Pritzwalk, ein Nebenbahnknoten (45 Bilder), Teil 1 (Reiseberichte)

Sören Heise, Region Hannover, Dienstag, 27.05.2014, 13:10 (vor 3616 Tagen)

Guten Tag,

unser heutiges Ziel ist ein Nebenbahnknoten im Nordwesten Brandenburgs, Pritzwalk. Die Infrastruktur ist trotz einiger Rückbauten noch recht reichsbahnlastig, fahrzeugseitig ist der Bahnhof heute eine Mischung aus Deutscher und Bundesbahn. Einstmals konnte man von dort aus in sechs Richtungen fahren. Heute sind es noch fünf, aber wenn es nur nach dem Willen des Aufgabenträgers gegangen wäre, dann wären es nur noch zwei.


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Streckenkilometermäßig haben wir es mit zwei sich kreuzenden Bahnstrecken und zwei beginnenden Bahnstrecken zu tun. Es kreuzen sich die Strecken von Neustadt (Dosse) zur Landesgrenze mit Mecklenburg und von Wittenberge bis kurz nach der Grenze zu Mecklenburg. Es begann die Strecke nach Lindenberg und es beginnt die am 4. Juni 1896 eröffnete Strecke nach Putlitz.


Pritzwalk war der nördliche Endpunkt des Prignitzer Schmalspurnetzes (750 mm). Die Strecke vom Betriebsmittelpunkt Lindenberg aus wurde in drei Abschnitten eröffnet: Am 1. Oktober 1907 wurde Kuhsdorf erreicht, am 14. Januar 1908 Pritzwalk Chausseestraße und am 29. Juli der Kleinbahnhof direkt am Bahnhof der Normalspur. Der Reiseverkehr endete am 31. Mai 1969. Eine Teilstrecke wurde später als Museumsbahn wiederaufgebaut, unter pollo.de ist der Verein erreichbar.


Die Strecke von Wittenberge zur Landesgrenze bei Buschhof wurde von zwei Unternehmen gebaut. Zwischen Wittenberge und Perleberg war es die Wittenberge-Perleberger Eisenbahn, die am 15. Oktober 1881 den Verkehr aufnahm. Sie erhielt auch die Genehmigung zum Bau der Strecke bis zur Grenze, hierfür wurde aber mit der Prignitzer Eisenbahngesellschaft eine eigene Firma gegründet. Am 31. Mai 1885 wurde der Reiseverkehr zwischen Perleberg und Wittstock aufgenommen, am 18. Mai 1895 weiter bis Buschhof. Dorthin nahm zeitgleich die Mecklenburgische Friedrich Wilhelm Eisenbahn ihre Streckenverlängerung von Mirow in Betrieb, so daß ein durchgehender Verkehr bis Neustrelitz möglich war. 1934 wurde die Prignitzer Eisenbahngesellschaft in Prignitzer Eisenbahn umbenannt. Diese, nicht zu verwechseln mit der neuen Bahngesellschaft gleichen Namens, wurde am 1. Januar 1941 von der Reichsbahn übernommen. Am 23. Mai 1998, mittlerweile war das zuständige Unternehmen die Deutsche Bahn AG, endete der Reiseverkehr zwischen Wittstock, Buschhof und Mirow.
Der noch betriebene Abschnitt ist Teil des Prignitz-Express. Von Osten her ist die Modernisierung bis vor Pritzwalk vorgedrungen. Westlich von Pritzwalk bestechen Groß Pankow und Rosenhagen noch durch Kreuztafeln anstelle von Vorsignalen. Aber erste Bauarbeiten sind zu sehen, Groß Pankow soll noch dieses Jahr auf Lichtsignale umgestellt werden, 2016/2017 werden auch Pritzwalk und Rosenhagen neue Stellwerke erhalten (wann ist Perleberg dran?).


Dann gibt es die am 11. Dezember 1887 eröffnete Strecke von Neustadt (Dosse) über Kyritz an der Knatter und Pritzwalk nach Meyenburg und weiter zur Landesgrenze hinter Meyenburg; dort schließt die Strecke über Karow nach Güstrow an. Am 23. September 2000 endete der Reiseverkehr nördlich von Meyenburg, die Anschlüsse an die ersatzweise verkehrenden Busse könnten besser sein. Die Infrastruktur der Strecke wurde 2004/2008 durch die Prignitzer Eisenbahn übernommen und 2012 durch die Regioinfra, die zur selben Firmengruppe gehört wie die EGP. Die wiederum ist eine Neugründung der Gründer der neuen Prignitzer Eisenbahn, diese war 1996 von einem DB-Mitarbeiter gegründet worden und 2004 an Arriva verkauft.


