Wie entstehen (Spar)-Preise? (Fahrkarten und Angebote)

markw, Freitag, 08.09.2023, 08:52 (vor 395 Tagen) @ ThomasGo

Leider wirst Du eine Antworten auf Deine Frage, wie die Bahn das macht, wahrscheinlich nie bekommen. Das dürfte zu den Geschäftsgeheimnissen der DB gehören, die sorgsam gehütet werden. Dynamic Pricing gibt es ja in vielen Bereichen. Viel länger und viel mehr bei Flügen, Reisen und Hotels. Auch gibt es sicher Bahnunternehmen im Ausland, ich tippe da mal auf Schweden und Frankreich, die viel mehr noch darauf setzen.
Dahinter stecken generell sehr komplexe Systeme, in die viele Faktoren einfließen, die diese mit Formeln unterschiedlich gewichten. Bei Locomore haben wir ein solches System verwendet oder, wenn ich böse sage, versucht zu verwenden. Zeitweise haben wir deswegen Tickets viel zu günstig verkauft. Man muss wohl viel Erfahrung damit haben, um das wesentliche Ziel eines solchen Systems zu erreichen. Das lautet nämlich Ertragsmaximierung. Dynamic Pricing wird nicht für Kund*innen gemacht. Fehler bei solchen Dingen passieren auch Profis, weswegen man auf Dealseiten insbesondere bei Hotels und Flügen immer mal wieder "Preisfehler" findet.
In Dynamic Pricing können viele Faktoren einfließen. Neben den in diesem Fall bahnnahen Faktoren, wie Buchungslage, Zeit bis zur Fahrt, Zahl der Suchen bestimmter Verbindungen, Verhältnis von Fernverkehr zu Nahverkehr (die u.U. einen fixen Preisanteil bekommen), Erfahrungen aus den Vorjahren sind es auch allgemeinere Faktoren, wie Ferien, Feiertage, (Groß)Veranstaltungen, langjährige Wetterprognosen oder kurzfristiger einfach auch die Wettervorhersage. In der Theorie sind auch persönliche Faktoren, wie die persönliche Zahl an Fahrten oder Suchen auf einer Strecke, eine Bonitätsauskunft oder das verwendete Endgerät (Apple-Nutzer sollen ja angeblich auf bestimmten Seiten mehr zahlen) denkbar. Ich bin mir allerdings unsicher, in welchem Rahmen diese persönlichen Faktoren in Deutschland oder Europa überhaupt zulässig sind und würde vermuten, dass man solche Beispiele mittlerweile auch belegen könnte und davon gehört hätte. Wobei, wenn sich das im kaum nachweisbaren Bereich bewegt, dann würden das Unternehmen vermutlich machen, solange es nicht nachweisbar ist.
Wie die Bahn ihr Dynamic Pricing gestaltet, wird vermutlich (vorerst?) ihr Geheimnis bleiben. Selbst wenn irgendwelche Dataminer auf die Idee kommen, das zu analysieren, wird man deren Formel, die vermutlich auch noch ständig angepasst wird, auch nur näherungsweise herausbekommen. Es sei denn, es wird geklagt, wie bei der Schufa. Ich würde davon ausgehen, dass die DB ihr Dynamic Pricing über die Jahre weiter entwickelt hat und ihre Vorstellungen auch nach und nach in ihr Buchungssystem implementiert hat. Früher hatte man ja den Eindruck, dass Buchungslage und Zeit die wesentliche Faktoren sind. Irgendwann sind dann auch die dynamischen Preise für Normalpreise gekommen, die man geschickterweise vorher in Flexpreise umbenannt hat. Ich würde auch vermuten, dass die Verbesserung des Dynamic Pricing eine der treibenden Motivationen für die Einführung des neuen Buchungssystems DB-Next war. Das hat sicher viele Millionen gekostet und das wird sich mit potentiellen Ertragssteigerungen intern vermutlich am ehesten rechtfertigen lassen.
So ein System ist wie oben erwähnt nicht für die Fahrgäste gemacht. Die DB Fernverkehr wird eigenwirtschaftlich betrieben. Da die DB als Staatsunternehmen auch einen gesellschaftlichen Auftrag hat, stellt sich natürlich die Frage, ob ein System in der Form diesem Auftrag gerecht wird und sein darf. Man könnte damit argumentieren, dass man damit die Auslastung erhöht, es ergo mehr Fahrgäste gibt. Aber es limitiert natürlich auch die Fahrgäste und begrenzt sie u.U. auf bestimmte Teile der Gesellschaft.


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