Vive Lyon! Von Traboules, Bouchons und Mâchons - 3/11 (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Donnerstag, 31.08.2023, 13:09 (vor 843 Tagen) @ Bahne aus Leidenschaft

Ab Montag habe ich ein paar Tage Ruhe vor Besuchern. Unter der Woche besichtige ich an einem freien Nachmittag das Gefängnis Montluc in der Nähe des Bahnhofs Part-Dieu. In der Zeit der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg nutzte die Gestapo das Gefängnis, weshalb es heute eine Gedenkstätte ist. Auch nach dem Krieg wurde es als Gefängnis weiter genutzt. Während des Algerienkriegs waren Kämpfer der algerischen Unabhängigkeitsbewegung inhaftiert, 11 wurden hier guillotiniert. Nach seiner Gefangennahme 1983 in Bolivien und Auslieferung an Frankreich war Klaus Barbie, der Schlächter von Lyon, hier 1984 für einige Tage symbolisch in Haft. 2009 wurde das veraltete Gefängnis dann geschlossen.

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Den Samstagvormittag nutze ich für einen kleinen Auslfug mit der zweiten Strecke der Tram-Train de l’Ouest lyonnais von Lyon Saint-Paul nach Sain-Bel.
Ursprünglich ging die Strecke von hier nach Westen weiter bis Montbrison. Von Sain-Bel aus fährt die Museumsbahn Train Touristique des Monts du Lyonnais. Nach einigen Jahren unfreiwiliger Pause gibt es laut der Website seit 2023 wieder Fahrten. Von Railwalker gibt es einen recht aktuellen Bericht über die Strecke.

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Sain-Bel liegt malerisch in einem Tal und hat ein kleines Schloss.

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Auf dem Rückweg nehme ich nicht den direkten Weg. Eine Station nach Sain-Bel in l’Arbresle trifft die Tram-Train-Strecke auf die Hauptstrecke aus Roanne. Nach einem kleinen Rundgang durch l’Arbresle geht es mit einem TER aus Roanne weiter, wieder nur für eine Station nach Lozanne. Hier kreuzt die Strecke von Paray-le-Monial nach Givors-Canal, deren südlichen Abschnitt nach Brignais ich schon im September mit der Tram-Train befahren habe. Der mittlere Abschnitt von Lozanne nach Tassin sollte eigentlich auch von der Tram-Train berücksichtigt werden. Als Sparlösung wurde sie jedoch bislang noch nicht elektrifiziert und es pendelt ein Baleine in überschaubarem Takt zwischen Lozanne und Tassin. Links mein TER aus Roanne, rechts der TER nach Tassin:

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In Tassin muss dann wieder in die Tram aus Sain-Bel umgestiegen werden.

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Ich muss rechtzeitig nach Lyon zurück. Heute Nachmittag kommt nämlich schon der nächste Besuch, mein Vater mit Frau. Der Besuch soll aber deutlich schneller als geplant enden. Die beiden fahren nicht direkt zu ihrem Hotel sondern kommen erst bei mir in Villeurbanne vorbei. Mein Vater fragt, ob wir in der Nähe einen Kaffee trinken können. In der Innenstadt wäre das deutlich schöner gegangen, aber na gut von mir aus. Als mir nach knapp einer Viertelstunde zurückkommen, ist eine Scheibe vom Dienstwagen, ein Mercedes, meines Vaters am helllichten Tag eingeschlagen und das Gepäck geklaut worden. Hoppla!
Also geht es zur Polizei, am Samstagnachmittag gar kein so einfaches Unterfangen. Als wir dann endlich dran sind, ist die Polizei gar nicht überrascht und sagt, wir sollen am Montag zurückkommen.
Die Urlaubslaune bei den beiden ist verständlicherweise am Boden und sie beschließen, am nächsten Morgen schon wieder heimzufahren. Abends treffen wir uns nochmal in der Innenstadt zum Essen. Heute gibt es für mich als Vorspeise einen Markknochen.

