Psychologische Wirkung von höheren Geschwindigkeiten? (Allgemeines Forum)

JuliGagarin, Sonntag, 25.08.2019, 12:03 (vor 1729 Tagen)
bearbeitet von JuliGagarin, Sonntag, 25.08.2019, 12:03

Hallo zäme.

In einem Video über die ehemalige Staatsbahn British Rail ist mir etwas aufgefallen.
Der Sprecher weist darauf hin, dass, wenn die Strecke neben motorways verläuft, stets die zulässige Höchstgeschwindigkeit gefahren werden soll. Meiner Meinung nach eine schöne Methode, Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen.

Meine Frage nun: Besteht oder bestand eine ähnlich Weisung in Deutschland/im deutschsprachigen Raum?
„Glücklicherweise“ verlaufen in Deutschland Neubaustrecken häufig direkt an Autobahnen, deswegen hat man wegen des höheren Ausbaustandards per se schon einen Vorteil.

Währenddessen in der Schweiz, besonders im Verlauf der Gotthardbahn von Schwyz bis Rotkreuz, relativ oft „geschlichen“ wird. Auch in den Abschnitten im Wallis oder von Weesen bis Sargans müsste meiner Meinung nach eine höhere Geschwindigkeit möglich sein.

Mir ist bewusst dass mit derartigen Massnahmen höchstens einige Minuten eingespart werden können, welche dann wahrscheinlich im nächsten Taktknoten wieder verbummelt werden.
Der Eindruck der „schnelleren“ Bahn wäre trotzdem da.

Gruess us dr Innerschwiiz!

Beispiel Darmstadt

MC_Hans, 8001376, Sonntag, 25.08.2019, 12:22 (vor 1729 Tagen) @ JuliGagarin

Hallo,

halte ich für durchaus plausibel.

Wie immer von mir ein Beispiel aus Rhein/Main, bitte um Nachsicht; in Darmstadt sind die Straßenbahn- und Busfahrer der Heag angewiesen, im Bereich Luisenplatz - Rhein/Neckarstraße - Berliner Allee auf der baulich getrennten Trasse zwischen den Fahrspuren der Autos spitz die 60 km/h auszufahren. Das sind ein paar hundert Meter mit Halt an mehreren Ampeln, wird aber dennoch so praktiziert, um die Autofahrer "zu überholen".

Es gibt bestimmt noch weitere straßenparallele Abschnitte. Problem dabei am ehesten, dass viele Autofahrer innerorts schon fast 60 km/h fahren.

Psychologische Wirkung von höheren Geschwindigkeiten?

Re 8/12, Winterthur, Sonntag, 25.08.2019, 20:29 (vor 1728 Tagen) @ JuliGagarin
bearbeitet von Re 8/12, Sonntag, 25.08.2019, 20:29

Währenddessen in der Schweiz, besonders im Verlauf der Gotthardbahn von Schwyz bis Rotkreuz, relativ oft „geschlichen“ wird.

Zwischen Schwyz und Rotkreuz ist mir keine Stelle bekannt, wo die Trassierung der Bahn höhere Geschwindigkeiten aus auf der Autobahn zuliesse.

Auch in den Abschnitten im Wallis oder von Weesen bis Sargans müsste meiner Meinung nach eine höhere Geschwindigkeit möglich sein.

Weesen-Sargans ist 140 km/h, meines Wissens wegen dem instabilen Untergrund. Bei Sion-Martigny müssten eigentlich schon 200 drinliegen, wenn man die Kurve bei Ardon noch etwas streckt - ausser es liegen dort ebenfalls noch irgendwelche andere Gründe vor.

Aber wenn auf der Autobahn Stau herrscht, reichen natürlich auch schon 140 oder meinetwegen 80 km/h.

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Psychologische Wirkung von höheren Geschwindigkeiten?

