Zwei Thermodynamiker sammeln Verspätung im IR Traianus (6/9) (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Donnerstag, 30.01.2025, 18:26 (vor 11 Tagen)

Im letzten Teil war ich in Timisoara und warte seit längerer Zeit auf den Traianus nach Budapest: https://www.ice-treff.de/index.php?id=710069

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Tag 10: Timisoara – Budapest
Schon näher an +100 als an +90 ist der Traianus, als er endlich kommt.
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Wie gestern nehme ich im Bistrowagen Platz, heute aber in Rot.
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Die Landschaft des Banats ist wieder eher eintönig und die Fahrt nach Arad quälend langsam. Vinga fällt mir auf wegen seinen zwei großen Kirchen: links katholisch, rechts rumänisch-orthodox.
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Nach Arad sind kurz vor der Grenze im Norden Berge am Horizont zu sehen.
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In Curtici wird auf eine ungarische Lok gewechselt.
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La revedere Romania! Zum fünften Mal überquere ich nun die rumänisch-ungarische Grenze, aber zum ersten Mal bei Tageslicht, wobei das fast noch knapp wird. Viele Fahrgäste sind heute genau wie gestern nicht im Zug. Ich könnte sie alle locker mit zwei Händen abzählen, wobei mehrere Fahrgäste, darunter mindestens ein Bahnmitarbeiter nur im kleinen Grenzverkehr von Curtici nach Lökösháza fahren.
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Eine herbe Enttäuschung trifft mich im Bordrestaurant. Im Gegensatz zu gestern gibt es statt warmer Sandwichs aus dem Sandwichmaker nur abgepackte kalte Fertigsandwichs. Da verzichte ich lieber und bleibe bei flüssig Brot.
Beide Grenzkontrollen verlaufen flott, es gibt ja auch nicht viel zu kontrollieren. Die Ungarn haben für besondere Fälle sogar eine Klappleiter dabei.
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Dann heißt es warten. Ganz so viel Verspätung wie Jonas gestern haben wir heute nicht. Den ungarischen Trägerzug verpassen wir in Lökösháza nur um knapp eine Viertelstunde. Mit Grenzkontrolle und Rangieren wäre vielleicht eine Abfahrt mit +30 möglich gewesen. Wie befürchtet zeigte sich aber die MAV hart und der Zug ist weg. Das bedeutet jetzt über 1,5 h Wartezeit in der modernisierten Pampa.
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Zwischendurch kommt in Gegenrichtung der Muntenia durch, der bis Bukarest vermutlich auch noch einiges an Verspätung sammeln wird.
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Beim Schreiben des Reiseberichtes fällt mir auf, dass ich auch um 18.18 Uhr, also kurz nach der Grenzkontrolle einen Bus nach Békécsaba und dann den dort beginnenden Zwischentakt nach Budapest hätte nehmen können, der mich mit einer statt zwei Stunden Verspätung nach Budapest gebracht hätte. Vielleicht hatte ich damals beim DB Navigator mal wieder den Bus bei der Verkehrsmittelauswahl rausgenommen oder ich wollte keine Experimente eingehen. Stattdessen versuche ich etwas zu schlafen. So spät ist es zwar noch nicht, aber ich merke die beginnende Erkältung und den nicht so guten Schlaf letzte Nacht.
Nach fast 7 Stunden im internationalen Fernverkehr für nicht mal 300 km erreiche ich kurz vor 23 Uhr mitteleuropäischer Zeit endlich Budapest.
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Da vorne dampft doch etwas!
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Ganz offensichtlich wird hier gerade ein Historienfilm gedreht. Als unschöner Nebeneffekt davon, ist der Bahnsteig gesperrt und ich muss durch den Seitenausgang und über den Parkplatz.
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Ein besseres Bild will mir von dem Zug von vorne nicht gewinnen, da just in dem Moment der Railjet aus Wien das Motiv zufährt und ich keine Lust habe, zu warten. Vielleicht kann jemand mehr zu der Lok sagen.
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Statt des CFR-Sandwichs hole ich mir auf dem kurzen Fußweg vom Bahnhof zum Hostel noch zwei erfreuliche gute Stücke Pizza und gehe dann zügig ins Bett.
