Vive Lyon! Von Traboules, Bouchons und Mâchons - 8/11 (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Samstag, 16.09.2023, 21:45 (vor 388 Tagen)

Nach ein einigen Tagen Pause melde ich mich mit dem achten Teil meines Lyon-Berichts. Hier geht es zu den bisherigen Teilen:
Teil 1: https://www.ice-treff.de/index.php?id=684925
Teil 2: https://www.ice-treff.de/index.php?id=685060
Teil 3: https://www.ice-treff.de/index.php?id=685249
Teil 4: https://www.ice-treff.de/index.php?id=685380
Teil 5: https://www.ice-treff.de/index.php?id=685716
Teil 6: https://www.ice-treff.de/index.php?id=685826
Teil 7: https://www.ice-treff.de/index.php?id=685920


Neben dem schon im letzten Teil verarbeiteten zweiten Ausflug nach Saint-Étienne mache ich im Dezember noch zwei Ausflüge. Langsam muss ich weitere Kreise ziehen, um neue Bahnstrecken zu befahren. Am Sonntag fahre ich nach Nordosten ins Franche-Comté zur königlichen Saline von Arc-et-Senans. Die Entscheidung für Samstag Saint-Étienne / Sonntag Arc-et-Senans bietet sich nicht nur wegen des besseren Wetters am Sonntag an, sondern auch aus Tarifgründen. Am Sonntagnachmittag wäre die Rückfahrt aus Saint-Étienne wegen verringertem Carte-Avantage-Rabatt im TER-Tarif Auvergne-Rhône-Alpes teurer als samstags. Im Tarif von TER Bourgogne-Franche-Comté, der nach Arc-et-Senans gilt nicht. Hier gibt es gar keinen Rabatt mit der Carte Avantage, aber generell 50 % bis zum 26.

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Geburtstag, was die Fahrt recht preiswert macht. Ich starte wie meistens am Bahnhof Part-Dieu. Hier seine Ostseite:

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Auf der Linie nach Besançon verkehren moderne Alstom Régiolis der Region Bourgogne-France-Comté. Für einen Nahverkehrszug haben außergewöhnlich haben sie sogar Leseleuchten in der Kopfstütze verbaut. Durch ihre geschickte Ausrichtung leuchten sie perfekt meine linke Schulter aus. Zum Lesen bringen sie mir leider nichts.

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Los geht es über die schon bekannte Strecke über Ambérieu nach Bourg-en-Bresse. Dass ich die Strecke schon kenne, ist auch gut so, denn es ist ziemlich neblig. Wer bei dieser Aussage ein Muster erkennt, liegt goldrichtig. Dichter Nebel ist in Lyon mit seinen beiden Flüssen ein häufiger Begleiter im Herbst. Nach Bourg-en-Bresse verlassen wir Rhône-Alpes und fahren ins Franche-Comté, die Freigrafschaft Burgund. Die Strecke führt entlang des Jurarandes nach Nordosten. Bis zur Eröffnung der LGV Rhin-Rhône fuhr hier der Fernverkehr von Strasbourg nach Lyon und weiter in den Süden.
Ein möglicher Unterwegshalt wäre das Haus des Comté-Käses in Poligny. Der hohe Eintrittspreis für Studenten schreckt mich aber ab. Zum schnell Durchrennen ist mir das zu teuer. Lieber fahre ich weiter nach Arbois für ein Zwischenhalt. Berühmtester Sohn der Stadt ist Louis Pasteur, der hier aufwuchs, an der alkoholischen Gärung forschte und später seine Sommer hier verbrachte.

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Wer will ihm verübeln hier an der Jura-Weinstraße, seinen Sommer zu verbringen? Es gibt schlechtere Wahlen für den Urlaub.

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Nach einer Stunde fahre ich zwei Stationen nach Arc-et-Senans weiter. Oberhalb von Arbois am Hang steigt die Bahnstrecke aus Lausanne aus dem Jura herab und trifft eine Station weiter im Keilbahnhof Mouchard auf meine Strecke.
Dann bin ich auch schon in Arc-et-Senans.

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Der Ort Arc-et-Senans ist nicht besonders groß und der Bahnhof existiert vermutlich vor allem noch als Trennungsbahnhof. Die Strecke aus Lausanne führt nach dem Bahnhof nach Nordwesten weiter Richtung Dôle und Dijon, nach Nordwesten zweigt die Strecke nach Besançon ab, die nach enger Kurve direkt hinter der Saline vorbei fährt.
Jetzt aber ab zur Saline!

