (1,70 € :D), wollten 20.000 geben, aber der Fahrer konnte den 50.000er-Schein zunächst nicht wechseln.^^
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149 Der farbenfrohe Bahnhof von Samarkand
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150 Fehl am Platz ist nicht die Bank, sondern die Beschriftung :D
Auch wenn man nicht per Rennzug fährt, ist vor Betreten des Bahnhofsgeländes eine Ticketkontrolle notwendig und in der Bahnhofshalle der Abgleich mit dem Reisepass und die Entwertung der Fahrkarten. Dafür soll man min. 30 min vor Abfahrt am Bahnhof sein. Das klingt zwar umständlich, aber bei den Entfernungen in Usbekistan ist die Reisezeit eher nebensächlich. ;-) Unser Zug war vor gut dreieinhalb Stunden in Taschkent gestartet und traf pünktlich ein. Die 15 min Aufenthalt hier reichten uns, um den richtigen Wagen zu finden. Seine weitere Reise bis nach Saratow im fernen Russland würde noch drei Nächte und zweieinhalb Tage dauern, doch wir wollten schon mittags wieder aussteigen. Für die Fahrt zahlten wir über Advantour 40 US$ p. P. Unser Kupe-Wagen (4er-Schlafabteile) war durchaus gut belegt mit Usbeken. Auch der Provodnik war Usbeke, soweit ich es gesehen habe, gab es trotz der langen Fahrtdauer nur einen. Die Heizung kannte nur zwei Einstellungen: aus oder Russenwinter. Da zweiteres eingestellt war, brauchte man eigentlich gar keine Bettwäsche. Ich war lt. Luxi der einzige, der in dieser Glut unter der Decke bzw dem dünnen Laken lag, denn ich rechnete damit, dass es sich bis zum Morgen abkühlen würde. Es war so unfassbar heiß und stickig… Wir ließen die Abteil-Tür offen, um wenigstens für einen Hauch von Abkühlung zu sorgen, und auf dem Gang war dauernd irgendein Gewusel. Da hätten wir auch Platskartnyj fahren können… -.-
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151 Bettwäsche im Zug
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152 Da ist das gute Stück^^
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153 Die lodernde Glut
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154 Der Gang
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155 Den Fahrplan gab’s nicht auf Usbekisch^^
Die Abfahrt war pünktlich um 0:19 Uhr, da war es schon der 31.12.2019. Nach anderthalb Stunden hielt der Zug in Navoiy, wo vom chinesischen E-Viech auf sowjetisches Diesel-Monster gewechselt wurde. Morgens hielt er in Utschquduq (das q gehört nicht zum u, sondern soll ein hinten in der Kehle gesprochenes, raues k darstellen), wo er sich deutlich leerte – gibt es doch nur noch vier oder fünf wöchentliche Zugpaare hierhin. Nun fuhr der Zug fünf Stunden ohne Halt: Die Durchquerung der endlosen Wüste Kyzylkum stand an. Die Strecke entstand erst zwischen 1995 und 2001, um die Stadt Urgantsch ans restliche Bahnnetz des neu entstandenen Landes anschließen zu können (die bisherige Strecke führte seit der Unabhängigkeit über das Staatsgebiet des extrem abgeschotteten Turkmenistans). Stundenlang führte die Strecke schnurgerade durch die anfangs interessante, aber immergleiche Landschaft. Ich stelle mir das für den Lokführer ja unfassbar langweilig vor. Der kann ja währenddessen Plov essen oder schlafen oder sonst was. :D Wenn man sich erstmal an der Wüste sattgesehen hatte, war das ganze als Passagier auch nicht wesentlich spannender als als Lokführer, denn man konnte nichts machen und Internet-Empfang gab es natürlich auch keinen. Es dauerte über zwei Stunden, bis meine Textnachrichten rausgingen, dabei waren wir, als ich sie senden wollte, schon eine Weile unterwegs. :D Zum Glück können Russenloks nicht verrecken, denn hier liegen zu bleiben wäre wirklich unschön. :D 3½ h hinter Utschquduq wurde Miskin passiert, kurz darauf zweigte der Zug auf die aus Turkmenistan kommende Strecke nach Urgantsch ab – endlich wieder in der Zivilisation! Kurz vor dem Mittag erreichten wir gleich 8 min vor Plan Urgantsch.^^ Auch halbwegs in der Nähe unseres Tagesziels hätte der Bahnhof Toʻrtkoʻl gelegen, aber dazu hätten wir in Urgantsch den fast anderthalbstündigen planmäßigen Aufenthalt abwarten müssen, fast anderthalb Stunden nach Miskin zurückfahren müssen, dort nochmal eine gute halbe Stunde warten und dann nach noch eine halbe Stunde nach Toʻrtkoʻl weiterfahren. Das wollten wir uns dann doch nicht antun. :D Soweit ich weiß gibt es keine Züge, die aus dem Osten des Landes direkt nach Toʻrtkoʻl fahren – dafür ist Urgantsch als größte Stadt weit und breit (150.000 EW) einfach viel zu wichtig. Einen guten Überblick über die Strecken in der Ecke gibt Openrailwaymap, dort ins Suchfeld Ургенч eingeben und etwas rausscrollen.
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156 – 157 Und dieser Ausblick stundenlang
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158 Zurück in der Zivilisation.^^ Im Bild der nicht mehr genutzte Abzweig der Strecke nach Turkmenistan.
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159 Brücke über den Amudarja
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160 – 161 Angekommen in Urgantsch
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162 Das Logo im Detail
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163 Ui, es hätte sogar ein Restaurant gegeben. Bei der Küche des Landes hatten wir aus meiner Sicht aber auch nichts verpasst :D
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164 Das Bahnhofsgebäude. Die Stadt dient Touristen normalerweise nur als Durchgangsstation, so auch uns.

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Was Du suchst, ist in Dir. Ansonsten ist es im Kühlschrank. Oder in der Kekspackung. :)


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