Jonas ist derweil schon vor einigen Stunden nach einer ereignisarmen Fahrt mit Umstiegen in Wien und München daheim in Karlsruhe angekommen.

Tag 11: Budapest
Ursprünglich hatte ich vor, auf meiner Rückreise noch ein paar neue Ecken von Ungarn zu erkunden. Nachdem Szeged und Kecskemét schon der chronischen Unpünktlichkeit des Muntenia zum Opfer gefallen sind, überlege ich, ob ich noch nach Szekesfehévár und zum Balaton oder nach Györ soll, bevor ich dann zum Abschluss der Reise noch ein wenig nach Tschechien will. Gegen eine Fahrt in einer Brotbüchse hätte ich auch nichts gehabt. Irgendwie gelang es mir gestern und heute aber nicht mich dazu zu motivieren, vielleicht auch weil ich nicht ganz fit bin. Statt einer Fahrt über Wien und die Franz-Josefs-Bahn nach Budweis baue ich stattdessen Prag und den Eurocity von Budapest dorthin ein. Diesen habe ich schließlich auch noch nicht auf kompletter Strecke befahren und in ihm nützt mir der 1. Klasseinterrailpass mehr als in ungarischen Bummelzügen und 2,5 h im ÖBB-RE auf der Franz-Josefs-Bahn ohne 1. Klasse. Bequemlichkeit siegt manchmal eben auch bei mir, vor allem wenn ich nicht ganz fit bin. Bahnfrei wird der Tag aber nicht, ganz im Gegenteil sogar.
Nach der späten Ankunft gestern will ich heute aber lieber ausschlafen, statt direkt morgens nach Prag weiter zu düsen. Als entspanntes Sonntagsprogramm möchte ich den Bahnpark besuchen, zu dem ich von Budapest-Nyugati mit der S-Bahn fahre. Im Gegensatz zu meiner letzten Fahrt von hier nach Bratislava vor zwei Jahren ( https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10488204 ), ist dessen Fassade wieder ohne Gerüst.
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Dampfloks sind nicht mein größtes Steckenpferd, aber ich kann mich wohl auch für sie begeistern.
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Spannender finde ich den vormittags schwer zu fotografierend platzierenden Schnelltriebwagen Harghita. Das namensgebende Gebirge konnten wir genau heute vor einer Woche morgens aus dem Corona bewundern. Mit dieser geographischen Namensgebung lässt sich recht präzise das Baujahr eingrenzen, denn nach 1918 war das Gebirge nur in einem sehr kurzen unrühmlichen Zeitraum nochmal in Ungarn. Daneben stehen einige ehemals Schweizer Einheitswagen vom Voralpenexpress, jedoch ohne Infotafel. Sie dürften noch in Betrieb sein.
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Das Museum ist gut besucht, überwiegend von ungarischen Familien mit Kindern. Ich fand den Besuch interessant, hatte mir ehrlich gesagt aber etwas mehr erwartet. Aus der näheren Vergangenheit gibt es wenige Exponate oder sie sind nicht öffentlich zugänglich abgestellt. Negativ fällt mir auf, dass die Infotafeln bis auf die Überschriften ausschließlich auf Ungarisch sind, was weder eine weit verbreitete noch einfach verständliche Sprache ist. Auf ausländische Besucher, die in Budapest zu Genüge vorhanden sind, scheint man also eher weniger eingestellt zu sein. Da meine Ungarischkentnisse bei Gulasch und „Köszönom“ enden, bin ich schon nach gut eineinhalb Stunden fertig.
Wieder nehme ich die S-Bahn vom museumseigenen Haltepunkt, jedoch nicht zurück zum Westbahnhof sondern weiter Richtung Esztergom. Wie vorhin fährt ein Flirt.
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Die Strecke quert auf Höhe Újpest die Donau. Richtung Zentrum ist die Margareteninsel zu sehen.
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Direkt nach der Donaubrücke ist meine Fahrt schon nach wenigen Kilometern beendet. In Esztergom war ich schon mal, da will ich heute nicht hin. Stattdessen steige ich in Aquincum, wo es die spärlichen Überreste der gleichnamigen Römerstadt zu sehen gäbe, in die H5 aus Szentendre Richtung Innenstadt um. Gefahren wir immer noch mit Triebwagen älteren Baujahres.