Am 15. April 1945 explodierte auf dem Bahnhof Pritzwalk nach einem Luftangriff ein Munitionszug, es gab zahlreiche Tote, neben zahlreichen anderen Gebäuden wurde das Empfangsgebäude zerstört, 1950 begann der Wiederaufbau. Es gehört heute der Stadt und wurde 2011/2012 saniert, hier finden sich diverse Räumlichkeiten der EGP (so das Kundenzentrum), die Polizei, Dienststellen der Stadt und auch ein Bahnhofsrestaurant.


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Es ist heute kaum vorstellbar, daß in Pritzwalk einst Fernzüge hielten. Nach dem 2. Weltkrieg wurden viele Strecken in der späteren DDR demontiert oder verloren ihr zweites Gleis. Als Folge wurden viele Züge über andere Strecken umgeleitet, so auch über diese. Das Winterkursbuch 1964/1965 nennt zwei Schnellzugpaare über Pritzwalk: Der D 79/80 Karl-Marx-Stadt - Rostock hielt morgens um fünf nordwärts und zehn Minuten vor Mitternacht südwärts (Karl-Marx-Stadt 21:45 -> Rostock 8:40, zurück 20:13 -> 7:56, mit Schlaf- und Liegewagen). Dann gab es den D 73/74 Leipzig - Wittenberge, das Zugpaar kreuzte um fünf vor Zwölf in Pritzwalk (Leipzig 8:03 -> Warnemünde 16:12, zurück 8:58 -> 17:56, mit Speisewagen). Daneben gab es fünf Zugpaare nach Neustadt und vier nach Meyenburg, von denen zweieinhalb bis Güstrow fuhren. Auf der Strecke Wittenberge - Wittstock verkehrten übrigens fünf Zugpaare, zwei fuhren weiter bis Neustrelitz Süd, vier kamen von dort. Dis Schmalspur sah fünf Paare, mittag eines nach Klenzendorf, eins bis Glöwen und drei bis Lindenberg (alle Angaben für Winter 1964/65).

Hauptlinie in Pritzwalk ist heute der RE 6 (Berlin - Hennigsdorf - Neuruppin - Wittstock - Pritzwalk - Perleberg - Wittenberge). Hier fahren Dieseltriebwagen der Baureihe 646. Am Wochenende und feiertags besteht ein Zweistundentakt, mo-fr fährt DB Regio stündlich.

Die Strecken nach Putlitz, Meyenburg und Neustadt (Dosse) standen schon vor dem Aus. Der Verkehr nach Putlitz wird seit 2007 regional bestellt, für die beiden anderen Strecken konnte sich das Land nach Protesten doch zu einem neuen Verkehrsvertrag ab Dezember 2012 durchringen. Der Preis war allerdings eine Reduzierung des Angebots, das Land halbierte seine Zahlungen.
Diese drei werden von der Eisenbahngsellschaft Potsdam bedient. Nach Putlitz verkehren fünf Zugpaare, üblicherweise mit einem Schienenbus der Baureihe 798. Daneben verfügt die EGP über Triebwagen der Reihen NE81, LVT/S sowie Doppelstockschienenbusse.
Am geringsten waren die Einschränkungen zwischen Neustadt und Kyritz, mo-fr besteht hier weiterhin ein Stundentakt, am Wochenende ein Zweistundentakt. Zwischen Kyritz und Pritzwalk wurde der Zweistundentakt (neun Zugpaare) auf zwei Zugpaare zusammengestrichen. Von Pritzwalk nach Meyenburg verkehren statt zehneinhalb Zugpaaren mo-fr nur noch fünf. Samstags sind es noch vier, sonntags drei, einzelne Leitungen werden bis Krakow am See verlängert. Am Wochenende gilt ein Haustarif, der sich am VBB-Tarif orientiert. Mo-fr hingegen gilt der normale Tarif.
Bis 2015 wird das Angebot nach Meyenburg und Neustadt fortgeführt, allerdings steigen die beiden beteiligten Landkreise in die Finanzierung ein und die Kosten werden auf 2,5 Mio. Euro jährlich gedeckelt. Ab dem Fahrplan 2016 sollen die Strecken für fünf oder zehn Jahre Dauer neu ausgeschrieben werden, wobei der Kostenrahmen bestehen bleibt. Unklar ist allerdings, wie man mehr Leute zur Nutzung der Eisenbahn animieren will.

Mit diesem Ausflug in die Verkehrspolitik bin ich ein wenig vom Thema abgekommen. Denn das Thema war und ist ein Portrait des Bahnhofes Pritzwalk. Wir beginnen daher im zweiten Teil unseren Rundgang, die Aufnahmen enstanden am 17. März und am 16. Mai 2014.


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Gleich geht es weiter, bitte zwischendurch eine Werbung eigener Wahl anschauen.


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