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Die Saline wurde im späten Ancien Régime im Auftrag König Ludwigs XV. von Claude-Nicolas Ledoux gebaut. Als eines der Hauptwerke der Revolutionsarchitektur gehört sie zum Unesco-Welterbe. Moment mal, „Revolutionsarchitektur“ und „im Auftrag des Königs“ – kann das zusammenpassen? Ja, das kann. Tatsächlich wurde schon vor der französischen Revolution schon im Revolutionsstil gebaut. Die Karriere des Architekt Ledoux wurde als überzeugter Royalist und Auftragnehmer des Königs sogar beendet, beinahe auch sein Leben.
In der Saline sollte Sole aus der 15 km südlich im Jura gelegenen großen Saline in Salins-les-Bains zu Salz eingekocht werden. Grund für die Ortswahl waren die reichen Holzvorkommen des großen Waldes im Norden von Arc-et-Senans und laut Ledoux sei Wasser (in Leitungen) leichter auf Reise zu schicken als Holz. Ledoux erdachte als Kind der Aufklärung einen Idelabetrieb und wollte dies auch in der Architektur widerspiegeln. Aus den „Urnen“ an den Gebäuden fließt symbolisch die Sole.

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Als Erweiterung des tatsächlich gebauten Halbkreises plante Ledoux eine Vollendung des Kreises als Idealstadt.

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In der Saline sind noch andere nie gebaute Architekturmodelle von Ledoux ausgestellt. Charakteristisch für die Revolutionsarchitektur sind oft monumentale fantastische Entwürfe, oft aus einfachen geometrischen Formen, die die Ideale der Aufklärung verarbeiten. Mit dem damaligen Stand der Technik waren viele der Entwürfe nicht umsetzbar.

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Sonderlich erfolgreich war die Saline nicht. Es gab häufig Probleme mit der Leitung. 1895 nach Fall des Salzmonopols in Frankreich war der Betrieb aufgrund des geringen Salzgehalts der Sole nicht mehr konkurrenzfähig und stellte den Betrieb ein. Die alte Saline in Salins stellte den Betrieb erst 1962 ein. Auch sie gehört heute zum UNESCO-Welterbe. In den nächsten Jahrzehnten verfielen mehrere Gebäude des Komplexes. Einige der Gebäude sind deshalb heute nur noch Nachbauten. Bei meinem Besuch ist ein netter kleiner Weihnachtsmarkt auf dem Salinengelände.

Dann fahre ich wieder heim. Erst kommen die Weinberge um Arbois.

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Dann das Château de Domblans:

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Und hoch darüber der Ort Château-Chalon.

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Als ich unter der Woche mal wieder in der Innenstadt von Lyon unterwegs bin, sehe ich zu meiner Überraschung zum ersten Mal ein großes Frachtschiff auf der Saône. Viel länger dürfte es bei den Flusskurven nicht sein.

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Vom Markt in Croix-Rousse bringe ich ein paar Leckereien mit. Einmal eine Pastete mit Kalbsbries und -zunge:

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Und jetzt dürft ihr raten, was ich mir da in meinen Multifunktionstopf gezaubert habe.

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Es sind Joyeuses d’Agneau – Lammhoden. Eigentlich erwartete ich einen strengen Geschmack, aber er ist sehr fein. Da der Kilopries auch relativ niedrig ist, werde ich sie mir mehrmals holen.

Am nächsten Sonntag folgt ein langer Ausflug nach Bourges. Bourges liegt ziemlich weit nordwestlich von Lyon und hat mit dem IC Lyon-Nantes einige Direktverbindungen nach Lyon. Die Idee kam mir einige Wochen vorher, als ich günstige Sparpriese dafür bekommen habe. Nach Bourges wollte ich schon lange mal und die Bahnstrecke von Roanne weiter nach Westen nehme ich auch gerne mit.

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Los geht es für fast 3,5 h Anfahrt fahrplanbedingt erst relativ spät kurz nach halb zehn. Es fährt ein neuer Alstom Coradia Liner, die Fernverkehrsversion des Régiolis.

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Es geht wieder über die direkte Strecke nach Roanne über Tarare. Dort überqueren wir das Viadukt von Tarare.

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In den Monts Lyonnais liegt ein leichter Schnee.

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In Roanne überqueren wir die Loire.

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In Nevers erneut. Hier macht der IC Kopf und fährt wieder über die Loire einige Kilometer bis zum Abzweig nach Bourges zurück.
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Um 13 Uhr komme ich in Bourges an.

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Mein Hauptziel ist die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Kathedrale Saint-Étienne, eine der großen hochgotischen Kathedralen Frankreichs. Abweichend von den meisten anderen Kathedralen hat sie kein Querschiff, aber dafür ein fünfschiffiges Langhaus, wodurch ihre Fassade sehr breit wirkt.

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Besonders sehenswert an der Fassade ist das reich verzierte Tympanon mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts.

