Die Verbindung Berlin – Wien im Wandel der Zeit (Teil 2) (Allgemeines Forum)

lokuloi, Samstag, 27.12.2025, 20:35 (vor 12 Stunden, 59 Minuten)

Die Bahnverbindung Berlin – Wien: Auf Schienen durch die Geschichte

Teil 1: Die Zeit vor dem 1. Weltkrieg am Beispiel 1914

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Leider ist für die 20er und auch große Teile der 30er Jahre zumindest online wenig über die Verbindung Berlin – Wien zu finden. Sicherlich hatte insbesondere der Zusammenbruch von Österreich-Ungarn und im Speziellen die Selbstständigkeit der Tschechoslowakei einen starken Einfluss auf die Verbindung. Denn auf dem Weg von der deutschen in die österreichische Hauptstadt musste von nun an auf direktem Weg immer ein dritter Staat durchfahren werden, oder ein entsprechend langer Umweg in Kauf genommen werden. Für eine detaillierte Analyse ist aber dann eine Recherche in alten analogen Fahrplanmedien notwendig. Besonders interessant düften hier das Jahr 1929 vor der Weltwirtschaftkrise sein. Die neuen Demokratien hatten sich beinahe etabliert, die Wirtschaft war noch nicht zusammengebrochen. Außerdem auch das Jahr 1937, das letzte Jahr in den anerkannten Grenzen des damaligen Deutschen Reiches.

Online sind aber erst wieder Fahrpläne für den Sommer 1939 auffindbar [1], und damit erneut für den letzten Friedensfahrplan, diesmal vor dem 2. Weltkrieg. Das ist zumindest insofern damit Vergleichbar mit dem zuletzt behandelten Jahr 1914 vergleichbar, als das es den Endpunkt einer erneuten Entwicklung darstellt. Allerdings ergeben sich durch den Anschluss Österreichs und der Annektierung der sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei für 1939 nochmals spezielle Randgebiete, die in den Jahren 1919-1937 so nicht gegeben waren.

Auffällig ist zunächst, dass die 1914 noch mit je drei Verbindungen vertretenen Routen über Lysa und Jihlava sowie über Praha und Brno nicht mehr vertreten waren. Dies dürfte im Wesentlichen dem Umstand geschuldet sein, dass in diesem Falle durch die Tschechoslowakei (bzw. zu diesem Zeitpunkt bereits das sogenannte „Protektorat Böhmen und Mähren“) gefahren werden musste. So blieb auf dem direkten Weg über Dresden und das Elbtal nur ein Zugpaar, das weiter über Praha und Gmünd verkehrte.

Der dominante Weg von Berlin nach Wien am Vorabend des 2. Weltkriegs war weiterhin die Verbindung über Breslau und Bogumin (Bohumin/Oderberg). Der frühere österreichisch-deutsche Grenzbahnhof Oderberg gehört 1939 zu Polen (!) von 1919-1938 zur Tschechoslowakei. Hier verkehrten 6 Direktverbindungen zwischen Berlin und Wien. Drei Züge davon hielten nur in den damals zum Deutschen Reich gehörenden Bahnhöfen, so z.B. eben nicht in Bogumin, und konnten ohne Passkontrolle genutzt werden. Drei weitere Kurswagenverbindungen nahmen ebenfalls diesen Weg hielten aber auch an den polnischen und tschechischen (böhmisch-mährischen) Bahnhöfen. Die Wagen wurden bis Heydebreck den D-Zügen Berlin-Breslau-Beuthen mitgegeben. Heydebreck heißt seit 1945 Kędzierzyn und hieß bis 1934 Kandrzin, der Stadtname war also äußerst kurzlebig. In der Regel wurden die Wagen ab Odereberg (Bogumin) einem D-Zug aus Krakau bzw. Warschau nach Wien mitgegeben. Dazwischen verkehrte ein eigenständiger Zug. Die Vermutung liegt nahe, dass er nur die Kurswagen Belrin – Wien mitführte.

Gerade für diese Verbindung wäre es sehr interessant, wie die Entwicklung im Laufe der 20er und 30 Jahre verlief. So z.B., ob es die Züge ohne Halt in tschechischen Gebieten erst mit dem „Anschluss“ eingeführt wurden, oder ob es die bereits zuvor gab.

Neu im Vergleich zu 1914 und vermutlich schon bald nach dem 1. Weltkrieg eingeführt war jedenfalls der Nachtzug über Leipzig, Regensburg und Linz, der in Wien den Westbahnhof anfuhr.

Einen Überblick über die Direktverbindungen zwischen der zu diesem Zeitpunkt größten und zweitgrößten Stadt des Deutschen Reiches gibt folgende Tabelle:

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Der Ostbahnhof war jetzt der meist angefahrene Bahnhof Wiens für Züge aus Berlin. Insgesamt waren es aber weiterhin 4 verschiedene Bahnhöfe. Neben dem Ostbahnhof fuhr jeweils ein Zug zum Westbahnhof, zum Nordbahnhof und zum Franz-Josephsbahnhof. In Berlin verkehrten die Züge nun überwiegend von der Stadtbahn nur 2 Züge begannen am Anhalter Bahnhof

Am schnellsten waren die (neuen?) Transitzüge mit jeweils Fahrzeiten von unter 12 Stunden zwischen Berlin-Friedrichsstraße und Wien Ostbahnhof. Zwei davon über Nacht einer als Tagzug. Die Kurswagenverbindungen brauchten schon deutlich länger, ebenso die kürzeste Verbindung über Dresden und Prag, die sogar länger braucht als 1914, was vor allem an langen Aufenthalten liegt. Das nur über deutsche Gebiet führende Verbindung über Regensburg benötigte über 14 Stunden.

Einen Überblick über die Verbindungen bietet die nachfolgende Karte. Die Grenzverläufe von 1939 wurden nicht berücksichtigt und stellen den letzten völkerrechtlich gültigen Stand von 1937 dar:

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(zum Vergrößern anklicken)

Im Folgenden dann auch noch Fahrplantabellen, zuerst für die Verbindung ab Berlin Stadtbahn.

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Und nachfolgend noch die Tabellen für die Abfahren ab Berlin Anhalter Bahnhof:

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[1] https://www.deutsches-kursbuch.de/inhalt.htm


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