Essen HBF Eröffnung am 21.12.09 (und Kritik) (Allgemeines Forum)
Meldungen aus der WAZ zum Umbau und Fertigstellung der HBF in Essen
Der erste Eindruck: Auch die Bahn sei damit nicht glücklich, lautet die offizielle Sprachregelung. Hinter den Kulissen dürften bald Juristen die Hauptrollen spielen.
Was den Bahnhof angeht - kritische Stimmen meinen, für die Bahn sei der Zug damit bereits abgefahren. Wie heißt es doch so schön: Der erste Eindruck zählt.
Hinein in den Bahnhof geht es künftig durch gläserne Schiebetüren, vier sind’s an der Nordseite, zwei im Süden. Ob das nicht ein Gedränge gibt? Die Bahn sagt: „nein“.
Gradlinig hinter Glas
In der Halle fügt sich Geschäft an Geschäft, zu beiden Seiten gradlinig hinter einer Glasfassade, in die sich auch die vier Aufzüge zu den Bahnsteigen einfügen - so dezent, dass sie noch „optisch hervorgehoben“ werden.
Die nackte Verkaufsfläche summiert sich künftig auf 5700 Quadratmeter, 1100 Quadratmeter davon nimmt der Supermarkt in der ehemaligen Gepäckaufbewahrung ein. 5100 Quadratmeter misst die übrige begehbare Fläche - so viel wie vor dem Umbau. Der Eindruck von Raum und Tiefe setzt sich aber fort bis auf den Bahnhofsvorplatz am Nordausgang, dafür sorgen die Lämpchen unter der hellen Decke.
Zugang bleibt ein Provisorium
Wüst sieht es jenseits der Türschwelle am Südausgang aus. So viel steht fest: Der Zugang bleibt auch nach der Eröffnung der Bahnhofshalle ein Provisorium. Einen Nachspann wird’s also geben. Das gilt auch für den Osttunnel und damit für den Aufzug zu Gleis 21/22. Bis April dürfte an dem schmalen Durchgang noch gearbeitet werden, heißt es. Denn der Tunnel wird erst gesperrt, wenn die Halle fertig ist.
Unabwischbare Flecken, hässliche Flicken und Pfützen auf dem neuen Asphalt der Bahnsteige; Mini-Treppen in die höhlenartig wirkende Bahnhofshalle.
„Man speist uns hier billig ab. Das wurde hier nur zusammengehauen”, reagiert Jurist Axel Wiesener vom Stadtkultur-Arbeitskreises „Essen 2010” bei einer Begehung der renovierten Bahnsteige entsetzt. Dagegen habe die Bahn in anderen Städten Bahnhöfe mit hochwertigen Materialien gebaut. „Für die Folkwangstadt Essen ist das hier alles popelig”, schimpft Architekt Prof. Werner Ruhnau.
"Mickrig und billig"
„Es sieht einfach nur mickrig und billig aus”, meint Planungsausschuss-Vorsitzender Gerd Mahler (SPD). „Dies ist nicht der große Wurf, sondern nur ein Kaufhaus mit Gleisanschluss ohne ausreichenden Raum für die Wege der Fahrgäste”, kritisiert der stellv. Bürgermeister Rolf Fliß (Grüne) die Erweiterung der Ladenflächen auf 5500 Quadratmeter im ohnehin engen Bahnhof.
Dies wird konkret kritisiert: Bodenbelag: Während alle Bahnsteige in der Nachkriegszeit noch gepflastert wurden, hat die Bahn nun Billig-Asphalt verwendet. Schon jetzt sieht dieser Asphalt erneuerungsbedürtig aus: Eingebrannte Flecken durch verschüttete Getränke sowie viele Flicken und angesetzte Ränder, etwa durch später verlegte Kabel. Da Asphalt relativ weich ist, zeigen sich Gerüst-abdrücke und Kuhlen, in denen sich Regenpfützen bilden.
Eingänge: Die Zugänge von den Bahnsteigen in die Bahnhofshalle wurden mit Rolltreppen versehen, aber nicht verbreitert. So sind einige Treppen so eng wie in Privathäusern - heikel beim Andrang von täglich 150 000 Pendlern.
Farbanstrich: Decken und Stützen der Bahnsteigüberdachung wurden nur mit „einfallslosem” (Fliß) Grau überstrichen. Andere bedauern, dass statt der Betondächer nicht lichtdurchlässige Solaranlagen installiert wurden.
Beleuchtung: Die Seitenwände der Treppen von den Bahnsteigen in die Bahnhofshalle sind nicht mehr offen, sondern durch Betonwände verschlossen worden, um daneben in der Halle Läden zu platzieren. Dadurch fällt kaum natürliches Licht in die Halle. Kaum Schutz vor Regen
Regenschutz: Die von den Dächern der Bahnsteige hängenden Seitenschürzen aus Glas sind durch Schürzen aus Blech ersetzt worden. Diese sind aber um zwei Drittel kürzer. Dadurch sind die Wartenden auf den Bahnsteigen vor Regen nahezu ungeschützt.
Westtunnel: Die Reisenden können weiter nicht auf kurzem Weg vom Fern-Bahnsteig 1/2 zu den Bushaltestellen gelangen, da der Westtunnel auch bei diesem Umbau nicht bis zu Gleis 1/2, bis zur Hachestraße, durchgestochen wird.
Guss-Asphalt mit Mängeln
Die Bahn AG wehrt sich gegen die massive Kritik an der Renovierung des Hauptbahnhofs, gibt aber Mängel bei der Asphalt-Bauausführung zu.
Zur Verwendung von Asphalt schreibt Projektleiterin Linßen: „Im Vordergrund bei der Planungsüberlegung des Belages mit Asphalt statt mit Betonwerkstein stand keine kostenmäßige Entscheidung. Die Entscheidung zur Verlegung des Asphaltbelages wurde auf Grund der vorgefundenen Bestandshöhen gewählt. Das vorgefundene Gefälle auf den Bahnsteigen entsprach nicht geltenden Vorschriften.”
Zur Kuhlen-/Pfützenbildung auf den Bahnsteigen: „In einigen Bereichen wurde in der Bauausführung die DIN-Maßtoleranz bei der Verlegung von Gußasphalt überschritten und wird noch nachgebessert. In weiten Bereichen ist der Belag aber in Ordnung.”
Zu den kürzeren Blech- statt längeren Glasschürzen: „Glas an dieser Stelle eines Bahnhofsdaches ist nicht empfehlenswert. Auf Grund der Nähe zu Oberleitungen ist eine Reinigung von Glas nur mit Einstellung des Zugverkehrs während dieser Zeit möglich. Die Abmessungen der neuen Schürzen sind nach europäischen Normen für die Bahn dimensioniert (TSI-Transeuropäische Spezifikation).”
Zur Farbe Grau: „Das Dachtragwerk ist mit DB 703 (einer speziellen Bahnfarbe) nach CI-Vorgaben gestrichen.” Zum Westtunnel: „Der Durchstich zur Hachestraße ist wegen einer vermieteten Fläche derzeit nicht möglich.”