Vive Lyon! Von Traboules, Bouchons und Mâchons - 3/11 (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Donnerstag, 31.08.2023, 13:08 (vor 838 Tagen)

Im Oktober steht für mich der große Besuchermarathon an. Los geht es am ersten Oktoberwochenende mit einem, für Leser meiner beiden anderen Reiseberichte, weiteren alten Bekannten. Chris kommt mich für 4 Tage besuchen. Nachdem er donnerstagabends mit dem direkten TGV aus Karlsruhe ankommt, probieren wir das Steakhouse „Viand‘o Chwa“ in meiner Nähe aus. Zu sehr humanen Preis gibt es hier stattliches gegrilltes vom toten Tier. Für mich gibt es Entrecôte, für Chris ein Lammspieß. Hier werde ich noch öfter mit Besuchern einkehren.

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Freitags habe ich wieder frei und wir erkunden Lyon. Auf den Hügel Croix-Rousse fährt die Metrolinie C hoch, die als Besonderheit einen Zahnradabschnitt besitzt. An der Talstation wird dieses Modell von den Zahnradtriebwägen ausgestellt.
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Die Metro ersetzt eine vorher verkehrende Zahnradbahn. Im Vergleich zu dieser wurde die Metro von der ursprünglichen Endstation Croix-Rousse um zwei Station bis Cuire verlängert. Hier folgt sie dem Verlauf der ehemaligen Ligne des Dombes, mit der ich im vorigen Teil nach Bourg-en-Bresse gefahren bin. Bevor diese ins Tal runter nach Part-Dieu geführt wurde, war Croix-Rousse ihr Endbahnhof.
Croix-Rousse liegt zwischen den beiden Flüssen Rhône und Saône und wird von dem Tunnel unterquert, von dem ich im ersten Teil berichtet haben. Es ist ein altes Arbeiterviertel, in dem viele Seidenweber, die Canuts, lebten. Im 19 Jh. kam es zu drei gewaltsamen Aufständen der Seidenweber von Croix-Rousse, die die ersten sozialen Aufstände des Industriezeitalters in Frankreich waren. In der zentralen Straße gibt es tollen Markt, für den ich in den nächsten Monaten noch öfters den Berg hochkraxeln werde. Der Markt hat es vor einigen Jahren sogar zu einer Doku von Arte geschafft: https://www.youtube.com/watch?v=w4BXhqm0v5w
Hier findet sich auch mein absoluter Lieblingsmarktstand in Lyon, der Trippier von Croix-Rousse. Hier bekommt der Liebhaber von Innereien alles, was das Herz begehrt. Für diesen Stand werde ich noch öfters den Hügel erklimmen. Ich werde unter anderem Kalbs- und Lammbries, Andouilette (Kuttelwurst), schmackhafte Pasteten und Lammhoden ausprobieren. Für jedes seiner Produkt hat der Meister eine Zubereitungsempfehlung, eigentlich immer blanchieren, leicht mehlieren und in reichlich Butter goldbraun anbraten.

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Ein beliebtes Fotomotiv ist dieser Innenhof, in den man durch eine Traboule kommt.

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Die Maison des Canuts ist ein kleines informatives Museum über den Beruf der Seidenweber. Zu den Ausstellungsstücken gehört auch ein Jacquard-Webstuhl. Der Seidenweber und Erfinder Jacquard hat für ihn die automatisierte Erzeugung von Mustern die Lochkarte aus Karton erfunden und damit eine der Grundlagen für das Computerzeitalter geschaffen.

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Fährt man mit der Metrolinie C eine Station weiter nach Hénon steht man direkt vor dem Wandbild Mur des Canuts (Wand der Seidenweber). Lyon ist bekannt für seine zahlreichen Wandbilder der Gruppe CitéCreation. DIe Mur des Canuts ist das bekannteste. Unten links wird ein Seidenweberatelier gezeigt.

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Auch ein Veol’v und das gefürchtete Auto vom Stromversorger EDF sind zu sehen. Nach Auskunft meines Französischlehrers in Lyon gibt es für Franzoden keine schlimmeren Termine als die mit EDF. Wenn der EDF-Mann sich ankündigt, muss man alles stehen und liegen lassen (Klausuren, eigene Hochzeit, Beerdigung der Oma,Vorstellungsgespräch, …), sonst ist EDF sehr schnell damit, den Strom abzustellen.

