Über die Adria in die schwarzen Berge – 2/4 | 48 Bilder (Reiseberichte)

TD, Dienstag, 23.06.2020, 18:40 (vor 1402 Tagen)

Hallo zusammen,

willkommen zum zweiten Teil unserer Reise nach und durch Montenegro. Im ersten Teil waren wir durch die Schweiz und durch Italien nach Bari gereist und mit der Fähre über die Adria nach Bar in Montenegro gefahren. Von dort ging es noch weiter wir dem Regionalzug in das 20 Kilometer entfernte Dorf Virpazar.

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Dieser Reiseberichtsteil umfasst zwei Reisetage. Der erste Reisetag ist komplett bahnfrei und off-topic. Wer sich nur für Bahn interessiert, der scrolle bitte gleich weiter bis zur übernächsten Überschrift.


Tag 3: Virpazar und Skutarisee

Durch ein Gebirge von der Adria getrennt liegt im Grenzgebiet zwischen Montenegro und Albanien der Skutarisee. Der See ist auch unter den Namen Shkodrasee, Skadarsee oder Skadarsko Jezero bekannt. Wir haben uns für zwei Nächte in einem Hotel in Virpazar am Seeufer einquartiert. Für meinen Bruder wird es allerdings eine kurze Nacht, denn er hat am frühen Morgen eine Angeltour mit einem Guide gebucht. Später starten wir dann gemeinsam zu einem Bootsausflug auf den Skutarisee.

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Das ursprüngliche Fischerdorf Virpazar ist durch ein Sumpfgebiet vom eigentlichen Seeufer getrennt. Über den Fluss Grmnica ist der Ort mit dem See verbunden. im Ortszentrum an einer Brücke über die Grmnica warten die Ausflugsboote auf Touristen, auf einem Hügel über dem Ort thront die Festung Besac.
Mit einem solchen Touri-Ausflugsboot starten wir nun zu einer Rundfahrt, auf dem Fluss Grmnica fahren wir hinaus auf den See.

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Der Skutarisee ist 48 Kilometer lang und bis 14 Kilometer breit, er ist damit der größte See der Balkanhalbinsel wenn nicht gar ganz Südeuropas. Hier blicken wir nach Südosten, irgendwo am Horizont liegt Albanien mit der Stadt Shkodra/Shkodër.

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Na, jetzt ergibt sich doch noch Bahnbezug. Auf einem Damm und mit einer Brücke führt die Bahnstecke Belgrad-Bar über den Skutarisee. Wir fahren nun unter der Brücke hindurch in den durch den Damm abgetrennten nordwestlichen Teil des Sees im Mündungsgebiet des Flusses Morača.

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Am Bahndamm liegt die Festung Lesendro, einstmals eine türkische Schutzburg. Wir folgen ein kurzes Stück dem Fluss Morača, parallel verläuft neben uns die Bahnstrecke. Die Morača ist der größte Zufluss des Skutarisees, sie bringt kaltes Wasser aus dem Gebirge. Der See wird jedoch auch durch unterirdische Quellen gespeist.

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Der Skutarisee ist seit 1983 Nationalpark, er ist insbesondere für seinen Vogelreichtum bekannt. Er ist auch ein wichtiger Rast- und Brutplatz für Zugvögel aus Nordeuropa. Gibt es hier Ornithologen im Forum? Mein Bruder tippt beim nächsten Bild auf einen Rallenreiher, kann das jemand bestätigen?

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Das ist wirklich schön dort, wer sich auch für Ziele abseits der Bahn interessiert, dem sei ein Ausflug zum Skutarisee empfohlen – gerade auch für die Kombination Bahn- und Angelreise. Züge gucken geht auch, während wir auf dem See unterwegs sind, fahren zwei Regionalzüge über den Damm, da habe ich aber keine Bilder.

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Schließlich sind wir zurück in Virpazar, das Dorf lag früher auf einer Insel und hatte über Jahrhunderte hinweg eine strategisch wichtige Position. Ein Denkmal erinnert an den 13. Juli 1941, als hier die montenegrinischen Kommunisten ihren Aufstand gegen die italienischen Faschisten begannen.

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Virpazar hat allerdings einen Nachteil: es gibt keinen direkten Seezugang, da eine große Sumpffläche vorgelagert ist. Und so laufen wir am Nachmittag in einen Nachbarort. Die Straße führt oben durch die Ausläufer der Rumija-Berge und bietet einen tollen Ausblick über den See.

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Schließlich haben wir einen Uferzugang gefunden und mein Bruder versucht nochmals sein Angelglück. Der weiße Fleck rechts der Bildmitte ist die Burgruine Grmožur. Die Festung liegt auf einer Insel, sie wurde von den Türken errichtet und später durch die Montenegriner erobert und zeitweise als Gefängnis (für Nichtschwimmer) genutzt. Bei Einbruch der Dunkelheit laufen wir dann zurück nach Virpazar.

