Über Service an Bord (Allgemeines Forum)
Guten Morgen,
da entspann sich gestern doch noch eine kurze Diskussion mit Holger via FaceBook, leider schon sehr spät. Aber es hat mich doch bewogen, heute Morgen hier einige Sätze zu schreiben.
Möglich, dass einigen hier nicht wirklich klar ist, was es bedeutet, mit einer BC 100 First durch das Land zu fahren, und so wie mir geht es Hunderten von inzwischen mal wage bekannt, mal etwas vertrauter gewordenen Reisenden, die in ähnlicher Mission unterwegs sind.
Es geht hier wie andersweo um knallharte Jobs, es geht um Erfolg bei Meetings, es geht um präzisen Einsatz inmitten von hochgradig stressigen Workflows und engen Terminen in irgendwelchen Kliniken etc. (dies in meinem Fall).
Wenn irgend etwas zählt, dann ist es das, dass man konzentriert, einigermaßen klar und ausgeruht am Ziel ankommt. Ebenso ist es essentiell, dass man auf dem Heimweg wieder etwas zu essen hat, was von einigermaßener Qualität ist. Denn das sind keine Ausflüge, das ist die jahrelange Arbeitssituation.
Warum Zug?
Eben darum, und auch:
Weil in vielen Fällen die Firmen mit einer BC100 und nachgeschaltetem Taxi, Mietwagen etc. unterm Strich sparen und weil sie wissen, dass man in der Regel beim Kunden leistungsfähig und rel. ruhig ankommt, um dort die relevante Arbeit zu leisten.
Über die Jahre habe ich viele viele mehr oder weniger prominente Mitreisende sowie zahllose Berufskollegen getroffen, Tom Buhrow auf dem Weg zum Tagesthemen Studio, Uli Wickert auf dem Weg nach Paris, Götz Alsmann auf dem Weg zum WDR, Uni-Profs auf dem Weg zu Vorträgen und Seminaren und und und gesprochen. Mir ist aufgefallen, dass in den Speisewagen teilweise bei einem Mittagessen (gerne zw. Berlin und Hamburg) ganze TV-Sendungen besprochen werden usw. und so fort.
Und kaum einer ist mit dem Gastro-Service der Bahn zufrieden - er ist zu unberechenbar in seiner Verfügbarkeit.
Es bauen Tausende (gefühlte Zahl) von Menschen, die ihren Job so zu leben haben, auf den Gastro-Service der Bahn, insbesondere auf APS, Frühstück, und ab nachmittags auf Essen, APS.
Nun hat die Bahn hier ja eine Menge in Bewegung gesetzt, sehr positiv, und sie hat auch die immer wieder regelrecht einreißende Eigenschaft, vollkommen unberechenbare Totalausfälle zu bieten. Nun sind Menschen wie ich ja seit "Jahrzehnten" (tatsächlich!!) unterwegs und haben hautnah mitbekommen, wie drastisch unberechenbarer der gastronomische Service geworden ist. Ganz pauschal:
Zuerst verschwanden viele viele Speisewagen und wurden durch Bistros ersetzt. Damals war noch Raucherzone dort, die Wagen waren also vor dem Geschäftstermin vollkommen tabu. Die ICE 3, so hieß es, sollten keine Restaurants mehr haben usw....
Ich weiss nicht wie viele 1000 böse Briefe in Berlin aufschlugen und irgendwann die DB dazu nötigten, das Ruder herum zu reißen.
Das war existenziell für einen ganzen deutschen Wirtschaftszweig.
Nun gibt es viele gute Ansätze, aber es krankt drastisch an deren sicherer und verlässlicher Umsetzung, und das gefühlt mehr denn je.
Für mich waren leider die von oben befohlenen Konsequenzen:
Absolutes Nachtzugverbot nach einer dauerhaften Erfahrung katastrophaler Verspätungen am Zielort, nach immer wiederkehrendem Totalausfall der gastronomischen Versorgung. Und wie sooft: So etwas wird nicht mehr rückgängig gemacht, es zementiert eine dauerhafte Realität - ob sie mir nun schmeckt oder nicht. Der Schlafwagen ist eben durch AirBerlin, GermanWings etc. substituiert worden, was a) noch preiswerter ist und b) ich habe noch nie erlebt, dass der Kaffee dort ausgefallen wäre. In der dunklen Jahresezeit ist die Stunde in der Sonne da oben sogar wunderschön.
Nun wurden über die Zeit Visitenkarten ausgetauscht, Mails geschickt, wage Pläne ausgesprochen etc., und es verdichtet sich nun das Projekt einer Kontrollwebsite, wo jeder eintragen kann, schnell und präzise, ob in seinem Zug Gastronomie und APS verfügbar sind oder eben nicht. Die soll man dann abrufen können und ggf. schnell noch vorher einkaufen können, eine andere Verbindung nehmen können etc. pp.
Ich bin gespannt, wann es so weit ist, natürlich steht dann dort explizit so etwas wie:
ICE 503 26.9.2011 Bistro: Einsatzbereit APS: Vorhanden
Und jeder registrierte Reisende soll, darf, kann dort kurz für das Wohl aller "Reise-Kollegen" eingeben, was Sache ist.
