Vor dem Umbau: Ulm Hbf (40 Bilder), Teil 1 (Reiseberichte)
Moin!
Die Hauptbahnhofsportraits im Oktober führen uns nach Baden-Württemberg. Hier gibt es vier Hauptbahnhöfe mit Empfangsgebäuden aus den 1950ern. Im November dann sind wir ohne Herbstnebel an der Küste unterwegs.
Am 31. Juli hatte mir die DB in Ulm freundlicherweise einen Anschlußverlust beschert, so daß ich Zeit für ein Bahnhofsportrait hatte. Ich hatte sogar gehofft, daß der Fünfminutenanschluß nicht klappt, das aber bleibt bitte unter uns. ;-)
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Ulm liegt an der europäischen Magistrale von Paris über Plochingen und Prien nach Pöchlarn und Preßburg (der Stadt landessprachlicher Name Bratislava ist aus allitteratorischen Gründen unpassend). Entsprechend international sind die Ziele, die man umsteigefrei erreichen kann. Fernverkehrszüge erreichen vier Ausländer: Die Niederlande, Frankreich, Österreich und Ungarn. Vertaktete innerdeutsche Fernzüge kommen aus Berlin, aus Dortmund, aus Karlsruhe sowie in der anderen Richtung aus München und Salzburg.
Regionalverkehr besteht in alle Richtungen und zumeist öfter als einmal die Stunde. Auf der Donautalbahn über Donauwörth und Ingolstadt nach Regensburg fährt Agilis mit seinen Alstomtriebwagen. Dieselbe Baureihe 440 kommt von München über Augsburg, aber in verkehrsrot. Das ist auch die Farbe der übrigen Richtungen. Eingesetzt werden Diesel- und Elloks, Diesel- und Elektrotriebwagen. Gemäß der Übersicht in der Drehscheibe 245 verteilen sich die Fahrzeuge wie folgt (Angaben ohne Gewähr).
Richtung Stuttgart: 143, 146, 218, 425 und 426.
Richtung Aalen: 218, 611, 628 und 650.
Richtung Augsburg: 440 und 642.
Richtung Memmingen: 218, 612, 628, 642.
Richtung Friedrichshafen: 218, 611, 628, 650.
Richtung Sigmaringen: 218, 611, 628, 650.
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Im Jahr 1850 erreichte die Eisenbahn aus Stuttgart die Donaustadt mit Münster. Hierzu mußte mit auf der Geislinger Steige die Alb überquert werden, daher gilt diese Strecke als Europas erste Mittelgebirgsbahn. Seit 1862 besteht zweigleisiger und seit 1933 elektrischer Betrieb.
Im Jahr 1854 folgte die durch eine bayrische Bahngesellschaft errichtete Bahnstrecke über Neu-Ulm gleich jenseits der Donau nach Augsburg. Auch diese zweigleisige Strecke ist seit 1933 elektrifiziert. In Neu-Ulm zweigt südlich die Bahnstrecke über Memmingen nach Kempten ab. Diese verläuft entlang der Iller und wurde 1862/63 eröffnet. Sie ist nicht elektrifiziert.
Die drei anderen Ulm verlassenden Bahnstrecken sind nicht elektrifiziert. Die württembergische Südbahn über Biberach, Aulendorf und Ravensburg nach Friedrichshafen wurde zwischen 1847 und 1850 vom See her etappenweise eröffnet. Sie ist heute zweigleisig und zur Elektrifizierung vorgesehen.
International gestaltete sich der Bau der Bahnstrecke donauaufwärts, mit Württemberg, Baden und Hohenzollern waren die Interessen dreier Staaten zu vereinen. 1868 folgte der erste Abschnitt bis Blaubeuren, 1870 wurde der württembergische Grenzbahnhof Scheer erreicht. Erst 1873 folgten die fehlenden Meter ins hohenzollerische Sigmaringen, neben einem Krieg war die schwierige Topographie schuld. In Sigmaringen wechselt die Streckennummer, die dortige Geschichte lasse ich weg und müßte daher korrekterweise auch Baden aus dem Text entfernen.
Anfang Januar 1876 wurde als letzter Abschnitt der Brenzbahn nach Aalen der Südabschnitt von Ulm bis Langenau eröffnet. Der nördliche Abschnitt wurde in drei Etappen 1864 und 1875 eingeweiht. Württemberg hätte diese Strecke sicher gerne eher eröffnet, Bayern (durch das sie auf einigen Kilometern führt) sträubte sich dagegen, da die Schienenverbindung von Nördlingen an den Bodensee durchs württembergische Ausland kürzer ist als die einheimische Strecke. So kam es zur Brenzbahnklausel, derzufolge ein Schienenweg zwischen der Bahnstrecke Stuttgart - Nördlingen und der Strecke Stuttgart - Ulm erst zwölf Jahre nach Inbetriebnahme der ersteren gestattet war.
Das Ulmer Empfangsgebäude ist ein Neubau der Nachkriegszeit, es wurde 1954 eingeweiht (aber erst knapp zehn Jahre war es völlig fertig). Schon bei der Eröffnung wurde es kritisiert: Der erste Vorsitzende des Verkehrsvereins Ulm/Neu-Ulm, Carl Ebner, nannte das neue Bahnhofsgebäude Ulms „bisher größtes Eisenbahnunglück“ und brachte damit auch die Meinung vieler Ulmer Bürger zum Ausdruck, die den Anblick eines solch modernen Gebäudes offensichtlich nicht gewohnt waren.[1] Im Rahmen der erwähnten Magistrale von Paris nach Preßburg soll der Ulmer Hauptbahnhof (er liegt übrigens am Westrand der Innenstadt) umgebaut werden. Dann wird wohl auch das Empfangsgebäude weichen müssen. Feitenhansl spricht ihm aufgrund mehrerer Umbauten die Denkmalwürdigkeit ab, auch wenn es ein wichtiges Bindeglied zwischen Bauten der Vorkriegszeit und späteren Bauten ist. Das Umbauprojekt, zu dem eine Neubaustrecke nach Stuttgart und eine Umgestaltung der Bahnanlagen in der Nesenbachmetropole gehören, soll in den 2020ern fertiggestellt werden.
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Der Rundgang folgt sofort in Teil 2.