Sommertour 2020 | Tag 1/9: Schönbuch- & Strohgäubahn (69 B) (Reiseberichte)

TD, Mittwoch, 15.02.2023, 18:11 (vor 1045 Tagen)

Hallo zusammen,

ich finde nun endlich Zeit, eine große Sommertour aus dem Jahr 2020 als Reisebericht aufzubereiten. Das erste Corona-Jahr war mit vielen Unsicherheiten, Risiken und Einschränkungen verbunden, gerade auch was Urlaub im Ausland betraf. Und so konzentrieren wir uns auf Deutschland und wagen uns nur für kurze Abstecher ins grenznahe Ausland.

Auf unserem Plan stehen der Großraum Stuttgart mit Schönbuchbahn, Strohgäubahn und Wieslauftalbahn, der ICE von Stuttgart über Würzburg nach Berlin, Ostbahn und die Buckower Kleinbahn, der Intercity von Berlin nach Amsterdam, der Eurocity 115 mit einem baustellenbedingt illustren Laufweg, die Mainschleifenbahn, Salzburger Lokalbahn und Mattigtalbahn, der Oldtimer-Triebwagen auf der Linzer Lokalbahn, die Mühlkreisbahn sowie der SBB-Panoramawagen auf der Allgäubahn.

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Am ersten Reisetag fahren wir vom Bodensee über die Gäubahn nach Böblingen und besuchen die Schönbuchbahn nach Dettenhausen, anschließend fahren wir über Weil der Stadt zur Strohgäubahn nach Heimerdingen und weiter nach Stuttgart. Am zweiten Reisetag besuchen wir die Wieslauftalbahn von Schorndorf nach Rudersberg und widmen uns dem Ersatzverkehr zwischen Stuttgart und Tübingen. Der dritte Reisetag steht im Zeichen des Fernverkehrs, wir fahren von Stuttgart über die Frankenbahn nach Berlin und weiter nach Buckow. An Reisetag vier besuchen wir Kostrzyn in Polen und reisen nach Berlin. Am fünften Reisetag machen wir richtig Kilometer, wir fahren von Berlin nach Köln – allerdings über Amsterdam. Der sechste Reisetag führt uns von Köln entlang von Rhein und Main nach Würzburg und zur Mainschleifenbahn nach Volkach, am Abend fahren wir nach Rothenburg ob der Tauber. Am siebten Tag genießen wir die Fahrt mit dem EC 115 durch das Altmühltal und weiter nach Salzburg, wo wir am Abend das Netz der Salzburger Lokalbahn erkunden. Am achten Tag starten wir von Salzburg nach Braunau und weiter über Neumarkt-Kallham zur Linzer Lokalbahn nach Peuerbach, bevor wir am Nachmittag die Mühlkreisbahn von Linz nach Aigen-Schlägl befahren. Für die Rückfahrt an den Bodensee am neunten Reisetag wählen wir eine Variante über München, durch das Allgäu und die Ostschweiz nach Konstanz.


Tag 1: Allensbach – Singen – Böblingen – Dettenhausen – Holzgerlingen – Böblingen – Renningen – Weil der Stadt – Korntal – Heimerdingen – Korntal – Stuttgart

Wir beginnen die Tour in Allensbach am Bodensee, unser erster Zug ist der ‚seehas‘ nach Singen. Die Nahverkehrsleistungen werden von der SBB GmbH mit Flirt-Triebzügen erbracht. Die Strecke führt am Untersee nach Radolfzell und weiter nach Singen.

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In Singen steigen wir um, eine schweizerische Lok fährt mit dem Intercity aus Zürich ein. Nach Lok- und Fahrtrichtungswechsel fahren wir mit der SBB-Wagengarnitur auf der Gäubahn in Richtung Stuttgart. Wir suchen uns gleich ein Plätzchen und kümmern uns gar nicht darum, welche Lok den Zug hier übernimmt. Als unterwegs selbst Gleisarbeiter die Smartphones zücken, während unser Zug durchfährt, nehme ich mir vor, später in Böblingen genauer auf die Lok zu schauen.

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Zunächst genießen wir aber die Fahrt auf der Gäubahn, hier fahren wir südlich von Tuttlingen durch das Tal der oberen Donau, im Stadtgebiet von Tuttlingen queren wir den Fluss.