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Wer hier versucht, Geld abzuheben, wird wenig Erfolg haben.
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Wieder unten in der Stadt wirbt Gerard Dépardieu für einen Feinkostladen. Chris und ich sind große Fans seine Reihe „Schlemmen mit Gerard Dépardieu“ auf Arte, von der es leider keine neuen Folgen mehr gibt.

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Am Samstag machen wir einen Ausflug ins Rhônetal nach Tain-l’Hermitage.

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Der TER verkehrt wieder mit Corailwägen und Nez Cassé. Tain-l‘Hermitage ist ein bekannter Weinort. Die wichtigste Weinlage ist am Berg Hermitage. Vor der Kirche steht ein kleines Denkmal für die Hochzeit des späteren Königs Karl V. mit Jeanne de Bourbon. Ähnlich wie der Prince of Wales in England war der Titel Dauphin mit der Herrschaft über ein konkretes Gebiet, der Dauphiné um Grenoble und Vienne zwischen der Rhône und den Alpen, verbunden. Somit war de Dauphin auch Landesherr von Tain-l’Hermitage.

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Dauphin ist auch französich für Delphin. Der erste Dauphin de Viennois nannte sich im 12. Jh. noch auch Latein Delfinus und nahm den Delphin als sein Wappentier. Warum ist nicht ganz klar. Der letzte Dauphin aus dieser Familie verkaufte das Gebiet an den französischen Kön. Um dies zu vermeiden hat der König die Herrschaft an seinen Enkel und Erben abgetreten, der dann den Lehnseid leistete. Nachdem Karl V. König wurde gab er die Dauphiné wiederum an seinen Sohn, was als Tradition bis 1830 fortgesetzt wurde. Wirklich vor Ort die Dauphiné regiert hat aber nur ein Dauphin, Karls Enkel der spätere Ludwig XI., nachdem er sich mit seinem Vater zerstritten und den königlichen Hof verlassen hatte.
Gegenüber der Rhône liegt das sehenswerte Städtchen Tournon. Im Sommer könnten wir von hier mit einer schmalspurigen Museumsbahn in die Berge der Ardèche fahren. Hinter der Altstadt verläuft, die rechte Rhônestrecke, die keinen planmäßigen Personenverkehr hat. Ein Güterzug kam durch, aber ich war zu langsam für ein Foto.

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Von den Türmen der Stadtmauer am Hang, einer mit Marienstatue, die man auf dem letzten Bild sehen kann, haben wir eine gute Aussicht über das die beiden Orte. Hinter Tain-l’Hermitage erhebt sich der namensgebende Hermitage-Berg. Im Gegensatz zu den anderen Bergen am linken Rhôneufer besteht er aus vulkanischem Gestein wie das Central Massif auf der anderen Flusseite.
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Unten in der Stadt kehren wir ein und essen Boeuf Bourguignon.

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Dann besichtigen wir noch die Burg. Auch sie hat Bezug zu einem Dauphin, jedoch keinen erfreulichen. Der älteste Sohn des Renaissancekönigs Franz I., ebenfalls Francois/Franz, starb 1536 überraschend auf der Durchreise hier in der Burg. Sein Sekretär gestand nach Folter, ihn vergiftet zu haben, was heute aber sehr umstritten ist. Bestattet wurde der Dauphin in der Kathedrale von Lyon. Somit wurde auch natürlich nicht er, sondern sein Bruder als Heinrich II. König. Dieser starb dann später vor den Augen seiner Familie bei der Hochzeit seiner Tochter bei einem Turnier. Die Lanze seines Gegners splitterte und ein Splitter drang durch das königliche Visier und das rechte Auge bis in das Gehirn ein.
Mit zwei Flaschen Crozes-Hermitage fahren wir nach Lyon zurück. Wir machen noch einen Stopp in Vienne, aber von hier habe ich ja schon berichtet.

