Wasserstoffzug und Biberbahn | 66 Bilder (Reiseberichte)

TD, Samstag, 24.08.2024, 19:09 (vor 484 Tagen)

Hallo zusammen,

nachdem wir zuletzt die drei westschweizerischen Meterspurbahnen tpf, NStCM und MBC besucht hatten, finde ich nun Zeit, eine Tagestour aus dem Herbst 2021 aufzubereiten. Wir sind in der Südhälfte Baden-Württembergs unterwegs und wollen Ammertalbahn, Eyachtalbahn und Ablachtalbahn bereisen.

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Wir fahren von Konstanz am Bodensee über die Gäubahn nach Herrenberg und von dort über die Ammertalbahn nach Tübingen. Weiter geht es nach Eyach, wo die Eyachtalbahn ihren Ausgangspunkt hat. Mit einem Zwischenstopp in Haigerloch fahren wir über Hechingen nach Mengen und von dort mit Biberbahn und seehäsle über Stockach zurück an den Bodensee.

Wir fahren frühmorgens mit dem durchgehenden RE 4 von Konstanz bis Herrenberg, auf der Verbindung wird ein Talent 2-Triebzug eingesetzt. Da es anfangs noch dunkel ist, beschränken wir uns auf ein Alibi-Bild von der Fahrt über die Gäuebene.

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Nach der Ankunft in Herrenberg holen wir ein Außenbild des Zugs nach, dann wechseln wir hinüber zu Gleis 102…

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…wo ein Regioshuttle zur Fahrt nach Bad Urach bereit steht. Wir wollen mit dem Zug bis Tübingen fahren.

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Die Ammertalbahn ist 21 Kilometer lang, sie wurde 1910 von den Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen in Betrieb genommen. Schon damals gab es übrigens Bahngegner, so wandte sich im Tübinger Alleenstreit eine Bürgerinitiative gegen das Bahnprojekt, weil sie einen beliebten Spazierweg durch das Gleis gefährdet sah. Die Bahnstrecke wurde dennoch gebaut, 1966 wurde jedoch der durchgehende Personenverkehr eingestellt, die Strecke wurde abschnittsweise abgebaut. Zwischen 1996 und 1999 wurde das fehlende Teilstück wieder aufgebaut und die Strecke reaktiviert.
Die Strecke folgt dem Tal des Flusses Ammer…

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…allerdings hatte ich die Rechnung ohne den Herbstnebel gemacht, die Ausbeute an Streckenbildern bleibt daher bescheiden.

Nach der Reaktivierung stiegen die Fahrgastzahlen stetig an, im Zuge des Projekts Regionalstadtbahn Neckar-Alb wurde die Strecke zwischen 2017 und 2022 elektrifiziert und teilweise zweigleisig ausgebaut.

Aktuell habe ich die Strecke auf Wiedervorlage, weil hier nun Elektrotriebzüge der Baureihe 440 (Coradia Continental) eingesetzt werden, die zuvor in Augsburg im Einsatz waren. Die Fahrzeuge kenne ich zwar aus Augsburg, aber im neuen bwegt-Design fehlen sie mir noch in meiner Sammlung.

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In Tübingen haben wir etwas Aufenthalt, die Zeit reicht für einen Spaziergang durch die am Sonntagmorgen noch menschenleere Altstadt. Wir beginnen an der Neckarfront, beim übernächsten Bild sind wir auf dem Holzmarkt mit dem Georgsbrunnen.

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Und das letzte Bild aus der Altstadt zeigt das reich geschmückte Rathaus aus dem Jahr 1435, davor auf dem Marktplatz der Neptunbrunnen.

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Schließlich kehren wir zum Tübinger Hauptbahnhof zurück. Das Empfangsgebäude stammt aus den Jahren 1861/1862, damals ging die Bahnstrecke von Reutlingen nach Rottenburg in Betrieb.
Auf Gleis 1 steht ein Regioshuttle in Richtung Horb bereit.

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Wir fahren mit dem Zug über Rottenburg nach Eyach. Im Stadtgebiet von Rottenburg quert die Strecke den Neckar, auf dem übernächsten Bild sehen wir den Bahnhof Bieringen.

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Die Bahnstrecke wird als „Kulturbahn“ vermarktet, historisch heißt sie Obere Neckarbahn – und dieser Name ist Programm, der Neckar verläuft häufig in Sichtweite. Noch hängt Nebel über dem Flusstal, aber die Sonne setzt sich langsam durch – das macht Hoffnung, dass dies eines der letzten Nebelbilder für den Tag sein wird.

