Im Nachtzug durch die argentinische Pampa - 2/4 (36 Bilder) (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Mittwoch, 09.08.2023, 00:06 (vor 278 Tagen)

Wer den ersten Teil verpasst hat, findet ihn hier:
https://www.ice-treff.de/index.php?id=683839

Nach dem ich im ersten Teil aus dem Großraum Buenos Aires berichtet habe, möchte ich nun meinen ungewollten Cliffhanger auflösen: Die große Rundreise durch den Norden Argentiniens beginnt mit einer Nachtzugfahrt nach Corodoba.
Nach einigen Tagen in Buenos Aires geht es also los ins weitläufige Inland Argentiniens. Für die 695 km nach Cordoba braucht der Zug gemütliche 19 h und damit deutlich länger als konkurrierende Busverbindungen. Dafür ist der Zug günstiger, wodurch ich zum Glück keine zu große Mühe hatte, Chris vom Zug zu überzeugen. Es gibt die drei Wagenklassen Primera, Pullmann und Camarote. Beim aktuellen Wechslekurs (Juli 2023) bietet Primera bietet für knapp 10 € 2+2 Bestuhlung, Pullman für 12,50 € 2+1 -Bestuhlung und Camarote für 30 € einer 2er-Schlafwagenabteil.
Wo ich gerade über das Preisniveau in Argentinien und den Wechselkurs schreibe, will ich noch kurz dabeibleiben. Argentinien leidet seit Jahren unter einer galoppierenden Inflation. War ein Euro bei unserem Besuch im September und Oktober 2019 erst ca. 70 Pesos wert, waren es gegen Ende von Katharinas Aufenthalt Ende Dezember schon um die 100 und jetzt im Juli 2023 286 Pesos. Für uns als Urlauber super für einen günstigen, für die Argentinier sehr belastend. Da der 1000-Pesoschein (umgerechnet ca. 14 €) bei unserem Besuch die höchste Banknote und relativ selten war, führte dieser Umstand an Wechselstuben zu absurd dicken Geldbündel. Wenn wir schon immer mal in Geldscheinen baden wollten, hatten wir jetzt die Chance dazu.

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Für 19 h hätten wir uns gerne den bezahlbaren Luxus im Schlafwagen gegönnt, aber leider waren alle Camarote-Abteile ausgebucht. Damit wurde es Pullmann. Die Sitze sind ziemlich bequem und neigbar, aber nach 19 h reicht es uns doch. Den geringen Aufpreis zu Primera erscheinen sie uns auf jeden Fall wert.

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Die Wagengarnituren und Loks sind erst wenige Jahre alt und wie die Nahverkehrstriebwägen aus China. Leider scheine ich in Buenos Aires kein Bild von der Lok gemacht zu haben. Vermutlich weil es schon dunkel war oder ich zu faul war, zur Lok vor zu laufen.

Als wir aufwachen, fahren wir mitten durch die Pampa. Diese Bezeichnung ist hier nicht abwertend, sondern geographisch vollkommen korrekt. Besonders spannend ist die Pampa aber nicht. Mit schätzungsweise 30 km/h dümpeln wir durch das Flachland. Ok, die im Titel versprochene Schrittgeschwindigkeit ist es nicht ganz, aber es fühlt sich so an.

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Unterwegs kommen wir an einigem Zugmaterial vorbei.

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In Rosario haben wir heute Nacht Kopf gemacht und vermutlich auch die Lok gewechselt. Statt der modernen chinesischen Lok hängt in Cordoba eine sehr amerikanisch aussehende Lok (GM? EMD?) an unserem Zug.

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Einige Wochen vor unserem Besuch war auch Katharina schon in Cordoba und hat auf dem Rückweg den Nachtzug genommen. Von ihr steuere ich noch drei Bilder bei:

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Cordoba hat ein nettes Stadtzentrum mit ein paar Relikten aus der Kolonialzeit. In Deutschland und Österreich dürfte der Name der Stadt den meisten wegen der Schmach von Cordoba bei der Fußball-WM 1978 sein. Der Hauptgrund für unseren Besuch ist tatsächlich der Nachtzug. Ich habe mir im Vorfeld eindringlich eine Nachtzugfahrt gewünscht und Cordoba hat da noch am besten als Ziel gepasst. Touristisches Highlight ist für uns das Naturkundemuseum mit zahlreichen Fossilien.