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Aus Sorge um meine Sicherheit gibt mein Vater mir ein Schein mit, damit ich mir ein Taxi nach Hause nehmen soll. Das mache ich natürlich nicht, sondern ich nehme wie immer das Rad. Ich selbst habe mich vorher und nachher in Villeurbanne nie unsicher gefühlt.
Meine Patentante, die längere Jahre in Frankreich gewohnt hat, ist von der Geschichte gar nicht überrascht. Ihr Kommentar dazu: „Das weiß man doch. Mercedes, Audi und BMW werden in Frankreich sofort ausgeräumt.“ Ok, das wusste ich nicht. Wir fahren in der Familie normalerweise keine teuren neuen Autos, ich gar keines. Mit einem alten Opel Vectra hatten wir früher mit der Familie im Urlaub in Frankreich diesbezüglich nie Probleme. Auf dem Land ist die Gefahr sicher auch geringer als in Großstädten. Ein Glück habe ich mein Fahrrad in Karlsruhe gelassen und bin immer nur mit meinem gammligen Rucksack unterwegs, den will vermutlich keiner klauen.

Am Sonntag habe ich deshalb überraschenderweise noch nichts vor. Wenn ich daheimsitze und Trübsal blase, ist auch keinem geholfen. Also nutze ich das schöne Wetter für einen Ausflug nach Savoyen zum Lac de Bourget. Los geht es mit einem TER Richtung Grenoble. Auf dieser Linie habe ich in den Monaten ausschließlich Alstom Coradia Duplex gesehen. In La-Tour-du-Pin steige ich in den TER nach Chambéry um. Erfreulicherweise fährt eine Doppeltraktion Z2. Diese Baureihe fehlte mir bislang und die Zeit tickt bei den Z2.

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Nicht so erfreulich ist der Zustand des Innenraums. Selten habe ich so einen widerlich versifften Zug gesehen. Die Sitzbezüge sind entsetzlich verdreckt und viele Fenster sind angelaufen. Ich kann mich nicht erinnern, in Deutschland so einen dreckigen Zug gesehen zu haben. Anscheinend war ich zu angewidert, um ein Bild von innen zu machen.

Chambéry ist die historische Hauptstadt Savoyens, bevor die Herzöge 1563 die Residenz in den italienischen Teil des Herzogtums nach Turin verlegten, um sicherer vor dem langen Arm der französischen Könige zu sein. Damals wurde auch das berühmte Grabtuch nach Turin mitgenommen. Chambéry und ganz Savoyen kam erst 1860 in Folge eines mehr oder weniger vertrauenswürdigen Referendums zu Frankreich. Das Königreich Sardinien-Piemont, der Nachfolgerstaat des Herzogtums Savoyens, stimmte der Abtretung seines Staatsgebiets westlich der Alpen zu im Tausch gegen militärische Unterstützung gegen Österreich bei der Einigung Italiens. Aus dem Königreich Sardinien-Piemont ging dadurch das Königreich Italien hervor und die Savoyer blieben bis 1947 Könige von Italien. Die beiden 1860 neu entstandenen Departements Savoie und Haut-Savoie besitzen die Besonderheit, dass sie nach einem historischen Herrschaftsgebiet benannte sind. Alle anderen Departements wurden nach geographischen Eigenheiten, meistens Flüssen, benannt, da in der französischen Revolution mit der alten Adelsherrschaft endgültig gebrochen werden sollten. Die beiden Departements existierten während der französischen Revolution schon einmal in ähnlicher Form, hießen damals aber Léman (Genfer See) und Mont Blanc. 1860 wählte Napoleon III. aber aus propagandistischen Zwecken die historischen Namen.
Im Vergleich zu der anderen großen Stadt in Savoyen, Annecy, finde ich Chambéry nicht so sehenswert. Die mächtige Burg der Herzöge von Savoyen hat leider Mittagpause.

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Mein eigentliches Tagesziel ist einige Kilometer weiter nördlich am Lac de Bourget. Mit dem Zug geht es weiter nach Aix-les-Bains. Der Kurort liegt sehenswert zwischen Bergen und See. Mit einem Ausflugsschiff fahre ich von hier über den See zur Abbaye de Hautecombe.

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Das Kloster diente im Mittelalter als Grablege der Herzöge von Savoyen und stand schon länger auf meiner Wunschliste. Lange hätte ich nicht mehr warten dürfen. Es fährt nur ein Schiff am Tag relativ spät am Nachmittag und die Tage werden im Oktober spürbar kürzer. Schon bei meiner Mitfahrt wurde es kurz nach der Rückfahrt schon dunkel.
Im 19 Jh. ließ der König von Sardinien-Piemont das verfallene Kloster im Stil des Historismus sanieren. Als letztes Mitglied des Hauses Savoyen wurde der 1983 Umberto II., der letzte König Italiens hier bestattet, da er nicht nach Italien zurück durfte.