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Die Vorortbahn verläuft auf der kompletten Strecke parallel zur Donau, zu sehen ist diese jedoch nicht durchgehend.
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Mein Ziel ist die Schwabenbergbahn. Obwohl ich mit der Familie 2015 über eine Woche in Budapest war, hatten wir es damals nicht zu der bekannten Zahnradbahn geschafft. Ganz offensichtlich fuhren wir damals zwar schon gerne Zug, so auch auf der Hin- und Rückreise von daheim nach Budapest, aber ganz so tief kann ich noch nicht in die Bahnwelt eingedrungen gewesen sein.
An so einem sonnigen Sonntagmittag ist die Bahn wenig überraschend gut besetzt, insbesondere mit Mountainbikern.
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Oben angekommen steige ich in die Kindereisenbahn um. Zuerst kommt ein Zug mit Diesellok.
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Ich wollte aber erst eine kleine Runde auf dem Berg drehen und einen Aussichtspunkt auf die Hauptstadt finden. So richtig fündig werde ich aber nicht, wie hier zu sehen ist.
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Auf einem vermutlich nicht sehr legalen Trampelpfad erreich ich dann die Rückseite des Pionierbahnhofs und stapfe in alter Rumäniengewohnheit über die Gleise.
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Im Empfangsgebäude hängen Bilder der Pionierjahrgänge.
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Hier finden sich auch internationale Fahrgäste zurecht.
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Die nächste Fahrt fährt mit dem Nostalgiezug. Wenn auch nicht geplant, will ich mich nicht beschweren. Nur einen Dampfzuschlag muss ich noch schnell erwerben,
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Kein echter ungarischer ohne Bahnhofschef*in.
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Die meiste Zeit führt di Strecke durch Wald. Zwischendurch bietet sich kurz eine Sicht aufs westliche Hinterland Budapests, …
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… gegen Ende der Fahrt dann nach Osten auf die Hauptstadt selbst.
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Ich glaube beim letzten Zwischenhalt Hárshegy war es, wo wir den Gegenzug mit der Diesellok gekreuzt haben.
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Die Fahrt über die kompletten 11,2 km und 237 Höhenmeter dauert immerhin eine Dreiviertelstunde. Zurück in die Stadt kürze ich von der Talstation mit dem sehr ungarischen Namen Hüvösvölgy mit der Tram ab, deren Haltestelle ich hier fotogener finde als die der Kindereisenbahn.
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Nachdem ich zuerst in der falschen Linie bin, nutze ich den Umstieg einige Stationen weiter, um einen Gegenzug zu abzulichten. Deutlich erkennbar werden die Schatten schon länger.
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Eigentlich wollte ich jetzt in die Markthalle, vielleicht eine Salami erwerben. Als ich unterwegs nachschaue, ob sie schon spät am Tag noch offen hat, muss ich feststellen, dass sie sonntags komplett geschlossen ist. Bei einer Markthalle eigentlich nicht überraschend, aber bei den Touristenmassen in Budapest für mich dann doch. Naja, die Ecke um die Markthalle und die Freiheitsbrücke ist trotzdem ganz schön. Dann gehe ich eben im restlichen Tageslicht ein Stück weit den Gellertberg hoch. Schön kann man von dort die älteren Ganz-Trams zwischen Brücke und Gellertbad beobachten.
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Die ehemalige Franz-Josefs-Brücke ist für mich vermutlich noch vor der Kettenbrücke die schönste der Budapester Donaubrücken. Sie wird vom königlichen Wappen des früheren Namensgebers und mythologischen Turul-Vögeln verziert.
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Auf dem Pester Ufer nehme ich die bei Touristen beliebte Tramlinie mit Ganz-Wägen entlang der Donau bis zum Parlament.
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Bei meinem ersten Besuch in Budapest vor neun Jahren war mir insbesondere die Vorliebe für viele, mehr und noch Denkmäler, auch neueren Datums und manche etwas fragwürdig. Neu dazugekommen ist dieses Mahnmal für den Vertrag von Trianon, das mich etwas fragend zurücklässt.
