Von Pritzwalk nach Putlitz (Teil 1.1) (Reiseberichte)
Guten Tag,
wenn die Bahnstrecke von Pritzwalk nach Putlitz eine Katze wäre, dann, aber nur dann wäre sie jetzt vermutlich in ihrem achten Leben. Oft schon war sie totgesagt und lebte doch weiter. Aktuell ist der Betrieb nur bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2014 gesichert. Die Frage ist wohl eher, ob es danach weitergeht als wie es weitergeht. Grund genug, die Strecke und ihre Stationen ausführlich zu porträtieren. Beginnen möchte ich mit einem etwas ausführlicheren Blick in die Geschichte und in Fahrpläne. Abschließend besuchen wir als Fortsetzung meines Bahnhofsportraits den Kleinbahnteil des Ausgangsbahnhofs Pritzwalk, die Bildnumerierung ist fortlaufend.
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Ort des Geschehens ist die Prignitz, im Nordwesten des Landes Brandenburg gelegen, fern des Speckgürtels um Berlin. Heute eine strukturschwache Region mit abnehmender Bevölkerung in einer ohnehin dünn besiedelten Gegend.
Die Strecke beginnt in Pritzwalk an einem eigenen Kopfgleis. Sie führt anschließend parallel zur Bahnstrecke nach Wittenberge westwärts aus dem Bahnhof. Kurze Zeit später folgt der Haltepunkt Pritzwalk West. Er wurde am 27. August 2007 eröffnet und dient in erster Linie dem Schülerverkehr des nahen Gymnasiums. Hierzu wird er auch durch einzelne Züge von und nach Meyenburg bedient. Wenig später zweigt die Strecke nach Nordwesten von der Wittenberger Strecke ab. Unmittelbar nach dem Haltepunkt Kuhbier kreuzt sie die alte Bundesstraße und führt anschließend über Groß Langerwisch (hier befindet sich die einzige Weiche unterwegs), Jakobsdorf und Laaske nordwärts nach Putlitz, fernab paralleler Straßen.
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Kommen wir nun zur Geschichte: Putlitz war lange Zeit das Zentrum der Region, weshalb sich die ansässigen Adligen für einen Eisenbahnanschluß einsetzten. Zunächst ohne Erfolg. Bewegung kam in die Sache, nachdem 1881 die Wittenberge-Perleberger Eisenbahn eröffnet worden war. Nun gründete Freiherr Eugen Ferdinand Gans Edler Herr zu Putlitz auf Laaske ein Eisenbahnkomitee. Das war erfolgreich und am 31. Mai 1885 konnte die Prignitzer Eisenbahngesellschaft ihre Strecke von Perleberg über Pritzwalk nach Wittstock eröffnen.
Somit hatte aber Putlitz immer noch keinen Eisenbahnanschluß. Der wurde erst durchs 1892 erlassene preußische Kleinbahngesetz ermöglicht, das einfachere Standards zuließ. Nun erbaute der Kreis Ostprignitz auf Anregung des Barons eine normalspurige Kleinbahn von Pritzwalk nach Putlitz auf eigene Kosten, Preußen und Brandenburg trugen je 20 % der Kosten. Die Ostprignitzer Kreiskleinbahn Pritzwalk - Putlitz erhielt im November 1895 die Bau- und Betriebsgenehmigung. Am 4. Juni 1896 war es soweit: Die 17 Kilometer lange Strecke wurde feierlich eröffnet - den Betrieb führte die Prignitzer Eisenbahngesellschaft.
Von Putlitz war und ist es nicht weit bis zur Grenze nach Mecklenburg. Gleicht hinter der liegt Suckow, nach dort wurde von mecklenburgischer Seite eine Bahnstrecke von Parchim geplant. An die wollte der Kreis die Putlitzer Strecke (der Güterverkehr lief ordentlich, der Reiseverkehr erfüllte nicht die Erwartungen) anschließen. Ein entsprechender Staatsvertrag wurde geschlossen und am 1. Oktober 1912 konnten sowohl die Kleinbahn von Putlitz nach Suckow als auch die Strecke von Parchim nach Suckow, von der Großherzoglich Mecklenburgischen Friedrich-Franz-Eisenbahn betrieben, eröffnet werden. Erst später gab es durchgehende Züge zwischen Pritzwalk und Parchim, Kenning (S. 350) spricht von 1940, Hendschels Telegraph vom Mai 1914 nennt jedoch bereits durchgehende Paare.
Das Handbuch der deutschen Straßenbahn, Kleinbahnen und Privatbahnen 1928 nennt 1928 folgende Daten, die ich nach Kenning (S. 350) wiedergebe:
Pritzwalk - Putlitz: 17,05 km Strecken- und 21,52 km Gleislänge, zwei Dampfloks, drei Personen-, einen Gepäck- und zwölf Güterwagen, 25 Beschäftigte, 59.433 Fahrgäste und 23.726 t Güter.
Putlitz - Suckow: 11,83 km Strecken- und 12,54 km Gleislänge, eine Dampflok, einen Personen-, einen Gepäck- und acht Güterwagen, sieben Beschäftigte, 16.171 Fahrgäste und 10.114 t Güter.
