Kapitel 2: Balkan und Ungarn. Teil 1 (Reiseberichte)

Krümelmonster, München, Samstag, 26.01.2019, 17:14 (vor 1911 Tagen)

Hallo liebes Forum,

wer es verpasst hat – hier geht es zu Kapitel 1. ;-)
Dort waren wir südostwärts bis Dubrovnik gekommen. Fürs erste behalten wir diese Himmelsrichtung bei.

Im Vorabend hatte es in Dubrovnik noch gewittert, doch als ich morgens aufwachte, hatte das Regenwetter sich verzogen und strahlender Sonnenschein erwartete mich. Auf dem Balkan im Vorfeld Busfahrpläne herauszubekommen kann schwierig bis unmöglich sein. Innerhalb Kroatiens geht es noch, da die meisten Anbieter Websites haben. Doch ich wollte Kroatien verlassen. Zwar gibt es Online-Suchmaschinen, aber auf drei verschiedenen Seiten erhält man gern mal drei verschiedene Auskünfte. Am besten ist es also, man fragt vor Ort im Busbahnhof nach. Ein Bus nach Montenegro fuhr um 10 Uhr, das war ok. Leider fehlten mir zum Ticket-Kauf 15 Kuna (2 €), und man konnte weder mit Karte noch in Euro zahlen, selbst wenn es ins Euro-Land ging. Also musste ich einen 5-€-Schein wechseln.^^ Das Ticket kostete 10 €, wenn ich’s richtig in Erinnerung habe, die Fahrtdauer war mit 1:50 h angegeben.
Eine Nonne und sonst fast nur Touris lasteten den klapprigen montenegrinischen Bus ganz gut aus. Ich war ja kein Ersti mehr, mein Platzreservierung hab ich diesmal gleich gekonnt ignoriert und mich in die zweite Reihe gesetzt (1. war für die Nonne^^). Die Abfahrt war 10 min verspätet, flugs ging es zur Grenze. Dort durften alle aussteigen und einzeln ihren Pass vorzeigen. Das Prozedere dauerte deutlich über 20 min. Eine Lettin wollte ihren Personalausweis vorzeigen, der kroatische Beamte bestand jedoch unnötigerweise auf einen Pass. Zum Glück hatte sie ihn dabei und musste nicht groß diskutieren, aber ihn aus dem Koffer holen, was die Sache noch etwas verzögerte. Anschließend ging es weiter im Bus. Aber nur 2 km. Denn das war nur die kroatische Ausreisekontrolle gewesen, jetzt kontrollierten die Montenegriner die Einreise: dasselbe langwierige Prozedere nochmal. Der montenegrinische Beamte zeigte auf meinen neuen Pass ohne jeglichen Stempel und schnauzte mir irgendwas entgegen. Da er kein Englisch konnte, weiß ich bis heute nicht, was ihn gestört hat. Auf jeden Fall war es eine schöne Begrüßung im neuen Land.^^ Nach fast einer Stunde für die Grenzüberquerung fuhr der Bus weiter bis Herceg Novi, wo außer der Nonne niemand ausstieg.^^ Dann führte die Fahrt auf der wunderschönen Küstenstrecke entlang der fjordartigen Bucht von Kotor, umrahmt von bis zu 800 m hohen Bergen. Die Strecke war sehr kurvig, es gab mehrere Ortsdurchfahrten. Und der Fahrer brüllte ungefähr alles an, was sich vor ihm auf der Straße bewegte. :D Leer war die Straße nicht, aber starker Verkehr in einem beliebten Urlaubsgebiet sieht sicher anders aus. Ich bekam immer mehr Hunger. Schließlich erreichten wir Kotor mit mehr als anderthalb Stunden Verspätung – bei nicht einmal 2 h planmäßiger Fahrzeit, meine Fresse, wie kann man das denn nur schaffen!? Hier stiegen ich und ein Großteil der Reisenden aus.
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1 Seit 2002 verkürzt die Franjo-Tuđman-Brücke die nördliche Einfahrt nach Dubrovnik um 12 km
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2 – 3 Altstadt von Dubrovnik
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4 Einfahrt in die fjordartige Bucht von Kotor