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Später begleitet uns der Neckar, den wir mehrfach queren, wie hier in Horb mit Blick hinauf zur Altstadt mit der Stiftskirche. Anschließend windet sich die Bahnstrecke hinauf auf die Gäuebene, wo uns ein landschaftliches Kontrastprogramm erwartet. In Böblingen verlassen wir den Zug, jetzt müssen wir aber wirklich mal nach der Lok schauen…

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Aha, eine farbenfrohe Werbelok. Es geht auf der Gäubahn recht international zu, die schweizerischen Züge werden auf dem deutschen Abschnitt von österreichischen Loks gezogen, der Taurus ist als Botschafter für die österreichische Polizei unterwegs.

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So, am Bahnhof Böblingen beginnen wir nun unsere erste Nebenbahn-Erkundung im Großraum Stuttgart, und zwar mit der Schönbuchbahn nach Dettenhausen. Die Strecke wurde 2018 elektrifiziert, seither gibt es einen Mischbetrieb mit Regioshuttle-Dieseltriebzügen und Elektrotriebzügen der Baureihe 426. Wir erwischen einen 426er.

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Die Schönbuchbahn ist 17 Kilometer lang, sie führt durch die Region Schönbuchlichtung nach Südosten. Die Strecke wurde im Jahr 1911 von den Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen in Betrieb genommen, 1965 begann die Deutsche Bundesbahn mit der Umstellung des Personenverkehrs auf Bahnbusse, 1990 endete der Güterverkehr. 1996 wurde die Strecke unter kommunaler Trägerschaft wieder eröffnet.

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Nach gut zwanzig Minuten haben wir den Endbahnhof Dettenhausen erreicht. Die Strecke wird von der Württembergischen Eisenbahngesellschaft (WEG) betrieben. Rechts ein von der Deutschen Bahn angemieteter Elektrotriebwagen, der mit WEG-Logo unterwegs ist. Links einer der Regioshuttle-Dieseltriebwagen, die die Strecke seit der Wiedereröffnung prägten.

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Dettenhausen ist eine Gemeinde mit 5.400 Einwohnern in der Neckar-Alb-Region. Wir unternehmen einen kleinen Spaziergang durch die Ortsmitte bis zum Rathaus.

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Schließlich kehren wir zum Bahnhof von Dettenhausen zurück. Von Dettenhausen gibt es tagsüber einen 30-Minuten-Takt. Die Nachfrage auf der wiedereröffneten Strecke entwickelte sich äußerst erfreulich, so dass die Kapazitäten bald an Grenzen stießen und Planungen für einen partiellen zweigleisigen Ausbau und für die Elektrifizierung angestoßen wurden.

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Für die Rückfahrt treffen wir wieder auf den Elektrotriebwagen. Zum Zeitpunkt der Reise im Jahr 2020 war ich noch davon ausgegangen, dass sich der Fahrzeugeinsatz bald ändern würde, da der Zweckverband Schönbuchbahn bei CAF neue Elektrotriebzüge bestellt hatte. Das erste Exemplar traf im Juni 2020 in Böblingen ein. Aufgrund falsch dimensionierter Bremsen kamen die neuen Züge jedoch bis heute nicht zum Einsatz, mittlerweile ist die Rede von einem Einsatz ab März 2024.

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Die Rückfahrt unterbrechen wir in Holzgerlingen, die Kleinstadt mit 13.000 Einwohnern liegt etwa in der Mitte der Strecke der Schönbuchbahn. Auf dem nächsten Bild sehen wir das alte Rathaus, das übernächste Bild zeigt die Mauritiuskirche, deren Wehrturm aus dem elften Jahrhundert stammt.

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Im früheren Bahnhofsgebäude von Holzgerlingen hat mittlerweile Gastronomie Einzug gehalten. In der Hauptverkehrszeit besteht zwischen Holzgerlingen und Böblingen ein Viertelstundentakt. Bei einem solchen Zwischenkurs treffen wir nun auf einen Regioshuttle-Dieseltriebwagen.