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Am Bahnhof Eyach steigen wir aus – wobei es hier eigentlich zwei Bahnhöfe gibt. Als die damalige Actiengesellschaft Hohenzollern’sche Kleinbahngesellschaft (später Hohenzollerische Landesbahn / HzL) ihre Strecke von Hechingen nach Eyach erbaute, wurde ihr der Anschluss an die Strecke der Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen verwehrt, so dass die Hohenzollern einen eigenen Bahnhof neben dem bestehenden Bahnhof errichteten. Auf dem nächsten Bild sehen wir die Seite mit dem Staatsbahngleis, auf dem wir angekommen sind.

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Vor dem Bahnhof auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich das Gleis der Eyachtalbahn nach Hechingen. Dieser Teil ist auch bekannt als „Bahnhof Eyach Landesbahn“. Der Personenverkehr auf der Eyachtalbahn wurde 1972/1973 eingestellt. Im Jahr 2008 wurde der Personenverkehr mit Ausflugszügen wiederbelebt, mittlerweile verkehrt der „Freizeitexpress Eyachtäler“ an allen Sonn- und Feiertagen der Sommersaison. Normalerweise werden LINT-Triebwagen der SWEG eingesetzt.

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Die Eyachtalbahn stand eigentlich schon länger auf meiner Agenda. Als 2021 ein Probebetrieb mit einem Brennstoffzellenzug auf der Strecke angekündigt war, war das eine willkommene Motivation, diese Tour nun endlich anzugehen. Der iLint von Alstom war von Juli 2021 bis Februar 2022 bei der SWEG und sollte die Alltagstauglichkeit der neuen Technologie zeigen.

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Lokal emmissionsfrei und geräuscharm beginnt nun die Fahrt auf der eingleisigen und nicht elektrifizierten Strecke durch das Tal des Flüsschens Eyach.

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Das ehemalige Bahnhofsgebäude von Mühringen ist heute Vereinsheim des örtlichen Fischervereins. Die Bahnstrecke wurde als normalspurige Kleinbahn errichtet und 1912 vollendet. Sie ist eine von vier Stammstrecken der HzL. Hohenzollern war ein zu Preußen gehörender Regierungsbezirk in der Region um Hechingen und Sigmaringen, umgeben von Baden und Württemberg. Die Eyachtalbahn verlief quer durch die Hohenzollernschen Lande und erschloss die Gebiete, die die „ausländischen“ Bahnen mieden. Hohenzollern ging zunächst im Land Württemberg-Hohenzollern und dann im heutigen Baden-Württemberg auf, die HzL fusionierte 2018 zur SWEG.

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Nachdem wir die Haltepunkte Mühringen und Bad Imnau passiert haben, verlassen wir in Haigerloch den Zug. Auf der Strecke gibt es einen 2-Stunden-Takt und die Stadt Haigerloch schien mir bei der Planung als Zwischenstopp prädestiniert. Wir machen uns zunächst auf den Weg zum Römerturm. Das Bauwerk ist das Relikt einer mittelalterlichen Höhenburg, er ist als Aussichtsturm besteigbar.

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Von hier oben ergibt sich ein guter Blick über Haigerloch. Das Städtchen liegt in einem engen Tal der Eyach, die hier zwei Schlaufen bildet. Beim nächsten Bild blicken wir auf die Oberstadt mit der evangelischen Kirche.

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Die Eyachtalbahn verläuft unter dem Stadtgebiet durch den 146 Meter langen Haigerloch-Tunnel. Der Römerturm befindet sich fast direkt über dem Tunnel. Die Rundumsicht von der Aussichtsplattform bietet somit die Möglichkeit, die Bahnstrecke auf beiden Seiten des Tunnels einzusehen. Der blaue Zug kommt nun bald aus Hechingen zurück und nimmt die Abkürzung durch den Tunnel, während die Eyach in einer Schleife um die Oberstadt fließt.

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Jetzt drehen wir uns um und schauen dem Zug nach, wie er zum Bahnhof Haigerloch fährt (links oberhalb der Bildmitte). Auf dem Talboden liegt die Unterstadt von Haigerloch, darüber erhebt sich das imposante Schloss Haigerloch. Bis der Zug zurückkommt bleibt noch genügend Zeit…

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…und so geht es für uns einmal hinab und auf der anderen Seite wieder hinauf zum Schloss Haigerloch. Der Renaissancebau geht auf eine mittelalterliche Burganlage zurück. Unweit des Schlosses gibt es einen Aussichtspunkt mit Blick hinüber zum Römerturm.

