Umherfliegende Gepäckstücke, Haftungsrelevanz (Allgemeines Forum)

Zugfahrer, Sonntag, 17.06.2018, 20:03 (vor 2142 Tagen)

Eine Dienstreise von Dresden Hbf. nach Berlin Hbf. tief, im EC legte ich im vollbesetzten Abteil zurück.

Während einer Zwangsbremsung vor Elsterwerda flog ein selbstgebasteltes Gepäckstück, bestehend aus einer Krücke, einem alten Kinderbuggy und einem uralten Lederkoffer aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, aus der Gepäckablage und landete krachend im Gesicht des mir gegenüber sitzenden Fahrgastes. Dieser wischte sich das Blut aus dem aufgeplatzten Gesicht und stöhnte vor Schmerz. Das ältere Paar, denen das selbstgebastelte Gepäckstück gehörte, meinte bloß: "Das ist ja nicht schlimm, ist bloß runtergefallen. Das passiert manchmal." Der ältere Mann verstaute ächzend das selbstgebastelte Gepäckstück wieder in die Gepäckablage, wo es dann auch verblieb. Der getroffene Fahrgast versorgte seine Wunden mit Tempotaschentüchern.

In Berlin-Südkreuz wuchtete eine schmächtige Dame einen gewaltigen Rollerkoffer aus der Gepäckablage, verlor die Kontrolle über den den schweren Gegenstand, welcher mit lautem Knall auf den Knieen einer Mitreisenden landete. "Ist nicht schlimm, der Koffer war halt zu schwer", lächelte die schmächtige Dame und stieg aus. In Berlin Hbf. humpelte die vom gewaltigen Rollerkoffer getroffene Mitreisende aus dem Abteil. Der Mann, dessen Blut im Gesicht inzwischen getrocknet war, stieg in Berlin Hbf. ebenfalls aus.

Meine Frage dazu: "Wer haftet für Schäden, die Reisende durch herunterfallendes Gepäck verursachen?

Der jeweilige Reisende haftet.

geko, München, Sonntag, 17.06.2018, 20:19 (vor 2142 Tagen) @ Zugfahrer

- kein Text -

Derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält...

Breisgau-S-Bahn, Freiburg/Gera, Sonntag, 17.06.2018, 20:21 (vor 2142 Tagen) @ Zugfahrer

"Derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, hat die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen (Sicherungsmaßnahmen) zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern."
Dieser von vielen Rechtsstudenten auswendig gelernte Spruch passt auch auf den gegebenen Sachverhalt wie der Koffer aufs Auge...

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Umherfliegende Gepäckstücke, Haftungsrelevanz

Robert Weemeyer, Hannover, Sonntag, 17.06.2018, 21:13 (vor 2142 Tagen) @ Zugfahrer

Das Eisenbahnunternehmen (Paragraf 1 Absatz 1 des Haftpflichtgesetzes).

Umherfliegende Gepäckstücke, Haftungsrelevanz

Breisgau-S-Bahn, Freiburg/Gera, Sonntag, 17.06.2018, 21:48 (vor 2142 Tagen) @ Robert Weemeyer

Ich glaube nicht, dass die Dusseligkeit von Fahrgästen zu einer Haftung des EVU führt. Der von dir zitierte Paragraph gilt für betriebsbedingt herbeigeführte Schäden, also wenn eine betriebsbedingte Handlung zum Schadenseintritt geführt hat. Das mag ich mir bei einer Notbremsung, die zu einem herabstürzenden Gepäckstück führt noch vorstellen können. Aber der zweite im Ursprungsbeitrag aufgeführte Sachverhalt ist nicht kausal durch den Betrieb einer Schienenbahn herbeigeführt worden sondern hat sich nur zufällig in einer solchen ereignet.
Der zitierte Paragraph gilt sicher für jene Fälle, in denen zum Beispiel jemand durch Einwirkung einer Schienenbahn direkt geschädigt wird.

Ich lasse mich von einem Juristen jedoch gerne vom Gegenteil überzeugen :)

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Umherfliegende Gepäckstücke, Haftungsrelevanz

sibiminus, Sonntag, 17.06.2018, 23:04 (vor 2142 Tagen) @ Breisgau-S-Bahn

Ich glaube nicht, dass die Dusseligkeit von Fahrgästen zu einer Haftung des EVU führt.

Denkanstoß: Wäre die Zwangsbremsung nicht passiert, wäre das Gepäckstück vielleicht nicht heruntergefallen. Andererseits wäre ein richtiger Koffer, nichts selbst gebasteltes, vielleicht nicht heruntergefallen?

Ich weiß es nicht. Möglich könnte aber beides sein.

Umherfliegende Gepäckstücke, Haftungsrelevanz

Manitou, Montag, 18.06.2018, 00:58 (vor 2142 Tagen) @ sibiminus

Vom Anscheinsbeweis her liegt die Haftung beim Be- und Entladen beim Fahrgast, bei Ereignissen während der Fahrt(Notbremsung, schnelle Weichendurchfahrt beim EVU).
Läßt ein Fahrgast den Koffer fallen, weil es eine Stoß (hartes Ansetzen eines Kurswagens) gibt, haftet das EVU.
Das von einem selbst gebauten Gepäckstück eine höhere Gefahr, als von einem gewöhnlichen Koffer ausgeht (unsichere Lage) müßte das EVU nachweisen.

