..."die Weichen sind gestellt"... (Allgemeines Forum)

Oscar (NL), Eindhoven (NL), Dienstag, 16.04.2019, 15:45 (vor 1809 Tagen) @ Power132

Gäbe es in Deutschland schnelle Bahntrassen in Frankreich, wären Inlandsflüge überflüssig...

Artikel.

Die fiktiven ICE-Zeiten (M-HH 3:12) sind selbstverständlich ein Leckerbissen für uns ICE-Fans (und normale Reisezeiten für ein Normalchinese).
Vielleicht hat Spiegel den Artikel speizell für uns ICE-Fans erstellt.
Aber die Bahn ist nicht nur da, um uns ICE-Fans zu begeistern.

Von den insgesamt 620 Kilometern sind nur 238 Kilometer (38 Prozent) für 300 km/h zugelassen. Auf fast 200 Kilometern liegt die erlaubte Geschwindigkeit bei maximal 160 km/h. Hinzu kommen Puffer im Fahrplan, sodass der ICE letztlich nur auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 150 km/h kommt.

Zwar richtig, aber unvermeidlich. Die 160 km/h-Abschnitten sind dort, wo bereits eine relativ gut ausgebaute Strecke existiert. Ingolstadt-Nürnberg und Bamberg-Erfurt sind dort wo überhaupt keine gute Bahnstrecke existiert. Ausbau der 160 km/h Strecke zu 200 km/h macht viergleisige Bahnhöfe erforderlich, damit der Fernverkehr den Regioverkehr überholen kann.
Man hätte in der Tat B-M komplett für 300 km/h bauen können (inklusive Trassierung via München Flughafen statt Dachau). Die Fahrt wäre anderthalb Stunden schneller, dafür aber doppelt so teuer (irgendwie muss man die Moneten zurückverdienen).

Je mehr Züge jedoch auf einem Streckenabschnitt verkehren, umso größer ist die Gefahr, dass Hochgeschwindigkeitszüge langsamer fahren oder ihre Fahrt stoppen müssen, weil vor ihnen liegende Bereiche nicht freigegeben sind. Ein separates Netz ausschließlich für Hochgeschwindigkeitszüge vermeidet solche Probleme.

Das ach so tolle französische HGV-Netz hat allerdings zwei Probleme:

1. je weiter man von Paris weg ist, umso schwächer sind die Rennbahnen ausgelastet
2. je weiter man von Paris weg ist, umso weniger Fahrgäste in den TGVs

Dieses Problem hat Deutschland nicht, denn wenn der ICE M-HH hat auf den ganzen Laufweg, der gleichermassen Verteilung der Bevölkerung sei Dank, in etwa denselben Potential.
Das würde also eher für ein reinrassiges HGV-Netz in DE plädieren. Nur schade, dass man jede 100 km eine ICE-würdige Stadt findet.

Die Weichen dagegen wurden bereits in den Achtzigerjahren gestellt. Damals beschlossen Regierung und Bundesbahn, für die schnellen ICEs kein separates Netz zu bauen - im Unterschied zu Frankreich (TGV) und Japan (Shinkansen).

Ich wünsche mir sehr, dass Deutschland sich zumindest von diesem Totschlagargument verabschiedet. Ich weiss nicht wie das in Deutschland funktioniert, aber zumindest bei uns in NL sind Weichen flexibel und nicht in Stein gemeisselt.

In Italien wurden in den 1970ern auch "die Weichen gestellt"= die Direttissima wurde gebaut. 30 Jahre später wurden die Weichen neu gestellt: das AV/AC-Netz a.b.a. "Schienenautobahnen". Turin-Neapel ist schon grossenteils fertig, Mailand-Venedig ist in Bau. Grosses Fragezeichen ist s.i.w. die Anbindung von Genova Piazza Principe.

Gegen Fahrzeiten wie in Frankreich spricht auch die ganz andere Besiedlungsstruktur in Deutschland. In der Fläche gibt es viel mehr Städte, an denen die Bahn nicht vorbeifahren will oder aus politischen Gründen nicht vorbeifahren kann.

Doch, das geht. Man muss nur wollen.
In Italien gibt es Frecce Mailand-Rom nonstop und mit Halt in Bologna und Florenz. Langsamere Frecce bedienen auch Piacenza, Parma, Modena usw.

Was das Artikel allerdings nicht nennt: Italien hat eine höhere Bündlungsgrad als Deutschland. Turin-Neapel bündelt die Mehrheit des Fernverkehrs: 6 der grössten Städte Italiens (Turin, Mailand, Bologna, Florenz, Rom, Neapel) liegen auf einer Strecke.
In Deutschland müsste man etwa 4-5 solcher Strecken bauen. Und ja, das kostet.


gruß,

Oscar (NL).

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Mit den neuen IC-Triebwagen wird alles besser !!

Trans-Europ-Express 2.0? Abwarten und TEE trinken!

Schienenstränge enden nicht an einer Staatsgrenze, sondern an einem Prellbock.


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