Heart of Britain (1) [m.B.] (Reiseberichte)
Anfang Juli ging es endlich mal wieder nach Großbritannien: Die Idee war, zuerst ein bisschen alleine in Südwestengland herumzufahren, wo ich vor 30 Jahren die ersten Male meinen Fuß in das Land gesetzt hatte, dann zum ersten Mal Wales zu besuchen und dann zu der Freundin zu fahren, die schon länger in England wohnt, inzwischen nahe der walisischen Grenze. Für die Fahrt kaufe ich mir ein „7 Tage in 1 Monat“-Interrail und die nötigen Reservierungen für den Eurostar. Auch im ICE nach und von Brüssel reserviere ich, da das im Sommer dringend empfohlen wird.
Einige Zeit vor der Reise checke ich noch mal die Verbindung für die Anreise, und siehe da: Statt um 7:44 Uhr muss ich nun schon um 6:44 Uhr losfahren, um den gebuchten Eurostar zu erreichen. Der Grund dafür ist, dass der ICE nach Brüssel zwischen Köln und Aachen wegen Bauarbeiten umgeleitet wird. Meine Reservierung im ICE Bremen–Köln ist damit wertlos, auf eine Diskussion mit der DB um eine kostenlose Umbuchung will ich mich aber nicht einlassen, da ich um diese Uhrzeit mit keiner hohen Auslastung rechne.
Das bewahrheitet sich dann auch: Zwar sind keine Reservierungen angezeigt, so dass ich zwischendurch einmal den Sitzplatz wechseln muss, ich habe aber während der ganzen Fahrt einen. Pünktlich ist selbige auch, so dass ich die knappe Stunde Übergangszeit in KK in der Lounge verbringen kann. Der Anschluss-ICE ist tatsächlich voll, so dass sich die Reservierung lohnt, vor allem aber vorhanden – hier im Forum hatte ich ja über die momentan unterirdische Fahrzeugverfügbarkeit der Mehrsystem-ICE gelesen. Nachdem wir auch pünktlich abfahren, glaube ich, damit das Gröbste hinter mir zu haben. Nach der Umleitung über Rheydt Hbf, wo wir die Fahrtrichtung wechseln (zumindest teilweise eine neue Strecke für mich) erreichen wir Aachen, wo wir nach einem weiterem Richtungswechsel weiter nach Belgien fahren sollen.
Doch daraus wird nichts: Uns wird mitgeteilt, dass sich der ablösende Tf krank gemeldet habe und der Zug mangels Reserve außerplanmäßig hier ende. Als Ersatzverbindung werden wir auf den Regionalzug eine Dreiviertelstunde später verwiesen. Ich habe leise Zweifel, dass die Fahrgäste eines vollbesetzten ICE dort hineinpassen, und genauso ist es dann auch: Obwohl sich in dem alten Triebwagen die Leute geradezu stapeln, passen sie nicht alle hinein. Da ich mich gar nicht erst ins Gedränge gestürzt hatte, trifft das auch mich. Um nicht eine Stunde warten und dann auf den recht knappen Anschluss in Welkenraedt hoffen zu müssen, besinne ich mich mithilfe des Navigators darauf, dass es von Aachen auch einen Bus nach Eupen gibt, wo ich den belgischen IC nach Brüssel bequem erreichen kann.
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In so einen Triebwagen versuchten sich sämtliche Passagiere des gestrandeten ICE zu quetschen (Aufnahme von meiner Rückfahrt)
Das funktioniert dann auch, und da auf die Idee sonst niemand gekommen war, habe ich im IC freie Platzwahl:
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Leerer IC von Eupen nach Brüssel
Auf diese Weise kann ich auch mal wieder die alte, sehenswertere Strecke durch das Tal der Weser (Vesdre) fahren und werde nacheinander gleich von drei Zugbegleitern kontrolliert.
In Brüssel angekommen, ist natürlich die spannende Frage, wie leicht ich meine Reservierung für den Eurostar umbuchen kann. Ich hatte gehört, dass man da sehr kulant ist (es gibt dafür die Regelung HOTNAT=Hop on the next available train), aber dazu müssen natürlich auch noch Plätze verfügbar sein. Tatsächlich interessieren die Frau am Check-in meine Gründe nicht großartig (wahrscheinlich bin ich an dem Tag auch nicht der erste), sie kann mich aber erst auf den übernächsten Zug umbuchen. Nach kurzer Recherche stelle ich fest, dass ich mein Tagesziel Weymouth dann noch erreichen kann und sage im Hotel Bescheid, dass es später wird. Immerhin habe ich so noch Zeit für belgische Pommes und ein paar Fotos von den örtlichen Verkehrsmitteln, unter anderem einem PCC-Wagen. Beim Check-in bin ich etwas enttäuscht, dass man keinen britischen Stempel in den Pass bekommt (der Freund, den ich später auf der Reise treffe, meint, den gäbe es nicht mal auf Wunsch). Dafür finde ich die automatischen Passkontrollen beeindruckend. Nach dem Einchecken versuche ich mit meinem BahnBonus-Platinstatus in die Lounge zu kommen. Der Mitarbeiter hat zwar noch keine Infos über die neuen Status, lässt mich aber rein.