Sonntags sind wir nochmal in Lyon unterwegs. Vormittags besichtigen wir das moderne Viertel La Confluence („der Zusammenfluss“) am Zusammenfluss von Saône und Rhône. Links die Saône, rechs die Rhône, in der Mitte das Musée des Comfluences:

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Links im Hintergrund sind die Brücken der ehemaligen Autobahn und dahinter der rechten Rhônestrecke über die Saône zu sehen. Etwas weiter nördlich überquert die Bahnstrecke ein Hafenbecken, leider wieder ohne Zug.

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Besonders viel Zugverkehr läuft auf der Strecke außer den TER von Lyon-Perrache nach Saint-Etienne. Bei meinen zahlriechen Besuchen von Confluences scheint mir kein einziges Bild mit Zug gelungen zu sein. Im Herbst stand hier in Confluences zu meiner Verwunderung für längere Zeit ein Frecciarossa von Trenitalia rum. Die Erklärung dafür kam dann im Dezember.
Der Stadtteil Confluences bedeckt den südlichen Zipfel der Halbinsel zwischen den beiden Flüssen und war bis vor wenigen Jahrzehnten ein Hafen- und Industriegebiet. Das markante Museum an der Südspitze ist ein Naturkunde- und Technikmuseum und hat einen relativen universellen Anspruch, alles über den Menschen und da Leben auszustellen. Das Ausstellungskonzept wirkt aber ziemlich willkürlich. Im gleichen Raum finden sich beispielsweise ein Dinosaurierskelett, ein Auto und ein Computer. Ein konservativeres Ausstellungskonzept mit strengerer thematischer Aufteilung fänden wir sinnvoller.

In der Nähe vom Bahnhof Saint-Paul zeigt dieses große Wandgemälde, das Fresque de Lyonnais, eine Auswahl berühmter Lyoner.

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Hierbei erlaube ich mir mal wieder einen kleinen Geschichte-Exkurs. In der oberen Reihe stehen zwei Märtyrer und Stadtpatrone auf dem Balkon: der heilige Irenäus, Bischof von Lyon, und die heilige Blandine. Irenäus gilt als einer der bedeutendsten frühen Kirchenlehrer des 2. Jh. und Verteidiger der katholischen Rechtgläubigkeit gegen die häretische Gnosis. Da die meisten eigenen Schriften der Gnosis verschollen sind, sind seine erhaltenen Polemiken gegen die Gnostiker heute eine wichtige Quelle über deren Glaubensvorstellungen.
In der dritten Reihe in der Mitte steht der Physiker André-Marie Ampère, Namensgeber der SI-Einheit für die Stromstärke. Der Botaniker mit der Pflanze in der unteren Balkonreihe links, ist Antoine de Jussieu. Den muss man nicht kennen, aber mein Wohnheim war nach ihm benannt. Rechts mit dem Filmprojektor stehen die Gebrüder Lumière, Erfnder des Films. Ihre Villa ist heute ein Museum und kann besichtigt werden. Ganz unten rechts von der Tür steht der vor wenigen Jahren verstorbene Starkoch Paul Bocusse, dessen Restaurant man bei der Einfahrt von Norden nach Lyon aus Richtung Dijon gut sehen kann. Ums Eck wäre könnte man neben Anderen den vierten römischen Kaiser Claudius und den Erfinder Marie-Joseph-Jacquard mit seinem mechanischen Webstuhl sehen.

Abends fängt es kräftig an zu regnen und wir können uns noch gerade so in ein Bouchon retten. Für Chris gibt es Quenelle des Brochets, ein fluffiger Hechtkloß mit Hummer/Flusskrebssauce. Der Fisch dafür kommt traditionell aus den Teichen der Dombes, wo ich auf dem Weg nach Bourg-en-Bresse durchgefahren bin. Was man auf einem Teller sehen kann, ist Tablier des Sapeurs ein paniertes Schnitzel aus einem großen Stück Rinderpansen.

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Da es nach dem Essen immer noch regnet, nehmen wir ausnahmsweise nicht das Velo’v zurück, sondern den ÖPNV. Für zwei Stationen nehmen wir die fahrerlose Metrolinie D.