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Wir bleiben nur eine Nacht in Cordoba. Dann geht es mit dem Nachtbus weiter nach Nordwesten nach La Rioja, wo Katharina aus Buenos Aires zu uns stößt. Sie hatte an den beiden Tagen davor noch an der Uni zu tun.
La Rioja ist eine enorm dünn besiedelte Provinz und mit 3,7 Einwohner/km² extrem dünn besiedelt. Auf eine Fläche größer als Österreich verteilen sich nur wenig mehr Einwohner als in Karlsruhe. Die Landschaft ist in großen Teilen wüstenartig. Die Gegend erinnert mich an Westernfilme. So ähnlich stelle ich mir den Wilden Westen vor.
Unser Ziel sind zwei Nationalparks im Südwesten der gleichnamigen Provizhaupstadt. Unterwegs werden wir an zwei Checkpoints von der Polizei kontrolliert. An unserem Zielort, dem Wüstenkaff Pagancillo, erwartet uns leider nicht John Wayne zu einem Duell. Stattdessen fragt uns der Polizist nach unserem Ziel und ob wir eine Übernachtung gebucht hätten. Wir werden erst ein wenig nervös, weil wir noch nichts gebucht haben. Dann entspannt sich jedoch Situation. Er stellt uns die Frage nicht aus Sicherheitsgründen, sondern weil er uns seinen Kumpel vorstellen möchte, der eine Ferienwohnung hat und zufällig gerade im Checkpoint wartet. Sein Angebot ist vernünftig und die Wohnung schön also schlagen wir zu. Zum Abendessen gibt es köstliche Empanadas und für mich Ziege.

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Zuerst besuchen wir den Nationalpark Talampaya.

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Am nächsten Tag besuchen wir den benachberten Nationalpark Ischigulasto in der Nachbarprovinz San Juan. Hier fährt man mit dem eigenen (Miet-)Wagen bei einer geführten Tour einen Rundkurs ab.

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Auf dem Rückweg zur Provinzhauptstadt kommen wir in einen Heuschreckenschwarm. Nach Rückgabe des Mietwagens fahren wir mit dem Nachtbus nach Salta weiter. Bahnkenner wissen vielleicht schon, was wir dort vorhaben. Das kommt aber erst im nächsten Teil. Salta ist ein lokales Zentrum des Andenraums. Museumshighlight ist das archäologische Museum mit zwei gefrorenen Eismumien aus der Inkazeit, die hoch in den Anden gefunden wurden. Außerdem hat die Stadt eine Seilbahn auf den Stadtberg. Wir gehen aber zu Fuß hoch.

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Von Salta machen wir erstmal eine Dreitagestour mit einem Mietwagen in das laut eigener Angabe höchstgelegene Weinanbaugebiet der Welt um Cafayate.

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Nein, das war leider nicht unser Mietwagen. Wir mieten einen Fiat Mobi, unser „Offroadpanda“.

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Mir fällt dir Ehre zu den „Offroadpanda“ ohne Servolenkung über unasphaltierte Serpentinen auf bis über 300 m ü. NN. und über Staubpisten zu steuern. Über einen Pass und den Nationalpark der Cardones, der Kandelaberkakteen, geht es in ein Hochtal. Kakteen soweit das Auge reicht:

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Durch dieses Tal geht es am zweiten Tag über die Nationalstraße 40 nach Süden anch Cafayate und am dritten Tag zurück nach Salta. Die Nationalstraße 40 zieht sich über 500 km immer in Grenznähe zu Chile durch den Westen Argentiniens entlang der Anden und gilt als kleine Schwester der berühmteren Panamericana. Weite Strecken der Straße sind unasphaltierte Schotterpisten, so auch der vergleichsweise kurze Abschnitte, den wir befahren.

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Nachdem ich drei Tage lang darüber geschimpft habe, dass die „Dreckskarre“ nicht mal Servolenkung hat, stellt sich bei der Rückgabe heraus, dass sie das eigentlich hatte und die Lenkung in Wirklichkeit defekt war. Zum Glück ist nichts passiert und nachdem ich glaubhaft erkläre, dass das schon von Anfang an so war, bekommen wir auch die Kaution zurück.
Salta ist Ausgangspunkt der berühmten Andenbahn Ramal C-14 nach Chile. Am Bahnhof kaufen wir die für argentinische Verhältnisse enorm teuren Tickets für den Tren a las Nubes, der Zug in den Wolken.
Im Bahnhof wartet ein Regionalzug nach General Guemes. Es verkehrt ein moderner Treibwagen vom Typ Alerce des argentinischen Herstellers Emepa, der ab 2015 für mehere Meterspurstrecken betrieben wurde. Von dem weitläufigen Meterspurnetz des Landes werden leider nur noch wenige meist kurze Abschnitte im Personenverkehr betrieben. Auch von Cordoba hätte es mit den Triebwagen ein bisschen Regionalverkehr nach Cosquin gegeben.
Im Nachhinein ärgere ich mich, nicht mitgefahren zu sein, aber vermutlich war der Fahrplan noict besonders ansprechend und ich glaube, der Zielort General Guemes klang auch nicht sehr spannend.

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Nachdem wir nun die Tickets haben, dürfte klar sein, welche Zugfahrt im nächsten Teil kommt. Außer dem berühmten Tren a las Nubes werden wir einige Relikte der stillgelegten Bahnstrecke Richtung Bolivien erkunden.


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