Mit dem Deutschlandticket tiefer in den Großen Osten (2/6) (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Donnerstag, 11.09.2025, 23:15 (vor 98 Tagen)

Im ersten Teil bin ich mit Zwischenhalten nach Verdun angereist: https://www.ice-treff.de/index.php?id=719847
Nach meiner Ankunft am Freitagabend in Verdun bekam ich die Hiobsbotschaft, dass mein Zug am Sonntagmorgen ausfällt, weshalb ich nun mein Programm etwas verdichten muss. Die Kriegsgedenkstätten verteilen sich in einigen Kilometern Entfernung zur Stadt auf den Höhenzügen im Osten und sind nicht an den ÖPNV angebunden. Im Notfall wollte ich hin wandern, aber dabei wäre mir mit der früheren Abreise die Zeit sehr knapp geworden. Der Bürgermeister und seine Frau haben mir gestern Abend empfohlen, bei der Tourist Info ein E-Bike zu mieten. Nachdem diese um 9 Uhr öffnet, bekomme ich dort tatsächlich sehr einfach ein Fahrrad. Ohne E-Antrieb und dafür etwas günstiger wäre mir lieber gewesen, gibt es aber wegen der Höhenmeter nicht.
So starte ich also für meinen Geschmack 30 Jahre zu früh mit einem E-Bike zum Rundkurs zu den Gedenkstätten. Los geht es stadtauswärts nach Norden entlang der Maas. Ziemlich bald wird die Bahnbrücke der Strecke nach Metz unterquert.
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Der Umweg, den mir der Bürgermeister gestern Abend zu seinem verschwundenen Ort wärmstens empfohlen hat, erweist sich als Reinfall und so bin ich erst um halb 12 beim bekannten Beinhaus von Douaumont.
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Vom Turm hat man eine bedrückende Aussicht über die Kriegsgräber. Das weiße Gebäude ist das Museum zur Schlacht.
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Am Fort von Douaumont kann man eindrucksvoll die Spuren der Schlacht sein. Mehrere Monate war das Fort in deutscher Hand und der Aufenthalt hier drin muss die Hölle gewesen sein.
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Beim Museum liegt der zerstörte Ort Fleury. Nur eine Kapelle wurde wiederaufgebaut. Gut zu erkennen sind die inzwischen zugewachsenen Einschlagskrater überall.
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Auch am Fort de Vaux sind die Einschlagskrater gut zu sehen.
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Dieses Fort liegt besonders exponiert über der Ebene im Osten, von wo die Deutschen kamen.
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Da steht mein heißes Eisen vor dem zerschossenen Fort. So richtig überzeugen konnte mich das Konzept E-Bike noch nicht. Stufe 1 des Antriebs brauchte es allein schon, um die zusätzliche Masse im Vergleich zu einem normalen Rad auszugleichen. Bergauf war der Antrieb durchaus angenehm, aber ich kann noch ein paar Jahre drauf verzichten.
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Im Museum wird mir die Zeit leider recht knapp und ich muss am Schluss durch die Ausstellung ziemlich durchhetzen. Dafür nochmal danke an die SNCF! Die Rückfahrt bergab geht aber zum Glück sehr zügig. Dabei überquere ich die Bahnstrecke nach Metz.
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Dort ist Verdun schon in Sichtweite.
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Hier bin ich mein Rad schon wieder los und an der Stadtbefestigung hinter meiner Unterkunft.
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Nach mehrmaliger Beteuerung gegenüber meiner Gastgeberin, dass es nicht an ihrer Unterkunft sondern an der blöden SNCF liegt, bin ich pünktlich am Bahnhof. Das Gebäude stammt von Gustave Eiffel.