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Kaum ist Chris am Dienstagmorgen heimgefahren, droht abends schon der nächste Besuch, diesmal meine Mutter mit Mann und Hund. Für die nächsten Tage kann ich mich also nach der Uni zum Abendessen einladen lassen :-). Am zweiten Abend entdecken wir mein zukünftiges Lieblingsbouchon Le Laurencin. Das Essen ist sehr solide und für einen Studenten besonders wichtig, man bekommt ein 3-Gänge-Menu für 15 € (2. Halbjahr 2021). Hier gibt es für mich Kalbsleber:

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Am Donnerstagnachmittag habe ich sowohl frei von der Uni als auch vom Besuch. Ich nutze das gute Wetter für einen kurzen Ausflug mit dem Rad nach Norden ins enge Saônetal. Die Kirche des ehemaligen Klosters auf der Île Barbe ist eine der ältesten von Lyon.

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Mein eigentliches Ziel liegt aber hinter der Insel auf dem Festland: die Boulangerie Jocteur, der Bäcker der auch Paul Bocusse für sein Restaurant belieferte. Trotzdem sind die Preise im üblichen Bereich.

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Ich decke mit leckeren Backwaren ein. Spezialität des Hauses ist links das Brioche de Pralines. Die Pralines roses de Lyon sind im Grunde genommen nur gebrannte Mandeln. Die markante rosa Farbe kommt ganz trivial von Farbstoff.

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Glücklicherweise muss ich für ansprechende Backwaren aber nicht immer so weit fahren. In meinem Viertel gibt es auch einen hervorragenden Bäcker mit bezahlbaren Preisen. Von ihm kommt zum Beispiel diese Religieuse:

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Am Samstag ist in dem römisches Theater ein Römerfestival mit historischem Lagerleben und Schauspiel auf der Bühne. Hinauf geht es mit der sehr gut ausgelasteten Standseilbahn Richtung Saint-Just.

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In der gemeinsamen Talstation in der Altstadt beginnt die auch die zweite Standseilbahn auf den Fourvièrehügel.

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Früher gab es vom Saint-Paul noch eine dritte Bergbahn nach Fouvière mit anschließender Tram zum Friedhof, mit der auch die Toten von Lyon befördert wurden. Auf der Trasse der Tram gibt es heute einen Panoramaweg. Leider ist der Ausblick nach Norden aufs Rhônetal ziemlich zugewachsen.
Kaiser Septimus Severus, der 197 n. Chr. bei Lyon einen Konkurrenten um den Kaiserthron besiegt hat, begrüßt uns mit seiner Frau, seinem Heer und seinem Hofstaat.

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Am Sonntag machen wir einen Ausflug mit dem Auto. Carinjo darf natürlich auch mit.

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Meine Mutter möchte nach Bourg-en-Bresse. Naja, da war ich schon. Glücklicherweise konnte ich sie aber davon überzeugen, von dort noch einen weiteren Abstecher in die Schlucht des Ain zum VIaduc de Cize-Bolozon zu machen.

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Im September hatte ich schon überlegt, ob ich einen Besuch des Viadukts irgendwie mit Anreise im Zug umgesetzt bekomme. Direkt östlich der Brücke liegt der Bahnhof Cize-Bolozon. Leider ist der Fahrplan der TER-Linie von Bourg-en-Bresse nach Oyonnax mit drei Zugpaaren am Tag, samstags nur einem, ziemlich unbrauchbar. Mit sehr frühem Start morgens in Lyon wäre es sogar machbar gewesen, aber die Lösung mit dem Auto war dann doch deutlich komfortabler.
Bis 2017 wäre es von Oyonnax noch weiter über die Regionengrenze ins Franche-Comté zur berühmten Ligne des Hirondelles, der Schwalbenlinie, gegangen. Gäbe es diese Verbindung noch, wäre ich auf jeden Fall hingefahren.
Neben den wenigen TER nach Oyonnax fahren seit 2010 die TGV Lyria von Paris nach Genf über die extra dafür mit starker fianzieller Unterstützung durch die Schweiz reaktivierte Ligne du Haut-Bugey und das Viadukt. Da die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten auf der ehemals stillgelegten Nebenbahn nicht sehr hoch sind, ist die Fahrzeitersparnis gegenüber dem Umweg über Ambérieu und Culoz aber nicht besonders groß.
Schließlich gelingt mir sogar noch ein Bild mit TGV Lyria Richtung Genf. Bei der gefühlten Schrittgeschwindigkeit des TGV war keine Eile geboten.