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PCC-Straßenbahnwagen am Brüsseler Südbahnhof
Von nun an läuft immerhin alles wieder wie geplant: Der Eurostar kommt pünktlich in London an, und dank kontaktloser Kreditkarte muss ich mich nicht am Fahrkartenautomaten der U-Bahn anstellen. So reicht die Übergangszeit von etwa 45 Minuten zum Waterloo-Bahnhof aus, so dass ich noch den 20:35 nach Weymouth erreiche. Leider sehe ich nun nur noch den Anfang der Strecke im Hellen und werde außerdem verständlicherweise recht müde. Blöderweise hatte ich außerdem beim Einsteigen nicht gesehen, dass der hintere Zugteil, in dem ich sitze, in Bournemouth endet, so dass ich noch den Platz wechseln muss. Das tue ich dann später noch mal, als in den Badeorten an der Küste einige feuchtfröhliche Gruppen einsteigen. Umso froher bin ich, als ich mit leichter Verspätung gegen 23:30 Uhr Ortszeit mein Reiseziel erreiche. Zum Glück ist es zum Hotel nicht weit, und da es gleichzeitig ein Pub ist, ist auch noch jemand da, um mich in Empfang zu nehmen, so dass ich bald ins Bett sinken kann.
Am nächsten Tag erkunde ich Weymouth, das eines der ersten Badeorte an der britischen Küste war. Viel hat sich dort in den letzten dreißig Jahren nicht verändert. Auch heute noch fahren im Sommer oben offene Doppeldeckerbusse durch die Stadt, inzwischen werden sie (nach dem Namen der fossilienreichen Küste) als „Jurassic Coaster“ bezeichnet.
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Der Strand von Weymouth
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Hier kann man schon etwas gewinnen, wenn man nur Müll in die Tonne wirft
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Die Jubilee Clock ist eins der Wahrzeichen von Weymouth
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Am Hafen
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Very british
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Oben offener Doppeldecker im Juli 1993 …
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… und im Juli 2023
Nach einem ausgiebigen Rundgang durch die Stadt hole ich mein Gepäck aus dem Hotel und marschiere wieder zum Bahnhof. Dieser ist der Endpunkt der von der South Western Railway betriebenen Strecke von London und gleichzeitig die südwestlichste, die mit dem südostenglischen System mit 750-V-Stromschiene elektrifiziert ist. In Dorchester zweigt die nicht elektrifizierte, von der Great Western Railway betriebene Heart of Wessex Line ab, über die ich nun weiterfahren will.
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Triebwagen der Class 166 für die Fahrt über die Heart of Wessex Line
Während die Londoner Strecke täglich im Stundentakt (mit überschlagener Wende in Weymouth) befahren wird, ist das Zugangebot auf der eingleisigen Heart of Wessex Line an einem Sonntag wie heute sehr überschaubar. Das hält zahlreiche Fahrgäste nicht davon ab, den Triebwagen der Baureihe 166zu entern. Ich finde trotzdem aber noch bequem einen Sitzplatz. Der Zub ist beim Anblick meines Interrails sichtlich überrascht, akzeptiert es aber anstandslos.
Der Name der Strecke enttäuscht nicht, sie führt tatsächlich durch schöne, dünn besiedelte südenglische Landschaft. Es gibt einige Bedarfshaltepunkte, die scheinbar mitten im Nirgendwo liegen, teilweise bei unserer Fahrt aber genutzt werden. Bei Yeovil kreuzen wir ohne gemeinsamen Bahnhof die Strecke nach Exeter, ein Relikt der Frühzeit der Eisenbahn, als jede Bahngesellschaft für sich baute. In Castle Cary mündet die Strecke aber in die andere Hauptstrecke nach Exeter. Dorthin muss ich hier auch umsteigen, leider mit 50 Minuten Aufenthalt. Da das Wetter aber gerade sehr angenehm ist, gibt es Schlimmeres.
Während ich warte, füllen sich die Bahnsteige immer mehr, leider nimmt auch die Verspätung meines Anschlusszuges zu. Allerdings muss man den Briten lassen, dass sie darüber sehr gut informieren: Alle paar Minuten gibt es ein Update per Anzeige und Ansage mit der minutengenauen Verspätung. Kurz vor Ankunft des Zuges wird die Prognose von 18 auf 16 Minuten gesenkt, was dann auch ganz gut hinkommt. Leider ist damit mein Anschluss in Exeter trotzdem weg, aber da auf der Hauptstrecke die Züge recht oft fahren, verliere ich dadurch nur etwa eine halbe Stunde. Die Fahrt führt vorbei an der „Sea Wall“ bei Dawlish Warren, einer fotogenen roten Steilküste. In Plymouth angekommen, beziehe ich mein Domizil für die nächsten drei Nächte, ein Appartement direkt am Bahnhof. Wenn ich schon mal in GB bin, muss natürlich ein Essen vom Chinese Takeaway sein, das ich in der Gemeinschaftsküche meiner Unterkunft zu mir nehme. Leider bellen mich dort die Hunde eines jungen britischen Paares an, das sich dafür tausendmal entschuldigt. Zum Glück habe ich keine große Angst vor Hunden, nervig ist es aber trotzdem.