Spannendes Thema für viele juristische Arbeiten?

Bahngenießer, Sonntag, 17.06.2018, 21:23 (vor 2142 Tagen) @ Zugfahrer
bearbeitet von Bahngenießer, Sonntag, 17.06.2018, 21:27

Über das Thema könnte man sich herrlich juristisch auslassen.

Voraussetzung für eine Haftung des handelnden Inhaber des Gepäckstückes ist sicher auch das Vorlegen eines Verschuldens. Da könnte man sich z. B. fragen:
1) Inwieweit darf ein instabiles bzw. ungleichmäßig gepacktes Gepäckstück in die Ablage gelegt werden?
2) Inwieweit darf ein Gepäckstück über die Gepäckablage hinausragen?
3) In welchen Fällen muss man beim Verstauen oder Herausheben eines Gepäckstücks die darunter sitzenden Reisenden bitten, ihren Platz aus Sicherheitsgründen kurz zu verlassen?
4) ...

Vom Verkehrsunternehmen kann ich allerdings zumindest erwarten, dass ein normal gepacktes Gepäckstück, welches nicht über die Gepäckablage hinausragt, nicht aus dieser herausfallen kann.

Außerdem kann ich vom Bahnpersonal erwarten, dass dieses in zumutbarer Weise und in zumutbaren Abständen auch auf Sicherheitsgefahren achtet und sich um Abstellung bemüht. Dazu gehören vermutlich auch wackelig oder instabil aussehende Gepäckstücke in den Ablagen. Andernfalls könnte sich das Eisenbahnverkehrsunternehmen evtl. nicht entlasten, wenn es zwecks Haftung (als Zustandsstörer) in Anspruch genommen werden soll.

Potentielle Haftungspartner EVU und anderer Reisender!

Bahngenießer, Sonntag, 17.06.2018, 21:45 (vor 2142 Tagen) @ Zugfahrer
bearbeitet von Bahngenießer, Sonntag, 17.06.2018, 21:50

Als Haftender kommen grundsätzlich beide in Betracht:

1) Der verursachende andere Reisende
und
2) das Eisenbahnverkehrsunternehmen

Zu 1)
Der Reisende kann zum Beispiel der Haftung entgehen, wenn er nicht mindestens fahrlässig gehandelt hat.

Zu 2)
Das Eisenbahnverkehrsunternehmen kann möglicherweise der Haftung entgehen, wenn es alles Zumutbare unternommen hat, um solche Sicherheitsgefahren im Zug zu vermeiden, und das Haftpflichtgesetz nicht greift. Darüber hinaus kommt jedoch vielleicht Kulanz in Betracht.

Haftpflichtversicherung?

ktmb, Sonntag, 17.06.2018, 21:55 (vor 2142 Tagen) @ Bahngenießer

Übernimmt eine solche Versicherung im Falle eines Schadens?

Haftpflichtversicherung?

wachtberghöhle, Sonntag, 17.06.2018, 22:04 (vor 2142 Tagen) @ ktmb

Übernimmt eine solche Versicherung im Falle eines Schadens?

Genau für diese Fälle ist die Haftpflichtversicherung da.

Haftpflichtversicherung?

611 040, Erfurt, Sonntag, 17.06.2018, 22:15 (vor 2142 Tagen) @ wachtberghöhle

Aber glaub ich nicht wenn man fahrlässig oder vorsätzlich handelt. Ob den Koffer fallen lassen schon fahrlässig ist, müssen dann Juristen klären.

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❤ 611, 612, 642, 644, 425, ICE-T, IC1 ❤

Haftpflichtversicherung?

Frecciarossa, Sonntag, 17.06.2018, 22:23 (vor 2142 Tagen) @ 611 040

Aber glaub ich nicht wenn man fahrlässig oder vorsätzlich handelt. Ob den Koffer fallen lassen schon fahrlässig ist, müssen dann Juristen klären.

Natürlich bei Fahrlässigkeit. Sonst müsste die Versicherung ja nie zahlen.

Wenn Haftungsfall vorliegt!

Bahngenießer, Sonntag, 17.06.2018, 22:40 (vor 2142 Tagen) @ ktmb

Übernimmt eine solche Versicherung im Falle eines Schadens?

Natürlich! Sofern ein Haftungsfall vorliegt!

Ein Fall für die Haftpflichtversicherung des Verursachers könnte vorliegen, wenn der Reisende den Schadensfall fahrlässig herbeigeführt hat beziehungsweise gegen Gesetze, Beförderungsbedingungen o. ä. verstoßen hat.

(Bei Vorsatz schließen die Versicherungsunternehmen erfahrungsgemäß eine Übernahme aus.)