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Doch nun zurück zum Bahnhof. Der Bahnhof von Haigerloch liegt in fußläufiger Entfernung am Stadtrand. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1901, im Jahr 1912 wurde es aufgestockt. Heute wird es von einem türkisch-islamischen Verein genutzt. Mit dem iLint fahren wir weiter nach Hechingen.

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Vom Zug aus gibt es nochmals einen Blick hinauf zum Schloss Haigerloch mit der Schlosskirche. Dann geht’s durch den Tunnel und noch ein kurzes Stück durch das Eyachtal…

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…bevor die Strecke bei Stetten das Flusstal verlässt. Die Strecke gewinnt nun an Höhe und führt hinauf zum Scheitelpunkt „Weißes Kreuz“, dort präsentiert sich die Landschaft eher flach. Auf dem übernächsten Bild fahren wir durch Rangendingen.

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Das letzte Bild aus dem Zugfenster der Eyachtalbahn zeigt die Fahrt zu Füßen des Höhenzugs Rammert. Dann ist bald die Endstation Hechingen erreicht. Die Eyachtalbahn ist knapp 28 Kilometer lang, die Fahrzeit von Eyach bis Hechingen beträgt 40 Minuten.

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In Hechingen gibt es dasselbe Phänomen wie in Eyach: die Landesbahn hat einen eigenen Bahnhof einige Meter entfernt vom Staatsbahnhof. Auf dem nächsten Bild sehen wir den iLint im Bahnhof Hechingen Landesbahn, hinter der Hecke rechts liegt der DB-Bahnhof.

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Der Bahnhof Landesbahn verfügt über ein eigenes Empfangsgebäude, ursprünglich fuhren vom Bahnhof Landesbahn die Züge nach Eyach und Gammertingen, von der Gammertinger Strecke gibt es mittlerweile jedoch eine Verbindung in den DB-Bahnhof.

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Für uns geht es nun oben am DB-Bahnhof weiter, er liegt an der Strecke von Tübingen nach Sigmaringen. Wir fahren von dort mit einem Zug der Baureihe 612 nach Mengen.

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Wenn wir in diesem Reisebericht den Fokus auf Hohenzollern legen, darf natürlich die Burg Hohenzollern nicht fehlen. Der Stammsitz des Hauses Hohenzollern liegt prominent auf einem Zeugenberg und ist vom Zug aus gut zu sehen. Weiter führt die Strecke durch die Landschaft der Zollernalb.

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Die Hohenzollernbahn verläuft zwischen Ebingen und Sigmaringen landschaftlich reizvoll und kurvenreich durch das enge Tal der Schmeie, sie quert das Flüsschen mehrfach. Beim nächsten Bild blicken wir auf die Kirche des 260-Seelen-Dorfs Unterschmeien.

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In Sigmaringen trifft die Strecke auf die Donau und folgt ihr bis Mengen. In Mengen haben wir nun etwas Aufenthalt, die Zeit reicht für eine kurze Erkundung der Altstadt. Wir beginnen bei den Fachwerkhäusern der Hauptstraße, beim übernächsten Bild sehen wir die Martinskirche mitsamt Storchennest auf der Turmspitze.

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Das Rathaus von Mengen wurde 1821 erbaut und zeigt sich herausgeputzt mit Fahnenschmuck. Nicht ganz so einladend…

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…präsentiert sich der Bahnhof. Das ehemalige Reisecenter ist verwaist und mit einem Bauzaun versperrt. Der Bahnhof wurde 1873 mit dem Bau der Strecke Ulm-Sigmaringen in Betrieb genommen. Mit Eröffnung der Ablachtalbahn wurde er zum Abzweigbahnhof.

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Und genau jene Strecke steht nun auf unserer Agenda. Die Ablachtalbahn führt von Mengen über Stockach nach Radolfzell. Zwischen 1954 und 1982 wurde der Personenverkehr auf der Strecke abschnittsweise eingestellt. Während der Südabschnitt zwischen Stockach und Radolfzell 1996 reaktiviert wurde, blieb der Nordabschnitt lange Zeit ohne Personenverkehr. Seit Juli 2021 gibt es auf der Strecke sonn- und feiertags wieder Freizeitzüge.

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Der historische Name Ablachtalbahn ist marketingtechnisch wohl zu altmodisch, die Ausflugszüge werden nun als Biberbahn beworben. Das possierliche Tierchen ist in den Feuchtgebieten entlang der Strecke und am Donauzufluss Ablach heimisch - und hat die Strecke auch schon mal unpassierbar gemacht. Wir starten nun „Mit dem Biber durch drei Ländle“, vom württembergischen Mengen über das hohenzollerische Krauchenwies in den badischen Landesteil von Meßkirch bis Radolfzell.
Es gibt drei Zugpaare am Tag, wir treffen auf eine Regioshuttle-Doppeltraktion der HzL/SWEG.