Aphex Twin, Montag, 26.08.2019, 00:29 (vor 1728 Tagen) @ JuliGagarin

Im Limmattal fahren die Züge mit 140 km/h gerade genauso viel schneller als die Autos dass man noch klar genug sieht das sie schneller sind (bei einem Tempolimit von 120 km/h auf der Autobahn wird nur sehr selten schneller als Tacho-140-km/h gefahren, und letzteres ist immer noch ein klein wenig langsamer als tatsächliches 140 km/h).

Psychologische Wirkung von höheren Geschwindigkeiten?

Chrispy, Montag, 26.08.2019, 16:16 (vor 1728 Tagen) @ JuliGagarin

Der Sprecher weist darauf hin, dass, wenn die Strecke neben motorways verläuft, stets die zulässige Höchstgeschwindigkeit gefahren werden soll. Meiner Meinung nach eine schöne Methode, Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen.

Ich zweifle daran, dass dieser Effekt sehr gross ist:

1. Nicht jeder, der mit dem Auto unterwegs ist, hat eine gute/schnelle ÖV Anbindung von Tür zu Tür.
2. Höhere v_max heisst nicht unbedingt, dass man schneller am Ziel ist. Das wissen auch die Autofahrer.
3. Wenn man erst einmal ein Auto besitzt, benützt man es auch und Benzin ist noch viel zu billig.
4. Das Auto ist für viele ein Lebensgefühl. Man hat Privatsphäre, ist ungebunden und hat das Gefühl der Kontrolle.

Was die Bahnen jedoch tun können ist: Kürzere Fahrzeiten von Tür zu Tür, mehr Komfort, tiefere Preise, dichtes Netz und hohe Zuverlässigkeit anbieten. Das sind meines Erachtens die wichtigeren Faktoren als v_max. Das Geld ist zu knapp um in Kosmetik zu investieren.

Währenddessen in der Schweiz, besonders im Verlauf der Gotthardbahn von Schwyz bis Rotkreuz, relativ oft „geschlichen“ wird.

Da müsste man einige Kurven begradigen oder vielleicht gleich eine neue Doppelspur parallel dazu bauen, denn mit einer v_max 160+ auf diesem abschnitt, vernichtet man wertvolle Güterzugtrassen. Die neue Strecke müsste man dann wohl teilweise in den Berg verlegt werden, womit dann die Sicht von der Autobahn nicht mehr so gut sein düfte. Das kostet dann auch locker ein paar Milliarden für ein Gefühl höherer Geschwindigkeit.

Auch in den Abschnitten im Wallis ...

Da ist man ja in der Regel schon Schneller als das Auto. Abschnittweise 200 km/h war da zumindest einmal geplant, da es auch Fahrplantechnisch einen Mehrwert gibt.

... oder von Weesen bis Sargans müsste meiner Meinung nach eine höhere Geschwindigkeit möglich sein.

Auch da würden dann grosse Teile der Strecke im Tunnel verschwinden.

Mir ist bewusst dass mit derartigen Massnahmen höchstens einige Minuten eingespart werden können, welche dann wahrscheinlich im nächsten Taktknoten wieder verbummelt werden.
Der Eindruck der „schnelleren“ Bahn wäre trotzdem da.

Wollen wir uns solche kosmetische Massnahmen leisten? Oder wollen wir mit den knappen Mitteln nicht doch lieber ein paar NBSen und ABSen dort (aus)bauen wo sie auch sinnvoll sind? Z.B. zwischen den Zentren Zürich - Winterthur oder Bern - Lausanne... So wie sie auch geplant sind.

Gute Werbung anstatt Faktenargumente!

bendo, Dienstag, 27.08.2019, 14:18 (vor 1727 Tagen) @ Chrispy

Der Sprecher weist darauf hin, dass, wenn die Strecke neben motorways verläuft, stets die zulässige Höchstgeschwindigkeit gefahren werden soll. Meiner Meinung nach eine schöne Methode, Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen.