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Auf dem Rückweg machen noch einen kurzen Stopp in dem Dorf Pérouges. Da man den Ort an der Bahnstrecke von Lyon nach Genf relativ gut mit dem Zug erreichen kann und auch aus dem Zug sehen kann, nehme ich ihn in den Bericht mit auf. Die Bastide liegt auf einem Hügel über der Ebene und ist eine beliebte Touristenattraktion bei Lyon. Bastiden sind als Ortsbild im Südwesten Frankreichs in Aquitanien und Okzitanien häufig zu finden, in der Region um Lyon aber eher selten.

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Vive Lyon! Von Traboules, Bouchons und Mâchons - 3/11

Bahne aus Leidenschaft, Donnerstag, 31.08.2023, 13:09 (vor 838 Tagen) @ Bahne aus Leidenschaft

Ab Montag habe ich ein paar Tage Ruhe vor Besuchern. Unter der Woche besichtige ich an einem freien Nachmittag das Gefängnis Montluc in der Nähe des Bahnhofs Part-Dieu. In der Zeit der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg nutzte die Gestapo das Gefängnis, weshalb es heute eine Gedenkstätte ist. Auch nach dem Krieg wurde es als Gefängnis weiter genutzt. Während des Algerienkriegs waren Kämpfer der algerischen Unabhängigkeitsbewegung inhaftiert, 11 wurden hier guillotiniert. Nach seiner Gefangennahme 1983 in Bolivien und Auslieferung an Frankreich war Klaus Barbie, der Schlächter von Lyon, hier 1984 für einige Tage symbolisch in Haft. 2009 wurde das veraltete Gefängnis dann geschlossen.

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Den Samstagvormittag nutze ich für einen kleinen Auslfug mit der zweiten Strecke der Tram-Train de l’Ouest lyonnais von Lyon Saint-Paul nach Sain-Bel.
Ursprünglich ging die Strecke von hier nach Westen weiter bis Montbrison. Von Sain-Bel aus fährt die Museumsbahn Train Touristique des Monts du Lyonnais. Nach einigen Jahren unfreiwiliger Pause gibt es laut der Website seit 2023 wieder Fahrten. Von Railwalker gibt es einen recht aktuellen Bericht über die Strecke.

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Sain-Bel liegt malerisch in einem Tal und hat ein kleines Schloss.

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Auf dem Rückweg nehme ich nicht den direkten Weg. Eine Station nach Sain-Bel in l’Arbresle trifft die Tram-Train-Strecke auf die Hauptstrecke aus Roanne. Nach einem kleinen Rundgang durch l’Arbresle geht es mit einem TER aus Roanne weiter, wieder nur für eine Station nach Lozanne. Hier kreuzt die Strecke von Paray-le-Monial nach Givors-Canal, deren südlichen Abschnitt nach Brignais ich schon im September mit der Tram-Train befahren habe. Der mittlere Abschnitt von Lozanne nach Tassin sollte eigentlich auch von der Tram-Train berücksichtigt werden. Als Sparlösung wurde sie jedoch bislang noch nicht elektrifiziert und es pendelt ein Baleine in überschaubarem Takt zwischen Lozanne und Tassin. Links mein TER aus Roanne, rechts der TER nach Tassin:

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In Tassin muss dann wieder in die Tram aus Sain-Bel umgestiegen werden.