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Ich war sehr gespannt, ob mich ein großer AGC oder nur ein kleiner Baleine erwartet. Tatsächlich ist es sogar eine Doppeltraktion AGC und ich frage mich wofür?! Ein Baleine hätte wohl auch gereicht. Meine Verschwörungstheorie: Der Verkehrsvertrag schreibt eine gewisse Anzahl Sitzplätze pro Tag vor, aber nicht auf wie viele Fahrten diese verteilt sein müssen. ;-)
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Der freundliche Fahrdienstleiter, der hier bestimmt nicht unter Überarbeitung leidet, weiß bei meiner Nachfrage noch nichts von dem Ausfall des morgigen Frühzugs um 10.38. Er schlägt vor, dass ich es morgen Früh riskiere, den Zug zu nehmen. Alternativ gebe es ja noch die spätere Verbindung um 19.40 Uhr. Ob er das ernst meint?
Neben meinem Zug steht noch ein Rottenkraftwagen rum.
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Viele Gleise, wenig Zug. Richtung Westen wird nur noch ein Steinbruch einige Kilometer südlich am Stummel der alten Bahnstrecke nach Lérouville bedient. Hier wollte ich mich eigentlich heute Abend oder morgen Früh noch genauer umschauen, wenn die SNCF nicht meine Pläne durchkreuzt hätte. Einen guten Einblick in den aktuellen Zustand und die Geschichte der Bahnanlagen von Verdun gab letztes Jahr Railwalker ( https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10977486,10977486#msg-10977486)
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So kann ein modernisierter AGC mit frischen Sitzbezügen und ohne dreckige Filzdeckenelemente aussehen. Mir gefällt sehr gut, was ich sehe.
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Kurz nach der Abfahrt wird die Maasbrücke überquert, die ich heute Morgen bei Bild 40 mit dem Rad unterquert habe.
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Auf Höhe des Fort de Vaux wird der ehemals zweiröhrige Tunnel de Tavannes durchquert, der 1916 auch schwer umkämpft war. Leider verpasse ich es, das zweite stillgelegte Tunnelportal zu fotografieren. Mit etwas besserer Planung und ohne Zeitdruck hätte ich den bei meiner Radtour wohl auch recht einfach einbinden können.
Der erste Zwischenhalt Étain sieht trotz des spärlichen Fahrplans erfreulich modernisiert aus.
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Ab Conflans-Jarny ist die Strecke eine der typisch lothringischen zweigleisigen elektrifizierten Bahnstrecken mit homöopathischem Fahrplan.
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Hier stehen viele alte Reisezugwagen der SNCF.
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Auch viele Aspirateurs gehören leider schon zum alten Gerümpel. Waren die überhaupt mal hier in der Region im Einsatz oder kamen die erst fürs Stillstandsmanagement nach Lothringen?
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Der folgende Streckenabschnitt durchs Ornetal runter zur Mosel ist sogar landschaftlich recht ansprechend.
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In Moyeuvre-Grand war früher bestimmt auch mal mehr los am Bahnhof.
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Bei Hagondange trifft die Strecke auf die Hauptstrecke aus Thionville nach Metz. Langsam muss ich mich entscheiden, wie es nach der Ankunft in Metz weitergeht. In Metz gäbe es ein bezahlbares Hostel mit freien Betten und ich könnte mir noch einen schönen Abend machen. Alternativ käme ich dank des Stadtfestes in Zweibrücken trotz später Stunde noch bis heim nach Pirmasens und zufälligerweise ist meine Mutter daheim zu Besuch und könnte mich auch um diese Uhrzeit noch am Bahnhof abholen.
Am reizvollsten wäre ein Umstieg auf den seltenen RE nach Trier durch Moseltal. Da dieser dummerweise nicht in Hagondange hält. Ist er aber planmäßig leider nicht zu erreichen. Nach der Abfahrt in Hagondange finde ich dann heraus, dass ich ihn wegen leichten Verspätungen der Züge in Gegenrichtung mit knappen Umstiegen in dort und in Thionville noch erreicht hätte. Da passt man einmal nicht auf, ich könnte mir in den A***h beißen!
So komme ich leicht verstimmt in Metz an.