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Die Strecke führt zunächst durch die Krauchenwieser Seenplatte. Die Baggerseen entstanden durch den Kiesabbau, heute sind sie Teil eines Naturparks und werden auch für Freizeitaktivitäten von Surfen bis Angeln genutzt. Weiter folgt die Strecke dem Tal der Ablach in den Hegau.

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Die Strecke wurde ursprünglich als Fernverkehrsverbindung der Achse Ulm-Bodensee-Schweiz gebaut. Die ambitionierten Planungen waren auf Verkehre wie Berlin-Mailand ausgerichtet, es gab Bauvorleistungen für ein zweites Gleis. Eröffnet wurde die Strecke 1873. Das einzige Schnellzugpaar Radolfzell-Ulm wurde schon 1875 mangels Nachfrage wieder eingestellt. Nach dem Niedergang des Personenverkehrs wurde der Abschnitt von Mengen nach Krauchenwies sogar abgebaut. Auf Betreiben des Frachtkunden Tegometall wurde der abgebaute Abschnitt 1986 wieder aufgebaut, das Unternehmen wurde schließlich Eigentümer der Strecke von Mengen bis Stockach. Mittlerweile wurde die Strecke von den Anliegergemeinden Meßkirch und Sauldorf übernommen, der Freizeitverkehr wird durch einen Förderverein unterstützt.

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Der erste Zug und der letzte Zug sind aus bzw. nach Radolfzell durchgebunden, bei den anderen Verbindungen ist in Stockach ein Umstieg erforderlich. Zwischen Stockach und Radolfzell gibt es regelmäßigen Personenverkehr mit dem „seehäsle“. Wenn Ausflügler aus zwei Triebzügen und noch dazu die üblichen Fahrgäste der Strecke Stockach-Radolfzell in einen Triebzug umsteigen, wird es etwas eng.

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Mit dem seehäsle fahren wir jetzt von Stockach nach Radolfzell. Die Fahrt dauert knapp 20 Minuten, beim nächsten Bild fahren wir durch Wahlwies, dann weiter durch Obstplantagen am nordwestlichen Ende des Bodensees.

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Bei Stahringen trifft die Ablachtalbahn auf die Bodenseegürtelbahn aus Friedrichshafen, deren Gleis verläuft unterhalb der Straße auf dem nächsten Bild.

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Von Radolfzell fahren wir schließlich mit einem Zug der Schwarzwaldbahn zurück nach Konstanz. Das letzte Bild entstand während der abendlichen Fahrt entlang des Gnadensees bei Radolfzell.

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Und damit sind wir am Ende angelangt. Vielen Dank für das Interesse und fürs Mitkommen.


Viele Grüße und einen schönen Sonntag

Tobias


PS: Meine früheren Bahnreiseberichte gibt’s unter www.bahnreiseberichte.de.

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[image] "Fensterplatz, bitte." - Meine Bahnreiseberichte.de.| instagram.com/fensterplatz.bitte/

Vielen Dank!

JanZ, HB, Samstag, 24.08.2024, 19:37 (vor 484 Tagen) @ TD
bearbeitet von JanZ, Samstag, 24.08.2024, 19:38

Vielen Dank für den Bericht! Einer der wenigen Nachteile davon, dass ich nicht mehr im Süden wohne, ist, dass ich solche Tagesausflüge nicht mehr machen kann :-).

Vielleicht sprach gegen den Begriff Ablachtalbahn auch die Assoziation mit "ablachen"? Jedenfalls habe ich mal einen Artikel in einer Bahnzeitschrift gelesen, in dem das prompt für ein Wortspiel genutzt wurde.

Danke für's Mitnehmen.

Waldbahn, Samstag, 24.08.2024, 19:50 (vor 484 Tagen) @ TD

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Gruß
Waldbahn

Vielen Dank auch für diesen Reisebericht.

heinz11, Sonntag, 25.08.2024, 17:20 (vor 483 Tagen) @ TD

Ich lese Deine Berichte immer gern. Sie vermitteln mir das Gefühl, als ob ich selbst gereist wäre.

Danke für die Möglichkeit mit Dir mitreisen zu dürfen :-)

Berliner65, Berlin, Sonntag, 25.08.2024, 18:41 (vor 483 Tagen) @ TD

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