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Ich muss rechtzeitig nach Lyon zurück. Heute Nachmittag kommt nämlich schon der nächste Besuch, mein Vater mit Frau. Der Besuch soll aber deutlich schneller als geplant enden. Die beiden fahren nicht direkt zu ihrem Hotel sondern kommen erst bei mir in Villeurbanne vorbei. Mein Vater fragt, ob wir in der Nähe einen Kaffee trinken können. In der Innenstadt wäre das deutlich schöner gegangen, aber na gut von mir aus. Als mir nach knapp einer Viertelstunde zurückkommen, ist eine Scheibe vom Dienstwagen, ein Mercedes, meines Vaters am helllichten Tag eingeschlagen und das Gepäck geklaut worden. Hoppla!
Also geht es zur Polizei, am Samstagnachmittag gar kein so einfaches Unterfangen. Als wir dann endlich dran sind, ist die Polizei gar nicht überrascht und sagt, wir sollen am Montag zurückkommen.
Die Urlaubslaune bei den beiden ist verständlicherweise am Boden und sie beschließen, am nächsten Morgen schon wieder heimzufahren. Abends treffen wir uns nochmal in der Innenstadt zum Essen. Heute gibt es für mich als Vorspeise einen Markknochen.

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Aus Sorge um meine Sicherheit gibt mein Vater mir ein Schein mit, damit ich mir ein Taxi nach Hause nehmen soll. Das mache ich natürlich nicht, sondern ich nehme wie immer das Rad. Ich selbst habe mich vorher und nachher in Villeurbanne nie unsicher gefühlt.
Meine Patentante, die längere Jahre in Frankreich gewohnt hat, ist von der Geschichte gar nicht überrascht. Ihr Kommentar dazu: „Das weiß man doch. Mercedes, Audi und BMW werden in Frankreich sofort ausgeräumt.“ Ok, das wusste ich nicht. Wir fahren in der Familie normalerweise keine teuren neuen Autos, ich gar keines. Mit einem alten Opel Vectra hatten wir früher mit der Familie im Urlaub in Frankreich diesbezüglich nie Probleme. Auf dem Land ist die Gefahr sicher auch geringer als in Großstädten. Ein Glück habe ich mein Fahrrad in Karlsruhe gelassen und bin immer nur mit meinem gammligen Rucksack unterwegs, den will vermutlich keiner klauen.

Am Sonntag habe ich deshalb überraschenderweise noch nichts vor. Wenn ich daheimsitze und Trübsal blase, ist auch keinem geholfen. Also nutze ich das schöne Wetter für einen Ausflug nach Savoyen zum Lac de Bourget. Los geht es mit einem TER Richtung Grenoble. Auf dieser Linie habe ich in den Monaten ausschließlich Alstom Coradia Duplex gesehen. In La-Tour-du-Pin steige ich in den TER nach Chambéry um. Erfreulicherweise fährt eine Doppeltraktion Z2. Diese Baureihe fehlte mir bislang und die Zeit tickt bei den Z2.

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Nicht so erfreulich ist der Zustand des Innenraums. Selten habe ich so einen widerlich versifften Zug gesehen. Die Sitzbezüge sind entsetzlich verdreckt und viele Fenster sind angelaufen. Ich kann mich nicht erinnern, in Deutschland so einen dreckigen Zug gesehen zu haben. Anscheinend war ich zu angewidert, um ein Bild von innen zu machen.

Chambéry ist die historische Hauptstadt Savoyens, bevor die Herzöge 1563 die Residenz in den italienischen Teil des Herzogtums nach Turin verlegten, um sicherer vor dem langen Arm der französischen Könige zu sein. Damals wurde auch das berühmte Grabtuch nach Turin mitgenommen. Chambéry und ganz Savoyen kam erst 1860 in Folge eines mehr oder weniger vertrauenswürdigen Referendums zu Frankreich. Das Königreich Sardinien-Piemont, der Nachfolgerstaat des Herzogtums Savoyens, stimmte der Abtretung seines Staatsgebiets westlich der Alpen zu im Tausch gegen militärische Unterstützung gegen Österreich bei der Einigung Italiens. Aus dem Königreich Sardinien-Piemont ging dadurch das Königreich Italien hervor und die Savoyer blieben bis 1947 Könige von Italien. Die beiden 1860 neu entstandenen Departements Savoie und Haut-Savoie besitzen die Besonderheit, dass sie nach einem historischen Herrschaftsgebiet benannte sind. Alle anderen Departements wurden nach geographischen Eigenheiten, meistens Flüssen, benannt, da in der französischen Revolution mit der alten Adelsherrschaft endgültig gebrochen werden sollten. Die beiden Departements existierten während der französischen Revolution schon einmal in ähnlicher Form, hießen damals aber Léman (Genfer See) und Mont Blanc. 1860 wählte Napoleon III. aber aus propagandistischen Zwecken die historischen Namen.
Im Vergleich zu der anderen großen Stadt in Savoyen, Annecy, finde ich Chambéry nicht so sehenswert. Die mächtige Burg der Herzöge von Savoyen hat leider Mittagpause.