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Da ich wegen 1,5 h Umsteigezeit ausreichend Zeit zum Abendessen habe, entscheide ich mich schließlich, nach Pirmasens durchzufahren. Um 18 Uhr ist die Auswahl an offenen Restaurants in Frankreich leider noch sehr eingeschränkt. Trotz mäßiger Bewertungen lande ich somit gezwungenermaßen im Bistro gegenüber des Bahnhofs. Die Aussicht ist hier natürlich hervorragend und bei Confit de Canard kann man nicht viel falsch machen. Auch für einen Coupe de Lorraine mit dreierlei von der Mirabelle bleibt mir noch Zeit.
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Trotz ordentlich Mirabellenwasser auf meinem Eisbecher schaffe ich es noch in den TER nach Forbach in der Livrée von Champagne-Ardennes, aus dem in Forbach ungewöhnlich viele Mitreisende in den Wal nach Saarbrücken umsteigen. Grund dafür ist vermutlich die Umleitung des Fernverkehrs von Paris über Karlsruhe mit Entfall der Halte in Saarbrücken und Lautern wegen einer Baustelle im Pfälzer Wald. Mein Sitznachbar, mit dem ich mich unterhalte, ist mit seinem kleinen Sohn heute Morgen sogar in Barcelona losgefahren und muss noch bis Lautern kommen. Sie waren mit Bahn und Fähre auf Mallorca.
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Freundlicherweise muss ich dank des Zweibrücker Stadtfests trotz später Stunde keinen Umweg über Kaiserslautern fahren, sondern kann den direkten Weg von Saarbrücken Richtung Pirmasens nehmen. Mit etwas Verspätung komme ich etwas nach 22 Uhr in Höhmühlbach an, wo ich von meiner Mutter abgeholt werde.
Das letzte Bild mit dem gelben AGC von Champagne-Ardennes bietet einen prima Übergang zum zweiten Ausflug des Berichts, in dem ich euch in ebendiese Region mitnehmen werde, davor folgt aber noch ein kleiner Exkurs ins grenznahe Lothringen.

Seit Jahren wollte ich schon mal das Fort Simserhof der Maginot-Linie bei Bitsch besichtigen. Mitte Juli habe ich mich endlich mal dazu aufgerafft und war nach Jahren mal wieder in unserer französischen Nachbarstadt. Mangels jeglicher ÖPNV-Verbindung über die Grenze war ich zwar mit dem Auto dort, aber Bahnbezug gab es trotzdem zur Genüge.
Das Fort ist das drittgrößte Fort der Maginot-Linie, liegt einige Kilometer außerhalb von Bitsch in einem Tal und wurde mir einer elektrischen Feldbahn erschlossen. Neu war mir, dass das Fort nach 1945 wieder instandgesetzt und erst Anfang der 60er-Jahre unter dem Einfluss des Algerienkriegs und des Elysée-Vertrags aufgegeben wurde.
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Hier auf Höhe der Mannschaftsräume mussten die Wägen von Hand geschoben werden. Fast 900 Mann waren hier planmäßig stationiert, nach Kriegsbeginn noch deutlich mehr.
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Strenge Regeln für den Donnerbalken. Noch Fragen?
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Die Stromversorgung wurde mit drei Sulzer-Schiffsdieseln gewährleistet. Nachträglich wurde das Fort aber auch ans öffentliche Stromnetz angeschlossen.
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Bei den Motoren liegen technische Zeichnungen von ihnen aus. Immer wieder erstaunlich, welche Akkuratesse Technische Zeichner in Zeiten vor CAD-Programmen erreicht haben. Auf diesem Niveau habe ich das im Studium leider nicht im Ansatz gelernt.
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Die E-Loks hatten Rollenstromabhnehmer.
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Der sogenannte Wagonnet parachute (Fallschirmwagen) diente zum Bremsen der Züge.