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Tag 4: Virpazar – Podgorica – Kotor

Das Bahnnetz in Montenegro ist recht überschaubar, der größte Teil des öffentlichen Verkehrs wird mit Bussen abgewickelt. Zumindest einen kleinen Teil der heutigen Etappe wollen wir mit dem Zug zurücklegen. Der historische Teil von Virpazar liegt rund einen Kilometer vom Bahnhof entfernt, als Abkürzung gibt es einen Fußweg durchs Grüne.

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Der Bahnhof Virpazar liegt an der Bahnstrecke Belgrad-Bar. Hätten wir noch mehr Zeit in Virpazar eingeplant gehabt, hätten wir noch auf Spurensuche an der ehemaligen Antivari-Bahn gehen können. Das war die erste Eisenbahn in Montenegro, die Schmalspurbahn wurde von einer italienischen Bahngesellschaft gebaut, sie führte von Bar mithilfe von Kehren, Kreiskehrschleifen und einem Scheiteltunnel hoch über das Rumija-Gebirge bis nach Virpazar. Diese Schmalspurbahn wurde 1908 eröffnet und 1960 eingestellt, nachdem die wesentlich leistungsfähigere Normalspurstrecke eröffnet wurde, die den Gebirgszug mit einem Tunnel unterquert.

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Wir fahren nun mit einem Regionalzug nach Podgorica. Der Zug kommt aus Bar, ich hatte insgeheim auf einen der alten Elektrotriebzüge aus Riga gehofft, die ich am Vortag auch gesichtet hatte...

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...stattdessen ist es wieder einer der jüngeren Triebwagen aus dem Hause CAF, die ab 2013 an die Željeznica Crne Gore (ŽCG) geliefert wurden. Im Hintergrund sieht man das Rumija-Gebirge, über das damals die Schmalspurbahn verlief und das unser Zug im Tunnel unterquert hat.

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Und so sieht der Skutarisee aus Fahrgastperspektive aus. Sorry für das schlechte Bild –aber warum muss der Schaffner ausgerechnet an dieser Stelle kommen? Für 2 Euro gibt’s eine handgeschriebene Fahrkarte ins knapp 30 Kilometer entfernte Podgorica. Die Strecke folgt dem Fluss Morača in eine weite Ebene, in der auch Podgorica liegt.

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Doch, doch, das ist der Flughafenbahnhof von Podgorica. Gut, eigentlich ist es nur ein Haltepunkt, er heißt Aerodrom und liegt etwa einen Kilometer vom Terminal entfernt. Neun Regionalzugpaare halten hier täglich. Das nächste Bild zeigt den Hügel Dajbabska Gora mit einem futuristischen Sendeturm, der Toranj na Dajbabskoj Gori ist heute ein weithin sichtbares Wahrzeichen von Podgorica.

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Nach der Ankunft am Bahnhof von Podgorica holen wir noch das Innenbild nach. Die Hauptstadt von Montenegro bildet gleichzeitig den Mittelpunkt im Bahnnetz des Landes. Von der Hauptstrecke Belgrad-Bar zweigen hier die Strecken nach Nikšić und ins albanische Shkodra/Shkodër ab – und das ist dann auch schon das komplette 250 Kilometer lange Netz der Željeznica Crne Gore. Wir kaufen am Schalter schon mal die Fahrkarte für die Fahrt übermorgen nach Belgrad und erkunden anschließend die Stadt.

Vorsorglich noch eine Warnung: der Rest dieses Reiseberichts ist nun rein touristisch, Bahnbezug gibt’s erst im dritten Teil wieder.

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Mit 150.000 Einwohnern ist Podgorica eine recht kleine europäische Hauptstadt. In den Reiseführern zu Montenegro ist das Kapitel zu Podgorica recht kurz und die Stadt auch nicht gerade als Highlight angepriesen. Wir werden begrüßt vom Uhrturm Sahat Kula. Der Turm ist eines der wenigen Relikte aus osmanischer Zeit, er wurde 1667 erbaut.

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Die Altstadt Stara Varoš wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, dort steht die Osmanagić-Moschee. Die Moschee stammt ursprünglich aus dem 18. Jahrhundert, auch sie wurde jedoch im Krieg zerstört und erst später wieder aufgebaut. Der Großteil der Bevölkerung von Montenegro ist serbisch-orthodox, rund 15 Prozent sind Muslime. Hier treffen wir auch wieder auf den Fluss Morača, der durch Podgorica fließt.

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Nach einer Runde über den Platz der Republik machen wir uns auf den Weg zum Busbahnhof. Wenn wir schon mal in Montenegro sind, möchten wir auch Kotor besuchen. Die Stadt ist nicht ans Bahnnetz angeschlossen, und so müssen wir wohl oder übel auf die ortsüblichen Verkehrsmittel ausweichen.

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Es gibt zahlreiche Busanbieter, die auf verschiedenen Linien und zu unterschiedlichen Preisen viele Orte anbinden. Mit einem recht modernen Bus fahren wir durch die Berglandschaft nach Budva an die Küste und dann entlang des Bergzugs der Halbinsel Vrmac nach Kotor.