Prävention?

arno50, Montag, 18.06.2018, 07:45 (vor 2142 Tagen) @ Zugfahrer

Nachdem mir auch mal ein Gegenstand aus der Gepäckablage auf meinen geöffneten Laptop geknallt ist überlege ich mir was als Prävention. Z.B. Auffordern zur Vorsicht, Platz vorher freimachen, auf jeden Fall Laptop schliessen etc oder ähnliches. Ich jedenfalls habe keine Lust Diskussion/Schriftverkehr/Zeitvergeudung wg. eingetretenen Schaden aufzuwenden. mfg

Prävention?

kllaas, Montag, 18.06.2018, 09:29 (vor 2141 Tagen) @ arno50

Hallo,

Mir ist die Prävention auch wichtiger.
Ich mache Reisende besonders im ICE darauf aufmerksam, dass sie nicht Ihr Gepäckstück auf die Halter der Gepäckablage legen sollen, sondern daneben. Da bekomme ich erst mal viel Unverständnis mit, weil Reisende auch nicht sehen, dass eine Gepäckablage auch befestigt sein muss.

In anderen Baureihen sind die Halter besser zu sehen, und das Problem stellt sich weniger.

Kristian

Das Verhalten der Fahrgäste

worfie, Montag, 18.06.2018, 10:30 (vor 2141 Tagen) @ Zugfahrer

Mal völlig losgelöst von der Haftungsfrage, auf die ja bereits eingegangen wurde:
Das hier gezeigte Verhalten der Gepäckeigentümer ist ja eine Frechheit ohne Gleichen.
Anstatt um Verzeihung zu bitten und sich aktiv zu bemühen, den entstandenen Schaden zu begrenzen, so etwas wie "Ist ja nicht schlimm, passiert schon mal." zu entgegnen macht vermutlich auch nur die gleiche Zielgruppe, die bei KFZ-Unfällen dann mit den gleichen Gründen ("War ja nur ein Kratzer, passiert schon mal", "Ach, der hat sich ja noch bewegt. Wird ja nichts Schlimmes sein") wegen Fahrerflucht gesucht werden.

zum Glück sind ja eh immer nur die anderen Schuld..

Henrik, Montag, 18.06.2018, 17:06 (vor 2141 Tagen) @ worfie

- kein Text -

Umherfliegende Gepäckstücke, Haftungsrelevanz

idle2, BDK, DN, BHDF, Montag, 18.06.2018, 13:03 (vor 2141 Tagen) @ Zugfahrer

Was ich absolut nicht nachvollziehen kann: Warum lässt man solch individuen gewären und einfach so davonkommen? Damit sie nicht daraus lernen? Oder wollte man nur nicht anecken?

--
Das Licht am Ende des Tunnels könnte auch ein Zug sein.

GEIL GEIL GEIL GEIL!

Blaschke, Montag, 18.06.2018, 19:52 (vor 2141 Tagen) @ Zugfahrer
bearbeitet von Blaschke, Montag, 18.06.2018, 19:54

Huhu.

Also im konkreten Fall wird es an den lebensgefährlichen ausländischen Wagen gelegen haben. Drüben bei DS-O wäre einer mal fast gestorben deswegen.

Ansonsten kann es nur eine einzige Lösung geben. Nach dem Boarding nach jedem Halt geht der Lokführer durch den gesamten Zug. Es gibt nur noch abzuschließende geschlossene Gepäckablagen. Der Lokführer versiegelt diese beim Durchgehen. Eine widerrechtliche Öffnung wird zu einer Bremsung führen. Erst wenn alle Gepäckablagen verriegelt sind, kann abgefahren werden. Am Platz ist nur ausnahmsweise kleinstes Gepäck erlaubt. Wobei das dem Reisenden nur gestattet wird, wenn er den Nachweis einer höchstens 9 Monate zurückliegenden Schulung über den Umgang mit Gepäck vorlegen kann.

Ist die Sicherheit gewährleistet, kann abgefahren werden.

Beim Aussteigen darf das Gepäck erst ausgehändigt werden, wenn der Zug steht.


Schöne Grüße von jörg


Ach ja, da das Verfahren etwas zeitaufwendig ist, wird das in S-Bahnen nicht angewandt. Dort ist daher jegliches Begleitgepäck verboten.

GEIL GEIL GEIL GEIL!

mrhuss, FKON, Montag, 18.06.2018, 20:00 (vor 2141 Tagen) @ Blaschke

Es gibt nur noch abzuschließende geschlossene Gepäckablagen. Der Lokführer versiegelt diese beim Durchgehen. Eine widerrechtliche Öffnung wird zu einer Bremsung führen.

Der Kracher wäre dann, wenn durch eine auf die Art ausgelöste Schnellbremsung ein widerrechtlicherweise doch nicht gesichert verstautes Gepäckstück in Bewegung gerät (oder vielmehr sich durch seine eigene Trägheit weiterbewegt, während der Zug bremst) und deshalb überhaupt erst einem Unglücklichen auf die Birne fällt. ;)

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