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Dort hinten kam der Nachschub ins Tor. Erst überlegte ich noch, ob ich statt der deutschen eine französische Führung machen soll, was ich aber zum Glück nicht getan haben. Unsere Führerin ist nämlich ein Phänomen. Mit unglaublichen 81 Jahren jagt sie uns ganze 2,5 Stunden ohne Pause bergauf und treppab durch die Anlage und kann uns jedes Bauteil der Anlage erklären. Sie kommt aus Bitsch, ist seit 30 Jahren ehrenamtlich bei der Festung engagiert, gehört noch zur Generation, die in dieser Region daheim in der Familie Deutsch gelernt haben, und hat viele Zeitzeugen der Festung wie den Chefarzt und diverse Soldaten und Bauarbeiter noch persönlich kennengelernt. Die neue Führerin der französische Gruppe nach uns, beschwert sie sich, sei trotz späteren Starts mit ihrer Gruppe üblicherweise schon eine Stunde vor ihr fertig, weil sie viel weniger zeige und erkläre. Und der neue Chef erst! Dass ihr kein anderer Führer das Wasser reichen kann, glaube ich sofort. Man kann ihr nur wünschen, dass sie noch viele Jahre weitermachen kann.
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Wenn ich mich recht erinnere, haben die Gänge hier unten über 5 km Länge, von denen wir „nur“ etwas über 2 km gezeigt bekommen. Dagegen sind die Bunker des Westwalls bei uns daheim nur ein müder Abklatsch. Durch den kleinen Bunker bei meinem Dorf im Tal, in dem meine Oma das Kriegsende erlebt hat, ist man in einer Minute durch.
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Technikinteressierte kommen bei der Führung komplett auf ihre Kosten. Die Lüftungsanlage ist für Giftgasangriffe ausgelegt, noch funktionstüchtig und wird vorgeführt.
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So sieht einer der Aktivkohlefilter von innen aus. Verfahrenstechnik in Aktion.
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Dieses Geschützrohr wurde wohl beim Rückzug der Wehrmacht unbrauchbar gemacht. Da kommt mir wieder Schadenskunde aus Werkstoffkunde im ersten Semester meines Studiums in den Sinn. Ich würde einen Gewaltbruch attestieren.
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Auf dem Heimweg schaue ich noch am Bahnhof Bitsch vorbei. Das typisch elsass-lothringische Bahnhofsgebäude sieht noch gepflegt aus, obwohl seit inzwischen über 10 Jahren der Verkehr nur noch vor ihm stattfindet. Zufälligerweise erwische ich gerade einen von samstags nur vier Bussen nach Sarreguemines.
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Ziemlich überrascht bin ich von der Anwesenheit dieser historischen Personenwagen. Dahinter steckt ein Museumsbahnprojekt, wie ich später herausfinde: https://www.lok-report.de/news/europa/item/45575-frankreich-fuenf-personenwagen-fuer-di...
Ich wünsch dem Verein nur das Beste, aber die Wägen sehen nach sehr viel Sanierungsbedarf aus und die Beteiligten auf den Bildern in dem Artikel sehen überwiegend schon etwas älter aus. Ich bin deshalb nur zurückhaltend optimistisch, ob ich hier mal in einem Museumszug sitzen werde.
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Schon jetzt kann man an einigen Tagen im Jahr mit der Draisine nach Lemberg fahren. Einige Draisine stehen am Hausbahnsteig.
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Im Hintergrund kaum zu übersehen, thront die Zitadelle über Bitsch. Auch hier lohnt eine Besichtigung. Durch seine Grenzlage war Bitsch schon lange vor der Ligne Maginot Garnisonsstadt. Inzwischen sind dank der deutsch-französischen Freundschaft die großen Kasernen in der Stadt verwaist und verbreiten Endzeitstimmung. Eigentlich eine erfreuliche Entwicklung, lastet der Truppenabbau jedoch schwer auf Bitsch. Strukturschwach ist für das Städtchen im hintersten Winkel Frankreichs leider noch eine Untertreibung. Das Camp de Bitche außerhalb der Stadt ist aber noch sehr wohl in Betrieb. Wenn der Wind richtig steht, kann man bei gutem Wetter die Artillerieübung bis zu uns daheim in etwas über 20 km Luftlinie Entfernung hören.
Im nächsten Teil geht es dann wie der Titel ankündigt weiter nach Gran-Est hinein bis Reims.


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