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5 – 9 Bucht von Kotor
Ich übergab mein Gepäck dem Vorsteher des Busbahnhofs, was mir komplett auf Serbokroatisch gelang. Die Sprache in Kroatien, Bosnien, Montenegro & Serbien ist fast komplett identisch, wenn sie wollen, können sich die Leute dort alle ohne Probleme verstehen. Nur meistens scheitert es ja am Wollen… Kurz vor dem Abnippeln ging ich ins erstbeste Restaurant, ich war selten in so einem schäbigen Schuppen gewesen. :D Aber gut war’s, teuer nicht, die alte Kellnerin konnte sogar ein paar Brocken Englisch (schon mehr als die Karte^^) und meine Verdauung hat’s auch ohne Probleme überstanden. :D Danach ging ich in die Stadt und dort zunächst in ein Reisebüro, wo ich Zugtickets für morgen kaufen wollte. Mehrere Minuten wartete ich, während die Inhaberin telefonierte, und ich kann die Sprache durchaus gut genug verstehen, um zu erkennen, dass es ein Privatgespräch war. Anschließend sagte sie schulterzuckend, sie verkaufe keine Bahntickets. Ich brauchte erstmal ne Pause! Auf der begehbaren Stadtmauer setzte ich mich in einen verlassenen Erker. Es war blickgeschützt, dort standen Stühle, und es gab einen Feuerplatz. Wahrscheinlich traf sich hier abends die örtliche Jugend. Später merkte ich, dass erst während jener Pause dieses typisch deutsche Gefühl, dass immer alles wie geplant funktionieren müsse, von mir abfiel, erst hier hatte ich mich richtig auf den Balkan eingestellt! Manchmal braucht es so eine Zäsur. ;-)
Nach Umrundung der Stadt auf der Stadtmauer drehte ich eine Runde durch die äußerst schöne Stadt. Leider ankerte auch hier ein fettes Kreuzfahrtschiff, dessen zahlreiche Insassen gerade den armen kleinen Ort platt machten. Hoch oben auf der Festung hätte ich bestimmt einen traumhaften Ausblick gehabt, aber der Weg mehrere 100 Stufen nach oben bei gleißendem Sonnenschein wäre nicht so traumhaft gewesen. ;-)
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10 Hafen von Kotor
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11 Stadtplatz
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12 Stadtplatz vor Bergkulisse
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13 Die katholische St.-Typhon-Kathedrale
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14 Die orthodoxe St.-Nikolas-Kirche
Kurz nach vier fuhr ich vom Busbhf. weiter. Ich sah meinen Bus erst recht spät. Also ich hatte ihn schon früher gesehen, aber der dicke Vorsteher des Busbahnhofs, der alle Busse mit seiner lauten Stimme kenntlich machte (und kein Wort Englisch konnte^^), war der Meinung, das sei nicht mein Bus. Ich war anderer Meinung und wartete eine Weile, bis er wegschaute (mit so einem Schrank wollte ich mich nicht anlegen^^), dann schlüpfte ich hinein. Der Minibus war völlig überbesetzt, ich setzte mich auf die Stufen der Tür. Irgendwie war ich der einzige, der auf dem Boden saß, der Rest ohne Sitzplatz zog es vor zu stehen, warum auch immer…^^ Ich fragte gar nicht mehr, wann wir in Bar ankommen würden (Internet hatte ich ja keins mehr), denn inzwischen war ich ja im Balkan-Modus. ;-) Irgendwann würden wir halt ankommen. Die Fahrt führte die Küste entlang Richtung Südosten. Auch die Insel Sv. Stefan war zu sehen. Einst war sie Piratenversteck, heute snobben dort Gäste in Luxushotels. Wer keine Reservierung hat, dem ist selbst das Betreten der Insel untersagt. Im Laufe der Fahrt leerte sich der Bus deutlich, irgendwann bekam ich einen Platz in der ersten Reihe hinter der Tür neben einem herzlichen einheimischen Herrn auf Krücken, der seine verstaubten Brocken Englisch rausholte, weil er unbedingt wissen wollte, warum ich hierher reiste. Während einer Ortsdurchfahrt rief der junge Mann auf dem Beifahrersitz dem Fahrer zu, er solle langsam fahren, dann öffnete er das Fenster und winkte einem Fußgänger wild zu, der genauso wild zurückwinkte. Dem Busfahrer erklärte er: „Das war mein Bruder“. Das war Balkan-Feeling pur!