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Man mag von religiöser Kunst halten, was man will, aber diese Motivauswahl ist selbst mir neu. Die Muttergottes spritzt dem heiligen Bernhard von Clairvaux Milch ins Gesicht. Das Motiv nennt sich Lactatio Bernardi (https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_von_Clairvaux#Darstellungen) . Naja, jedem seinen Fetisch, meins wäre es eher nicht.

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Vom See fällt der Blick auf die Bahnstrecke, der Mauriennebahn Richtung Mont-Cenis-Tunnel. Auf diesem sensationellen Abschnitt bin ich im September auf dem Rückweg von Annecy gefahren. Auch heute werde ich sie auf dem Rückweg befahren.
Hier befährt ein TER der Relation Lyon – Chambéry mit Nez Cassé und Corailwägen die Strecke.

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Der Schiffskapitän erläutert unterwegs durch die Lautsprecher einige Sehenswürdigkeiten, auch die Bahnstrecke. Er erzählt, dass er vor wenigen Wochen zu seiner Verwunderung einen unbekannten roten TGV gesehen habe, der sich nach kurzer Recherche als italienischer Zug entpuppt habe. Was da wohl im Busch sein mag?
Dann kommen wir auch schon wieder bald in Aix-les-Bains an. Hinter der Stadt erhebt sich der steile Mont Revard, der Namensgeber für den zweiten Namensbestandteil des Bahnhofs Aix-les-Bains-Revard.

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Donnerstagabends steht dann nach 4 Wochen am Stück mit Besuchern der vorerst letzte Besuch an. Mit dem direkten TGV aus Karlsruhe kommen zwei Freundinnen von der Uni an. Inzwischenhabe ich mein 2-Tages-Sightseeing-Programm für Besucher in Lyon ziemlich gut optimiert. ABneds geht es natürlich wieder in ein Bouchon. Mit einer Vegetarienerin ist das aber gar nicht so leicht umzusetzen. Für mich gibt es Tripes (Kutteln).

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Sonntag fahren wir zu dritt mit einem der allgegenwärtigen Alstom Coradia Duplex nach Grenoble. Ein weiterer Freund von uns, macht dort an der Uni sein Auslandsjahr. Auf dem Hin und Rückweg fährt jeweils ein Coradia Duplex. Andere Zugtypen habe ich auf der Linie nach Grenoble nie beobachtet. Hier bei der Ankunft in Grenoble:

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Die markante Seilbahn fährt über die Isère hinauf zur Bastille. Für den Rückweg nach unten werden wir sie nehmen, rauf gehen wir aber zu Fuß.

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Von oben bietet sich ein grandioser Ausblick über die Stadt. Die Stadt selbst begeistert mich nicht so. Auch kulinarisch ist laut unserem Freund nicht so viel los.

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Abends fahre ich dann allein zurück nach Lyon, jedoch wird. Am Montagmorgen steht meine erste Prüfung bevor. Die beiden Mädels bleiben in Grenoble und fahren dann am Montagmorgen über Genf und Basel zurück nach Karlsruhe. In einem der letzten Teile werde ich nochmal länger in Grenoble zu Besuch sein.
Die Prüfung verläuft so weit akzeptabel. In den meisten der nächsten Wochen werde ich montagmorgens eine Prüfung haben. Während des Semesters bin ich das aus Deutschland nicht gewohnt. Die Prüfungen in Lyon sind deutlich weniger umfangreich und leichter als in Deutschland und bei den meisten Fächern auf 2-3 Teilprüfungen aufgeteilt. Dafür hat man weniger Zeit zu Vorbereitung. Insgesamt ähneln sie eher Arbeiten an der Schule als Klausuren an der Uni in Deutschland.

In der nächsten Woche an Allerheiligen hat die Uni eine Woche Urlaub. Die freie Woche werde ich für eine kleine Rundreise nutzen. Bahntechnisches Highlight wird die Cevennenbahn.

P. S.: In diesem Teil ist als Rätsel ein kleiner Fehler eingebaut. Ein Bild passt in Wirklichkeit überhaupt nicht rein. Bestimmt ist es jemandem aufgefallen. Ich bin gespannt auf Lösungsvorschläge.


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