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Die Geschichte Bourges geht bis in die Römerzeit zurück. Im Mittelalter hat jeder, der etwas auf sich hielt an der römischen Stadtmauer gebaut, wodurch sich die Hauptattraktionen wie eine Perlenkette um den Stadtkern ziehen. Auch die Kathedrale wurde an die Stadtmauer gebaut. Da die neue gotische Kirche deutlich größer als der romanische Vorgängerbau ist, musste über die Stadtmauer hinaus nach „draußen“ gebaut werden. Wegen einer Böschung hinter die Stadtmauer ist der Ostteil der Kirche quasi im 1. Obergeschoss und darunter ist eine große Krypta mit Tageslicht.

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Hier sind die Reste des ehemals reich verzierten Lettners ausgestellt.

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Die treibende Kraft beim Kirchenbau waren die reichen Händler der Stadt. Schillerndste Figur der Stadtgeschichte dürfte aber der Herzog von Berry, jüngerer Sohn König Johanns II. und Bruder des burgundischen Herzogs Philipp des Kühnen, dessen Grabmal Katharina und ich in Dijon besichtigt haben. Bourges war als Hauptstadt des Berry seine Hauptresidenz. Heute ist er vor allem als Kunstmäzen und für sein Stundenbuch, die „Très riches heures du Duc de Berry“ bekannt. Die 12 Kalenderblätter zeigen in prachtvoller Ausführung Szenen des bäuerlichen Alltags über das Jahr und im Hintergrund zeitgenössische Darstellungen mehrerer Burgen und Schlösser. In der Kirche ließ er sein Abbild dreimal verewigen. Einmal als Liegefigur auf dem Grabmal …

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... und als zwei kniende Figuren, einmal mit, einmal ohne Farbe.

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Dann besichtige ich die zweite Hauptattraktion, das Palais Jacque Coeur. Auch dieses ist an einen römischen Stadtmauerturm gebaut.

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Jacques Coeur kam im 15. Jh. aus einfachen Verhältnissen zu immensem Reichtum und wurde Bankier des französischen Königs Karl VII. Der Bau des riesigen, prächtigen Palais markierte den Höhepunkt seiner steilen Karriere. Kurz nach Fertigstellung wurde er jedoch Opfer einer Intrige und inhaftiert. Ein Grund dafür dürfte Neid des Königs über die neue Residenz des bürgerlichen Emporkömmlings gewesen sein. Nach einigen Jahren Haft konnte er entkommen und starb dann als Teilnehmer der päpstlichen Flotte gegen die Osmanen auf der heute griechischen Insel Chios.

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Der Kaminfries ist mit damals modischen Blattornamenten geschmückt. Darin finden sich mehrere Tiere wieder, die an den Kohlblättern knabbern, jedoch kein Huhn.

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Um 18 Uhr geht es wieder mit dem IC nach Lyon zurück, wo ich kurz nach Viertel nach neun Uhr wieder zurück bin.
In der Woche um den 8. Dezember ist jedes Jahr in Lyon eines der großen Ereignisse des Jahres, das Lichterfest (Fête des Lumières). Wer mal die Gelegenheit hat, in dieser Wiche die Stadt zu besuchen, sollte sie nutzen. Der ursprüngliche Zweck des Festes ist, der heiligen Jungfrau für den Schutz bei einer Pestepidemie 1643, die nach Gebeten an die Muttergottes die Stadt verschont haben soll, zu danken. Dazu stellen die Bewohner der Stadt eine Kerze in das Fenster. Heute hat sich das Fest zu einem mehrtägigen Festival mit großen Lichtinstallationen in der Stadt entwickelt.

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Auch an der Kathedrale ist eine große Lightshow.

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An der Gare Saint-Paul wird passenderweise eine Installation mit Bahnbezug abgespielt.

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An Notre-Dame auf dem Fourvièrehügel wird ein Programm zur Marienverehrung weltweit und der Geschichte der Kirche gezeigt.
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Hier war kein Fan von Eintracht Frankfurt am Werk. Der deutsche Adler symbolisiert das preußisch/deutsche Heer im Krieg 1870/71. Bei der Installation versucht er anzugreifen und wird abgewehrt. Dies ist ein direkter Bezug zur Baugeschichte der Kirche. Die Bewohner Lyons haben im Krieg 1870/71 ein Gelübde abgelegt, eine neue größere Wallfahrtskirche an dieser Stelle zu bauen, wenn die Stadt nicht vom deutschen Heer besetzt würde. Dazu kam es tatsächlich nicht und im Folgejahr wurde mit dem Bau begonnen. Dafür dürfte jedoch weniger die Unterstützung der Muttergottes als vielmehr strategische Gründe ursächlich gewesen sein. Lyon liegt schlicht zu weit südlich des Wegs von Deutschland nach Paris.

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So viel zu meinen Ausflügen im Dezember. Im nächsten Teil steht die Heimreise nach Deutschland zu Weihnachten an. Was ich bei meinem Ausflug nach Bourges noch nicht weiß: Ich werde sie nicht alleine antreten. Welche Überraschung mir am kommenden Tag bevorsteht, werdet ihr im nächsten Teil erfahren.


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