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Um die Flagge sind die Umrisse des alten Königreichs Ungarn dargestellt und an den Wänden die sind Namen aller Gemeinden des Königreichs wie z. B. Temesvár alias Timisoara aufgelistet. Wenig überraschend bekam das Denkmal viel Gegenwind, insbesondere aus den Nachbarländern, immerhin überwiegend EU- und NATO-Partner, in denen viele der Gemeinden seit dem Vertrag von Trianon liegen. Einerseits kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der Vertrag damals für die meisten Ungarn ein Schock war, da immerhin über die Hälfte der Bevölkerung und etwa 2/3 der Landesfläche verloren gegangen sind. Viele Gebiete gehörten seit dem Mittelalter zu Ungarn und einige hatten eine ungarische Bevölkerungsmehrheit, womit der Vertrag dort dem Selbstbestimmungsrecht der Völker widersprach. Andererseits ist das ganze inzwischen 100 Jahre her und man sollte manchmal vielleicht die Vergangenheit Vergangenheit sein und alte Wunden heilen statt offenhalten. Man stelle sich nur mal vor, wie unsere Nachbarn reagieren würden, wenn Deutschland gegenüber des Reichstags ein Mahnmal mit den Grenzen von 1914 und Namen wie Breslau, Königsberg, Straßburg oder Tondern errichten würde.
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Etwas unverfänglicher und schon 2015 vorhanden ist dieses Denkmal von Ronald Reagan. Für seine Verdienste am Ende des Kalten Kriegs mag es auch seine Berechtigung haben.
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Neu dagegen ist gegenüber sein Nachfolger George Bush Sr. So lange sie sich den Junior sparen, soll es mir Recht sein.
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2015 ganz neu und seitdem besonders umstritten ist das Denkmal für die deutsche Besatzung im zweiten Weltkrieg. Abgesehen von aus meiner Sicht eher fragwürdiger Ästhetik werfen Kritiker dem Denkmal Geschichtsfälschung vor, da Ungarn zu Beginn des Kriegs bei weitem nicht der unschuldige Erzengel war, als der es im Denkmal dargestellt wird, sondern Verbündeter des Dritten Reichs. Da lobe ich mir das Denkmal für Columbo-Darsteller Peter Falk einige Straßen weiter. Warum das dort steht, habe ich nicht ganz verstanden, aber zumindest gibt es zu ihm keine Kontroversen.
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Was könnte einen Bahntag in Budapest abrunden? Ein Abendessen in dem Modellbahnrestaurant am Ostbahnhof. Dorthin soll mich die Metrolinie 2 mit ihren extrem langen und schnellen Rolltreppen bringen.
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Dummerweise hat das Restaurant Betriebsferien. Nachdem ich bei der Metrostation meines Hostels vermutlich wegen des nahenden Feierabends zwei Kürtöskalács zum Preis von einem bekommen habe, bin ich aber ehrlich gesagt auch gar nicht mehr so hungrig. Da ich immer noch nicht zu 100 % fit bin und morgen früh raus will, finde ich mich also wieder wie gestern mit zwei Stück Pizza ab und gehe früh zu Bett.
Im Hostel gibt es dann aber erst noch das drängende Problem zu lösen, dass die Lüftung defekt ist und die Fenster im 1. Stock nicht zu öffnen sind, in einem 6-Bett-Zimmer kein Vergnügen. Schon am frühen Abend ist es sehr stickig. Nach längerem Jammern dürfen mein brasilianischer Leidensgenosse und ich zum Glück das Zimmer wechseln. Wie fast alle Besucher aus Übersee, mit denen ich dort spreche, hat er die Standardtour Wien – Prag – Berlin vor. Viele, vor allem aus Asien haben zwischen Wien und Prag noch Salzburg geplant. Naja ok, so individuell bin ich vielleicht auch nicht unterwegs, denn nach Prag will ich morgen auch. Immerhin überspringe ich Wien, wobei wir da in diesem Urlaub auch schon waren. Als ich ihm viel Spaß in Berlin wünsche, aber meine, dass ich aus einer ganz anderen Region Deutschlands komme, meint er, dass ich dann wohl aus Hamburg kommen müsse. Offensichtlich hat Deutschland nur zwei Städte. ;-)
Die Fahrt nach Prag erwartet euch dann im nächsten Teil.


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