Ich zweifle daran, dass dieser Effekt sehr gross ist:

1. Nicht jeder, der mit dem Auto unterwegs ist, hat eine gute/schnelle ÖV Anbindung von Tür zu Tür.
2. Höhere v_max heisst nicht unbedingt, dass man schneller am Ziel ist. Das wissen auch die Autofahrer.
3. Wenn man erst einmal ein Auto besitzt, benützt man es auch und Benzin ist noch viel zu billig.
4. Das Auto ist für viele ein Lebensgefühl. Man hat Privatsphäre, ist ungebunden und hat das Gefühl der Kontrolle.

Hallo,
Du führst hier vier Faktenargumente, die für den PkW sprechen, ein. Parallel zu Straßen die Bahn Höchstgeschwindigkeit fahren zu lassen entkräftet diese Argumente sicher nicht. Allerdings ist es "Werbung": Und Werbung fußt v.a. auf "Emotion". Daher könnte es einen Effekt ausmachen...

Was die Bahnen jedoch tun können ist: Kürzere Fahrzeiten von Tür zu Tür, mehr Komfort, tiefere Preise, dichtes Netz und hohe Zuverlässigkeit anbieten. Das sind meines Erachtens die wichtigeren Faktoren als v_max.

Klingt nach der "Eierlegendenwollmilchsau". Insbesondere Dein erster Wunsch, kürzere Tür-zu-Tür-Verbindungen können erreicht werden, jedoch nur schwer wenn diese Zeiten kleiner sein sollen als dieselbe Distanz per Pkw zurückzulegen. Insbesondere in der Fläche ist die Bahn/der ÖPNV strukturell sehr stark im Nachteil (weil einfach nicht von jeder Haustür an jede weitere eine Verbindung, natürlich umsteigefrei ;), geschaffen werden kann. Das Problem ist und bleibt "die letzte Meile" von/bis zur Haustüre. Die Bequemlichkeit eines großen Menschenanteils plus Deine oben aufgeführten vier Argumente führen dazu, dass Du auch mit guten Verbindungen keine nennenswerten Verschiebungen vom PkW gänzlich zum ÖPNV/FV erreichen wirst. Das akzeptiert, empfehle ich diesen großen Menschenanteilen "ihren PkW" zu lassen, dafür aber attraktive überregionale Verbindungen zu schaffen, denen gegenüber der PkW chancenlos ist. Dazu gehören auch optimale Verknüpfungen, d.h. gut erreichbare "Bahnzentren" mit ausreichend Parkmöglichkeiten. Dann hätte man für den Bus und Nahverkehr zwar wenig gewonnen. Aber die die ganzen, größeren Fahrstrecken, die bisher auch mit PkW zurück gelegt werden, die könnte man abfischen!

Gruß, bendo

Gute Werbung anstatt Faktenargumente!

Chrispy, Dienstag, 27.08.2019, 22:07 (vor 1726 Tagen) @ bendo
bearbeitet von Chrispy, Dienstag, 27.08.2019, 22:07

Du führst hier vier Faktenargumente, die für den PkW sprechen, ein. Parallel zu Straßen die Bahn Höchstgeschwindigkeit fahren zu lassen entkräftet diese Argumente sicher nicht. Allerdings ist es "Werbung": Und Werbung fußt v.a. auf "Emotion". Daher könnte es einen Effekt ausmachen...

Meine Punkte grenzen lediglich die Zielgruppe für diese sauteure Werbung ein. Ich bestreite ja nicht, dass es einen Effekt auf eine kleine Gruppe von Autofahrern haben wird.

Aber ok, ich gehe mal auf dein Argument ein, zum Beispiel: Roger Normalschweizer aus Hinterfutzigen sieht während der Fahrt auf der Autobahn den schnellen Zug an sich vorbeisausen. Er beschliesst am Tag darauf die Bahn zu nehmen. Bei der Ankunft schaut er aber auf die Uhr und sieht, dass die Reise 30 min länger gedauert hat als mit dem Auto. Und schon ist's aus mit dem Werbeeffekt, nach nur einer Fahrt.