^^ Wo die Straße mal nicht an der Küste entlang führte, verlief sie durchs grüne Hinterland. Die Landschaft hier war toll! Häufig hielt der Bus, er bildet wohl auch die örtliche Buslinie zwischen den einzelnen kleinen Küstenorten.
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15 Budva, Zentrum des Tourismus in Montenegro
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16 Sveti Stefan, einst Piratenversteck, heute ein exklusives Luxusresort
Kurz vor sieben erreichte der Bus den Bahnhof von Bar. Ich fragte am Fahrkartenschalter auf Serbokroatisch, ob die Dame Englisch spreche. Sie antwortete: „Slabo…“. Ich dachte, schlecht kann ich auch ihre Sprache, trug meinen Wunsch in ihrer Sprache vor und sie freute sich total. ;-) Der Zug für morgen war noch buchbar, worüber ich mich total freute. :-) In Petrovac war noch ein junges Pärchen in meinen Bus gestiegen (keine Einheimischen, Osteuropäer, vielleicht Tschechen, genauer hab ich sie nicht sprechen hören), die ein Ticket für den Nachtzug in einer halben Stunde kauften. Die hatten ja Nerven.^^ Bis hierher hatte ich Schiss gehabt, weil ich bei DSO immer wieder gelesen hatte, dass die Fernzüge von Bar oft sehr voll sind (gerade zum Ende der Urlaubssaison). Und aus dem Ausland kann man nicht reservieren. Deshalb hatte es ja schon beim Reisebüro in Kotor versucht. Ich beobachtete noch die Beladung des Nachtzuges, dann ging ich zufrieden zu meiner Unterkunft. Sie war relativ in der Nähe vom Bhf., aber 1,5 km können mit Koffer auf einer unbefestigten Straße voller Schlaglöcher ziemlich unschön sein. Kurz vor dem Ziel sah ich die Abfahrt des Nachtzuges, leider reichte es nur für Schnappschüsse.
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17 Bahnhof Bar
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18 Eine Elektritschka verlässt Bar Richtung Podgorica
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19 – 20 Der Nachtzug nach Belgrad steht bereit
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21 – 23 Auf die Schnelle gelangen keine besseren Fotos
Durch die Bewertungen war ich zwar vorbereitet, aber letztlich doch überrascht, denn die Inhaberin meiner Pension sprach wirklich gar kein Englisch, nicht eine Silbe. Einmal sagte ich: „Moment“, da fragte sie „Deutsch? Deutschland?“, ich antwortete freudig: „Ja!“, aber sie fuhr trotzdem auf Serbokroatisch fort.^^ Sie war aber sehr freundlich & herzlich. Und die Pension war schlicht, aber nicht schlecht und mit 15 € + 1 € City Tax äußerst günstig.^^
Bald ging ich schlafen, denn der Wecker am nächsten Morgen klingelte früh…

Fazit: Montenegro ist landschaftlich wunderschön und definitiv ein lohnenswertes Ziel. Ich würde es aber keinem Osteuropa-Anfänger empfehlen. ;-)

Gleich geht’s weiter…

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Was Du suchst, ist in Dir. Ansonsten ist es im Kühlschrank. Oder in der Kekspackung. :)


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