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Mein eigentliches Tagesziel ist einige Kilometer weiter nördlich am Lac de Bourget. Mit dem Zug geht es weiter nach Aix-les-Bains. Der Kurort liegt sehenswert zwischen Bergen und See. Mit einem Ausflugsschiff fahre ich von hier über den See zur Abbaye de Hautecombe.

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Das Kloster diente im Mittelalter als Grablege der Herzöge von Savoyen und stand schon länger auf meiner Wunschliste. Lange hätte ich nicht mehr warten dürfen. Es fährt nur ein Schiff am Tag relativ spät am Nachmittag und die Tage werden im Oktober spürbar kürzer. Schon bei meiner Mitfahrt wurde es kurz nach der Rückfahrt schon dunkel.
Im 19 Jh. ließ der König von Sardinien-Piemont das verfallene Kloster im Stil des Historismus sanieren. Als letztes Mitglied des Hauses Savoyen wurde der 1983 Umberto II., der letzte König Italiens hier bestattet, da er nicht nach Italien zurück durfte.

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Man mag von religiöser Kunst halten, was man will, aber diese Motivauswahl ist selbst mir neu. Die Muttergottes spritzt dem heiligen Bernhard von Clairvaux Milch ins Gesicht. Das Motiv nennt sich Lactatio Bernardi (https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_von_Clairvaux#Darstellungen) . Naja, jedem seinen Fetisch, meins wäre es eher nicht.

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Vom See fällt der Blick auf die Bahnstrecke, der Mauriennebahn Richtung Mont-Cenis-Tunnel. Auf diesem sensationellen Abschnitt bin ich im September auf dem Rückweg von Annecy gefahren. Auch heute werde ich sie auf dem Rückweg befahren.
Hier befährt ein TER der Relation Lyon – Chambéry mit Nez Cassé und Corailwägen die Strecke.

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Der Schiffskapitän erläutert unterwegs durch die Lautsprecher einige Sehenswürdigkeiten, auch die Bahnstrecke. Er erzählt, dass er vor wenigen Wochen zu seiner Verwunderung einen unbekannten roten TGV gesehen habe, der sich nach kurzer Recherche als italienischer Zug entpuppt habe. Was da wohl im Busch sein mag?
Dann kommen wir auch schon wieder bald in Aix-les-Bains an. Hinter der Stadt erhebt sich der steile Mont Revard, der Namensgeber für den zweiten Namensbestandteil des Bahnhofs Aix-les-Bains-Revard.

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Donnerstagabends steht dann nach 4 Wochen am Stück mit Besuchern der vorerst letzte Besuch an. Mit dem direkten TGV aus Karlsruhe kommen zwei Freundinnen von der Uni an. Inzwischenhabe ich mein 2-Tages-Sightseeing-Programm für Besucher in Lyon ziemlich gut optimiert. ABneds geht es natürlich wieder in ein Bouchon. Mit einer Vegetarienerin ist das aber gar nicht so leicht umzusetzen. Für mich gibt es Tripes (Kutteln).

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Sonntag fahren wir zu dritt mit einem der allgegenwärtigen Alstom Coradia Duplex nach Grenoble. Ein weiterer Freund von uns, macht dort an der Uni sein Auslandsjahr. Auf dem Hin und Rückweg fährt jeweils ein Coradia Duplex. Andere Zugtypen habe ich auf der Linie nach Grenoble nie beobachtet. Hier bei der Ankunft in Grenoble:

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Die markante Seilbahn fährt über die Isère hinauf zur Bastille. Für den Rückweg nach unten werden wir sie nehmen, rauf gehen wir aber zu Fuß.