Klingt nach der "Eierlegendenwollmilchsau". Insbesondere Dein erster Wunsch, kürzere Tür-zu-Tür-Verbindungen können erreicht werden, jedoch nur schwer wenn diese Zeiten kleiner sein sollen als dieselbe Distanz per Pkw zurückzulegen. Insbesondere in der Fläche ist die Bahn/der ÖPNV strukturell sehr stark im Nachteil (weil einfach nicht von jeder Haustür an jede weitere eine Verbindung, natürlich umsteigefrei ;), geschaffen werden kann.

Wo steht da, dass alle Bedingungen stets für jedermann erfüllt sein müssen. Aber es ist fakt, dass diese Faktoren bei der Wahl des Transportmittels eine grosse Rolle spielen. Emotionen hin oder her, irgendwann kommt man immer auf den Boden der Tatsache zurück, sprich zu dem, was wirklich zählt. Und ja, ich wette meine Eier, dass die von mir genannten Punkte wichtiger sind als lediglich höhere v_max entlang eines kurzen Autobahnabschnitts. Wenn wir es schon von Werbeeffekten haben: Stell dir vor du suchst auf Google Maps nach der schnellsten Verbindung von Tür A nach Tür B und die Bahn steht da an oberster Stelle.

Das Problem ist und bleibt "die letzte Meile" von/bis zur Haustüre. Die Bequemlichkeit eines großen Menschenanteils plus Deine oben aufgeführten vier Argumente führen dazu, dass Du auch mit guten Verbindungen keine nennenswerten Verschiebungen vom PkW gänzlich zum ÖPNV/FV erreichen wirst.

Bequemlichkeit ist nicht der einzige Faktor. Aber neue Technologie ermöglicht auch da vieles. Zum Beispiel lassen sich die letzten Kilometer mit Elektrorollern oder in Zukunft vielleicht mit dem selbstfahrenden Taxi zurücklegen.

Das akzeptiert, empfehle ich diesen großen Menschenanteilen "ihren PkW" zu lassen, dafür aber attraktive überregionale Verbindungen zu schaffen, denen gegenüber der PkW chancenlos ist. Dazu gehören auch optimale Verknüpfungen, d.h. gut erreichbare "Bahnzentren" mit ausreichend Parkmöglichkeiten.

Das problem ist halt, dass die Strasse sehr wenig Kapazität aufweist. Vorallem wenn man die Baukosten und den Platzverbrauch einrechnet. Auch dazu ein Beispiel: Auf der 6 spurigen Autobahn zwischen Schönbühl und Bern werden in der Rush-Hour gleichviele Leute befördert wie auf der 2 Spurigen Schmalspuhrstrecke zwischen Worblaufen und Bern. Der PkW ist eines der ineffizientesten Verkehrsmittel die es gibt. Sieht man daran dass beim Ausbau einer Autobahn von 4 auf 6 spuren die Kapazität nicht um 50%, sondern lediglich um 25% erhöht wird. Die frage ist, ob man sich diese Ineffizienz noch leisten kann.

Psychologische Wirkung von höheren Geschwindigkeiten?

JuliGagarin, Montag, 26.08.2019, 17:08 (vor 1728 Tagen) @ JuliGagarin

Vielen Dank Euch allen für die ausführlichen Antworten.
Ihr habt natürlich Recht mit den Hinweisen auf die schwierige Trassierung der Gotthardbahn.
Klar ist auch dass das Fahrgastpotential in der Innerschweiz (Uri, Talkessel Schwyz) nicht besonders gross ist.

Allerdings darf man sich über das Schwyzer FABI-Nein nicht wundern, wenn man bedenkt dass alle grösseren Zentren (Luzern/Basel und Zug/Zürich) mit dem Auto schneller erreicht sind als mit der Bahn. Hier bleibt nur zu hoffen dass der ZBT und der Luzerner Durchgangsbahnhof etwas Abhilfe schaffen.

Ich weiss, alles schamloser Lokalpatriotismus, was ich mir hier als Einheimischer herbeiwünsche.
Aber man wird ja noch träumen dürfen...

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