Fortsetzung folgt!
ICE endet in Aachen
Vielen Dank für deinen Bericht,
genau das gleiche wie dir ist uns letztes Jahr auch in Aachen passiert. Nachdem es in Frankfurt mit ca. +60 wegen technischen Problemen am Amsterdamer Zugteil schließlich ohne diesen los ging, kam kurz vor Aachen die Durchsage, dass unser Zug hier außerplanmäßig endet.
Erfreulicherweise wurde bei uns aber nicht auf den RE Richtung Spa verwiesen, sondern auf den nächsten ICE. Bei der Stunde Verspätung wäre der ICE tatsächlich ähnlich schnell oder sogar schneller in Brüssel gewesen. Auf einen ICE mit Fahrgästen aus zwei ICE hatten wir aber keine Lust und so haben wir den mäßig besetzten RE genommen. Im Gegensatz zu dir hatten wir zum Glück keine Eile, unser Ziel Brüssel zu erreichen und so hatte ich nichts gegen eine Fahrt mit dem urigen Triebwagen und danach im IC über die Altstrecke durchs Wesertal.
Für uns ist dann sogar noch ein spontaner Stadtrundgang in Löwen dabei rausgesprungen.
Viele Grüße
Eric
Very Nice! Freue mich sehr auf die Fortsetzung.
- kein Text -
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Mit Interrail unterwegs ab 03.07.!
ICE endet in Aachen
Das 'funktioniert'auch in die andere Richtung: Bei meiner Rückfahrt mit dem ES am 28.05. verkehrten die ICE baustellenbedingt erst ab Bruxelles Nord, womit diese fahrplanmäßig nicht erreichbar waren. Ein Blick in die belgische Abfahrtstafel offenbarte allerdings eine Verspätung des ICE von gut 15 Minuten, so dass ich halsbrecherich in (zwei!) Minuten in Midi vom ES-Gate nach Gleis 11 auf einen in Bruxelles Nord haltenden IC gewechselt bin und ob der zwei Stunden früheren Ankunft in D frohlockte. Es wurde allerdings (mit einer schließlichen Abfahrtsverspätung von 33 Minuten) eine regelrechte Chaosfahrt durch Belgien daraus. Erst ging es die gesamte Altsrecke ab Leuven im beschaulichen Blumenpflücktempo Richtung Angleur. Jedoch es hieß es dann, dass der Zug wegen einer Weichenstörung außerplanmäßig via Liege-Guillemins umgeleitet würde. Dummerweise stand der Ablöselokführer in Angleurs uns musste erst mit dem Taxi zum neuen Ablösepunkt gebracht werden. Als Sahnehäubchen waren dann auch ein Großteil der Toiletten im Zug defekt, so dass sich die TL schließlich entschied, den Zug in Köln verenden zu lassen. So war es dann doch nichts mit der früheren Ankunft zu Hause, aber zumindest habe ich die Zeit noch gut nutzen können und habe nach 2 1/2 Wochen Fish / Burger & Chips, aber dafür ausschließlich funktionierenden Zugverbindungen auf der britischen Insel bis rauf nach Thurso mal wieder heimisches Himmel und Äd beim Gaffel am Dom speisen können :-)
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Kavenio
Heart of Britain (1) [m.B.]
Hey JanZ
Danke für den Bericht.
Ich war letzten September (Schottland) und diesen Juni (Cardiff, Exeter und Birmingham )nach langer Zeit mal wieder auf der Insel und muss sagen, dass es mir tatsächlich sehr gut gefallen hat. Trotz der Unkenrufe, die ich vorher geerntet hatte.
Die inkludierte Verpflegung in der 1. Klasse auch mit Interrail hat da sicherlich ihr Übriges dazu getan.
Ich freue mich auf die weiteren Berichte.
Viele Grüsse
Christian
Danke und Link zum nächsten Teil
Vielen Dank für eure Kommentare! Ja, Großbritannien ist immer eine Reise wert, auch nach dem Brexit. Die Brüssel-ICE scheinen echt ein wunder Punkt zu sein. Ihr dürft gespannt sein, wie meine Rückfahrt verlief. Hier gibt es aber erst mal den zweiten Teil meines Reiseberichts: https://www.ice-treff.de/index.php?id=683021