Die mecklenburgische Strecke nach Parchim wurde 1947 stillgelegt, das gewonnene Material zum Wiederaufbau der Strecke Rostock - Schwaan verwendet. Die Strecke Pritzwalk - Suckow wurde 1949 durch die Reichsbahn übernommen. Gegen Ende der 1960er ging der Verkehr zurück, aber erst 1980 endete der Verkehr nördlich von Putlitz. Auch der Reststrecke sollte es wenig später eigentlich an den Kragen gehen, das aber blieb aus. Ein Hochwasser führte 1993 zur zwischenzeitlichen Einstellung des Personenverkehrs nach Putlitz, nach Protesten der Bevölkerung wurde die beschädigte Brücke aber repariert. Güterverkehr bestand bis Ende 1992.
Im September 1996 übernahm die neugegründete Prignitzer Eisenbahn (PEG) den Verkehr auf der Strecke, zunächst im Auftrag der DB, 1998 auf Bestellung des Landes. Am 1. Januar 2004 übernahm die PEG auch die Infrastruktur, die ins Eigentum des Kreises überging. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2006 bestellte das Land Brandenburg den Verkehr nach Putlitz ab, im Sommer 2007 wurde er wieder aufgenommen, nun im Auftrag der Verkehrsgesellschaft Prignitz und des Putlitz-Pritzwalker Eisenbahnfördervereins, finanziert aus Mitteln für Schüler- und für Busverkehre. Im Dezember 2012 drohte die erneute Einstellung, allerdings konnten die Verkehre durch eine finanzielle Beteiligung der Stadt Putlitz bis Dezember 2014 gesichert werden. Im Oktober 2011 übernahm die Eisenbahngesellschaft Potsdam (EGP) den Verkehr, die zur selben Firmengruppe gehörende RegioInfra übernahm rückwirkend zum Jahresanfang 2012 auch die Infrastruktur. Hinter der EGP stehen die Gründer der PEG, die diese Firma 2004 an Arriva verkauft hatten.
Dann war da noch der Kreis Westprignitz. Der hatte eine echte Kreisbahn (Perleberger Ringbahn genannt), denn sie führte von Perleberg über Karstädt und Berge nach Perleberg (wo der Kreisbahnhof dann doch kein Durchgangsbahnhof war). Und von Berge aus gab es einst eine Zweigstrecke nach Putlitz. Die wurde am 7. Dezember 1911 eröffnet und am 25. Mai 1968 stillgelegt.
Schauen wir uns nun den Fahrplan an.
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Auf (color=blue]deutsches-Kursbuch.de[/color] gibt es den Fahrplan mit Stand Mai 1914, also von vor 100 Jahren. Damals verkehrten vier Zugpaare zwischen Putlitz und Suckow, drei davon weiter bis Parchim (und ein weiteres zwischen Parchim und Suckow). Die Fahrzeit betrug eine Dreiviertelstunde. Abfahrten in Pritzwalk um 08:00, 12:58, 16:45 und kurz vor 21 Uhr. Ab Putlitz konnte man um 06:36, 11:30, 15:40 und 19:15 Uhr nach Pritzwalk reisen.
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Das Reichsbahn-Kursbuch Winter 1937/1938 (Nachdruck 1977 im Ritzau-Verlag) führt die Strecke Pritzwalk - Parchim unter der Nummer 107u (und Parchim - Suckow originellerweise nochmals separat unter der 106q). Es verkehrten sechs Zugpaare Pritzwalk - Putlitz (ein weiteres an Sonntagabenden), vier davon fuhren weiter bis Suckow und drei bis Parchim. Zwischen Parchim und Suckow verkehrten insgesamt viereinhalb (sonntags fünf) Zugpaare. Die Reisezeit Pritzwalk - Putlitz betrug zwischen 28 und 36 Minuten.
Abfahrten in Pritzwalk 07:40 (Parchim), 10:50 (Parchim), 13:13 (Suckow), 16:05 (Putlitz), 17:29 (Parchim), 21:51 (Putlitz), 23:30 (Putlitz, sonntags).
Abfahrten in Putlitz: 06:14, 09:30 (von Parchim), 12:06 (von Parchim), 14:40 (von Suckow), 16:48, 20:01 (von Parchim), 20:40 (sonntags).
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Das Reichsbahn-Kursbuch 1944/45, gültig vom 3. Juli 1944 an bis auf weiteres, führt die Strecke unter der Nummer 120 g. Zwischen Pritzwalk und Putlitz verkehren fünf Zugpaare, drei davon bis Suckow und zwei bis Parchim. Zwischen Parchim verkehren insgesamt dreieinhalb Zugpaare. Ein Paar Putlitz - Suckow und eineinhalb Paare Suckow - Parchim verkehren nur werktags. Zwischen Pritzwalk und Putlitz war man 35 oder 36 Minuten unterwegs, es gab folgende Abfahrten:
Pritzwalk ab 07:35 (Parchim), 11:00 (Putlitz), 13:00 (Putlitz, werktags bis Suckow), 16:48 (Parchim), 22:30 (Putlitz).
Ab Putlitz 06:05, 10:00 (von Parchim), 12:00, 15:20 (werktags von Suckow) und 20:29 (von Parchim).
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Es geht sofort weiter.