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Von oben bietet sich ein grandioser Ausblick über die Stadt. Die Stadt selbst begeistert mich nicht so. Auch kulinarisch ist laut unserem Freund nicht so viel los.

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Abends fahre ich dann allein zurück nach Lyon, jedoch wird. Am Montagmorgen steht meine erste Prüfung bevor. Die beiden Mädels bleiben in Grenoble und fahren dann am Montagmorgen über Genf und Basel zurück nach Karlsruhe. In einem der letzten Teile werde ich nochmal länger in Grenoble zu Besuch sein.
Die Prüfung verläuft so weit akzeptabel. In den meisten der nächsten Wochen werde ich montagmorgens eine Prüfung haben. Während des Semesters bin ich das aus Deutschland nicht gewohnt. Die Prüfungen in Lyon sind deutlich weniger umfangreich und leichter als in Deutschland und bei den meisten Fächern auf 2-3 Teilprüfungen aufgeteilt. Dafür hat man weniger Zeit zu Vorbereitung. Insgesamt ähneln sie eher Arbeiten an der Schule als Klausuren an der Uni in Deutschland.

In der nächsten Woche an Allerheiligen hat die Uni eine Woche Urlaub. Die freie Woche werde ich für eine kleine Rundreise nutzen. Bahntechnisches Highlight wird die Cevennenbahn.

P. S.: In diesem Teil ist als Rätsel ein kleiner Fehler eingebaut. Ein Bild passt in Wirklichkeit überhaupt nicht rein. Bestimmt ist es jemandem aufgefallen. Ich bin gespannt auf Lösungsvorschläge.

Vive Lyon! Von Traboules, Bouchons und Mâchons - 3/11

MC_Hans, 8001376, Donnerstag, 31.08.2023, 23:07 (vor 838 Tagen) @ Bahne aus Leidenschaft
bearbeitet von MC_Hans, Donnerstag, 31.08.2023, 23:08

P. S.: In diesem Teil ist als Rätsel ein kleiner Fehler eingebaut. Ein Bild passt in Wirklichkeit überhaupt nicht rein. Bestimmt ist es jemandem aufgefallen. Ich bin gespannt auf Lösungsvorschläge.

Bild 147 ist nicht in Grenoble entstanden. Grenoble hat kein Gleis 3 und eine Nummerierung der Bahnsteigkanten ist in Frankreich allgemein eher ungewöhnlich. Die Umgebung des Bilds passt nicht zu Grenoble. Der Triebwagen stammt nicht aus der Gegend.

Das Farbschema der TER Auvergne-Rhône-Alpes ist geprägt von Hellblau, zu sehen am Coradia Duplex in Aix-les-Bains - Le Revard in Bild 60, Teil 2 des Berichts.

Der Triebwagen im Bild trägt das Farbkleid der Region Grand Est. Das Bild wurde am Bahnhof von Nancy aufgenommen.

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Rätsel gelöst

Bahne aus Leidenschaft, Freitag, 01.09.2023, 07:18 (vor 837 Tagen) @ MC_Hans

Hallo Hans,

absolut korrekte Antwort: richtiges Bild, richtiger Bahnhof, richtige Erklärung.

Dieses Bild ist nicht 2021 in Grenoble entstanden, sondern wie du korrekt erklärst in Nancy. Bei ganz genauer Betrachtung kann man am Ende das ersten Wagens sogar das gelbe Logo der Region Lothringen erahnen. Bild 146 ist auch in diesem Zug, aber da glaube ich nicht, dass es einen erkennbaren Unterschied zu erkennen gibt.

Mit diesem Zug bin ich erst vor drei Tagen am Dienstag von Metz nach Nancy gefahren. Da ich absolut gar kein Bahnbild für den Grenoble-Ausflug hatte, kam mir spontan die Idee, zu schummeln und einfach ein Bild von diesem Coradia Duplex einzubauen. Früher oder später wäre der Fehler aber bestimmt jemandem hier aufgefallen, also einfach als Rätsel.

Viele Grüße
Eric

Link zu funktionierenden Bildlinks

Bahne aus Leidenschaft, Sonntag, 14.07.2024, 18:11 (vor 520 Tagen) @ Bahne aus Leidenschaft

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