Das finde ich sehr sehr gut, ich finde es überfällig, und wer das für unnötig hält, der muss sich vielleicht einmal den Berufsalltag von Leutchen wie mir vergegenwärtigen. Mein worst case im letzten WInter war Folgender:
Morgens um 9:00 nach Lübeck, Ausfall des Speisewagens im 9:00 IC Fehmarn, kein APS, gar nichts. In Hamburg noch schnell ein Coffee2Go mit Ekelsandwich und weiter nach Lübeck, dort schnell im Klinikum den Plan abarbeiten, wieder ins Taxi, zurück zum Hbf. Der Fehmarn auf dem Rückweg war längst weg und so oder so uninteressant, weil schon signalisiert worden war, dass der Speisewagen auch abends fehlen würde. Also wartet man auf den 2307, er fährt wegen verspäteter Bereitstellung mit +13 ein, und was fehlt: Der Speisewagen....
Also nimmt man den ICE via Hannover. Dort ist leider im Speisewagen just ab Höhe Harburg die Elektrik ausgefallen, wegen Baustelle irgendwo um Celle herum kommen wir nur 2 Minuten vor Abfahrt des Anschluss ICE nach Hagen-Köln an, also nichts wie hin zum Bahnsteig. Dort angekommen, gehen die Türen zu. Der Zug steht noch etwa 20 Sekunden dort, c.a. 30 - 40 Reisende winken, klopfen an die Türen, der Zug fährt ab..... der nachfolgende ICE hat eine Stunde später + 15, endlich kann man was essen dort, aber der Anschluss RE in Hamm nach Hagen hat leider nicht gewartet, also Taxigutschein erkämpft und todmüde zu Hause, der nächste Tag startet schon um 6 Uhr......
Warum isst man nichts unterwegs irgendwo?
Da ist der Wunsch, einfach irgendwann wieder zu Hause zu sein, also beeilt man sich. Und weiters:
Irgendein Stehimbiss samt Döner, Burger etc. ist auf Dauer viel ungesünder als einen Salat im Zug in Ruhe zu essen.
Das Essen im Speisewagen ist grundsätzlich ganz ordentlich und sicher oft besser als es früher gewesen ist, so lange man Mikrowellenkost meidet, geht es.
Gestern dann wieder so ein Fall, wo es von Hagen bis Basel definitiv NICHT möglich gewesen ist, im Zug etwas zu essen, wo APS nicht existierte, die Vorräte seit Stunden "aus" waren...
Klar, man überlebt das alles. Aber wenn man seine Gesundheit, Einsatzfähigkeit etc. erhalten will, darf so etwas nicht oft geschehen.
Die Bahn hat das ja auch erkannt, macht ja permanent Umfragen in den Zügen. Sie hat sich (siehe Sansibar Weine etc.) ja auch gastronomisch durchaus auf die besser zahlende Kundschaft eingeschossen. Wenn die nicht in Scharen abwandern soll, dann muss es besser werden als es derzeit ist. Mich würde interessieren, wie viele BC 100 First zurück gegeben worden sind respektive nicht verlängert worden sind. Und hier ist einer der Hauptgründe für solche Entscheidungen.
Und es ist sicher nicht die Aufgabe von uns Reisenden, Woche für Woche darüber Verständnis zu zeigen, dass das Personal fehlt, die Wagen defekt sind, Ware fehlt, Brötchen fehlen, leider nichts mehr geordert werden kann, weil man in 45 Minuten in Köln ist und da Personalwechsel hat (das neue Personal braucht dann gerne 30 Minute, um wieder in die Gänge zu kommen), weil der ICE in Köln eingesetzt wird und abfährt, das Personal kurz vor Hagen mal anfängt zu bedienen (wie schaffen das eigentlich andere Kollegen, die auch erst in Köln Hbf einsteigen und SOFORT den Service beginnen, so dass in Höhe Leverkusen die ersten Essen auf dem Tisch stehen?), oder die Teams in den ICE 3, die Basel erreichen, dort wenden und knapp 30 Minuten später wieder gen Köln fahren und sich bis Freiburg gar nicht erst blicken lassen....
Was immer da die Gründe sind, aus Sicht der Reisenden sind das alles No-Go's, die einfach zu häufig geschehen, um es als Ausnahme durchgehen zu lassen.
Zugleich kann und will keiner von uns aufs Auto ausweichen, die Firmen wollen das auch nicht, da Auto teurer ist.
Also wird der Druck größer, und ich freue mich schon jetzt auf die neue Website und werde ebenfalls fleissig posten.
Sie soll in den Manager Magazinen mit Kleinanzeigen promotet werden, es sollen auch die DB Chefs einen Lesezugang erhalten, da sie ja zweimal direkt angesprochen von Berufskollegen angeblich ganz "zerknirscht" bekundeten, von all dem Umfang dieser Ausfälle leider nicht in adäquatem Umfang zu wissen... Wenn diese Site öffentlich gemacht werden sollte, dann poste ich hier gerne den Link. So, und jetzt muss ich gleich aussteigen....
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Schöne Grüße aus den EC 6/7/8/9,
wo es Wein in Karaffen, keine Mikrowelle und kein in Schüsseln gepamptes Essen gibt.
https://adobe.ly/2PMZyEV