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Kotor ist eine alte mediterrane Handels- und Hafenstadt, sie gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Römer, Venezianer und Österreicher prägten die Stadt mit ihren zahlreichen historischen Gebäuden. Die Altstadt von Kotor ist autofrei.
Mit der Sankt-Tryphon-Kathedrale steht in Kotor die größte noch erhaltene romanische Kirche der östlichen Adriaküste. Die Kathedrale wurde zwischen 1124 und 1166 erbaut, mehrere schwere Erdbeben setzen dem Bau seither zu.

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Kotor liegt am südöstlichen Ende der Bucht von Kotor; die fast 30 Kilometer lange Bucht gilt als einziger Fjord Südeuropas. Die Bucht besteht aus mehreren Becken, die durch Engstellen miteinander verbunden sind, umgeben ist die Bucht von hohen und steilen Bergflanken.

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Die serbisch-orthodoxe St. Nikolaus Kirche wirkt auch wie ein historisches Gebäude, sie wurde jedoch erst in den Jahren 1902 bis 1909 erbaut.

Was machen wohl die blöden Touristen in der größten Mittagshitze?

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Genau, die stapfen in Schweiß gebadet am Berghang hinauf zur Festung. Oberhalb der Kirche Gospa od Zdravlja gibt es schon einen schönen Ausblick über die Bucht von Kotor.

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Etwa 260 Meter über der Bucht liegen die mittelalterlichen Festungsanlagen von San Giovanni. Doch der Aufstieg lohnt sich, von hier oben gibt es einen Panoramablick über die Bucht und die Dächer der Altstadt.

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Wir haben Glück, dass während unseres Besuchs nur eine größere Jacht in der Bucht liegt. Kotor wird nämlich auch von Kreuzfahrtschiffen angesteuert und wird dann für einige Stunden von Touristen überschwemmt. Gut, wir sind zwar auch nur Touristen, haben aber immerhin eine Übernachtung in Kotor gebucht. Und so geht es für uns nun wieder hinab...

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...in die Altstadt mit den von den vielen Besuchern spiegelglatt getretenen Pflastersteinen in den engen Gassen. Inmitten der Altstadt steht die kleine Sankt-Lukas-Kirche aus dem Jahr 1195. Als eines von wenigen Gebäuden überstand die Kirche das letzte große Erdbeben im Jahr 1979 weitgehend unbeschadet.

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Und mit der Abendstimmung in Kotor beenden wir diesen Reisetag und damit auch diesen Teil des Reiseberichts. In den nächsten Tagen folgt der dritte Teil, dann fahren wir nach Sutomore und von dort mit dem Zug nach Belgrad.

Viele Grüße

Tobias

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[image] "Fensterplatz, bitte." - Meine Bahnreiseberichte.de.| instagram.com/fensterplatz.bitte/

Über die Adria in die schwarzen Berge – 2/4 | 48 Bilder

matthias91, Dienstag, 23.06.2020, 20:19 (vor 1402 Tagen) @ TD

Hallo,
eine interessante Reise und sehr schöne Bilder. Welche Fahrkarte ist für die Reise die Beste?
Interrail oder vor Ort kaufen?
Und wo informiert man sich am besten über den Fahrplan?

Vielen Dank!

Fahrkarten und Fahrplan

TD, Dienstag, 23.06.2020, 21:43 (vor 1402 Tagen) @ matthias91

Hallo,
welche Fahrkarten die besten sind, kann ich nicht sagen. Ich kann nur sagen, wie ich es gelöst hatte. Ich hatte das bunt zusammengestückelt:

  • Radolfzell-Chiasso: Super Sparpreis EU der DB
  • Chiasso-Bari: Super Economy der Trenitalia
  • Fähre direkt bei Jadrolinja
  • Fahrten in Montenegro und bis Belgrad: vor Ort
  • Belgrad-Budapest: Flexpreis DB
  • Budapest-Zürich: Sparschiene der MAV (Onlinebuchung und Abholung am Automaten in Budapest)
  • Zürich-Radolfzell: Super Sparpreis EU der DB

Für die Grobplanung nutze ich die Fahrplanauskunft der DB, aber unbedingt dann nochmal auf den jeweiligen Internetseiten der Bahngesellschaften checken. Der Zug Belgrad-Budapest fuhr 20 Minuten früher ab, diese Fahrplanänderung wegen einer Baustelle war nicht weitergemeldet worden. Das wäre nur mit DB-Fahrplan schief gegangen...

Viele Grüße

Tobias

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Danke!

JanZ, HB, Mittwoch, 24.06.2020, 10:46 (vor 1402 Tagen) @ TD

Danke für diesen und auch für den ersten Teil! Auch die Bilder ohne Bahnbezug sehen sehr nett aus. Sicher eine Gegend, in die ich mal überlegen werde zu fahren.

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Im Volk, da ist sie sehr beliebt, unsere Eisenbahn,
Doch dort, wo's keine Schienen gibt, da hält sie selten an.

(EAV: Es fährt kein Zug)

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