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Na, dieses Gebäude sieht aber doch auch nach Bahnhof aus? Wir sehen hier den ehemaligen Keilbahnhof Schönaicher First. Von dort führte einst eine drei Kilometer lange Stichbahn ins benachbarte Schönaich. Die Strecke nach Schönaich wurde 1959 stillgelegt, auf dem nächsten Bild sehen wir ein Reststück, auf dem bis in die 2000er-Jahre noch Güterverkehr zum Gleisanschluss eines Unternehmens stattfand – übrigens mit Regioshuttles der Schönbuchbahn als Schlepptriebwagen.

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Bevor wir weiterfahren, wollen wir noch ein paar Eindrücke von Böblingen sammeln. Hier blicken wir vom Oberen See zum Turm der Stadtpfarrkirche. Im Zweiten Weltkrieg wurde der größte Teil der Altstadt von Böblingen zerstört, darunter auch die Stadtpfarrkirche, sie wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut.

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Vom Marktplatz mit dem 1952 erbauten alten Rathaus…

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…machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof. Auf dem Plan steht nun die Rankbachbahn – auch als Linie S 60 der Stuttgarter S-Bahn bekannt.

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Die 14 Kilometer lange Strecke führt von Böblingen nach Renningen. Die Strecke wurde 1915 eröffnet, 1970 wurde der durchgehende Personenverkehr eingestellt. Im Jahr 2012 wurde die Strecke mit dem S-Bahn-Betrieb wieder zum Leben erweckt.
Nach einer Viertelstunde ist Renningen erreicht, dort gibt es einen schlanken 2-Minuten-Übergang auf die S 6 nach Weil der Stadt. So schlank, dass die Zeit nicht für ein Bild reicht. Noch fünf Minuten fahren wir jetzt bis zur Endstation der S 6.

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Schade, das war wohl nichts. Ich will ja nicht nur Strecken bereisen, sondern auch Eindrücke der Orte sammeln. Und die Bilder, die ich vorher von Weil der Stadt gesehen hatte, waren vielversprechend. Dass der Marktplatz umgegraben wird, hatte ich allerdings nicht auf dem Schirm. Hier sehen wir das Keplerdenkmal und auf dem nächsten Bild das Rathaus. Das Stadtbild der ehemaligen Reichsstadt wird dominiert von der Kirche St. Peter und Paul.

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Aber so schlimm ist das mit der Baustelle gar nicht – denn ich werde wiederkommen, das habe ich mir schon vorgenommen. Und zwar sobald Weil der Stadt auch aus der anderen Richtung erreichbar ist. Der Bahnhof von Weil der Stadt liegt an der Württembergischen Schwarzwaldbahn von Stuttgart nach Calw. Während der Abschnitt von Stuttgart nach Weil der Stadt zum S-Bahn-Netz gehört, ist der weitere Abschnitt in den Schwarzwald seit den 1980er-Jahren außer Betrieb. Derzeit laufen die Vorbereitungen zur Reaktivierung der Strecke unter dem Namen Hermann-Hesse-Bahn. Ich bin schon darauf gespannt, eines Tages aus der anderen Richtung in den Bahnhof einzufahren.

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Jetzt geht es aber erstmal mit der S 6 zurück in Richtung Renningen und diesmal weiter auf der Württembergischen Schwarzwaldbahn in Richtung Stuttgart. Die S-Bahn fährt durch die sanfte Landschaft des Heckengäus.

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Die Bahnstrecke folgt dem Tal der Glems, über Fluss und Bahnstrecke thront Schloss Höfingen, eine im 16. Jahrhundert erbaute Schlossanlage auf den Resten einer mittelalterlichen Burg. Beim nächsten Bild sehen wir den Hügel „Grüner Heiner“, dem wir nachher noch einmal aus anderer Perspektive begegnen werden.

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Am Bahnhof Korntal unterbrechen wir die Fahrt mit der S-Bahn, denn nun wollen wir der Strohgäubahn einen Besuch abstatten. Die Strohgäubahn ist eine 22 Kilometer lange nicht elektrifizierte Stichbahn. Die Strecke wird von der WEG mit grün-gelben Regioshuttle-Dieseltriebwagen betrieben.

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Die Strecke verläuft sehr kurvenreich mit Steigungen und Gefällen durch die Feldlandschaft des Strohgäus. Hier sehen wir nun wieder den Grünen Heiner, der Hügel wurde in den 1950er-Jahren mit großen Mengen von Bauschutt künstlich aufgeschüttet.

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Die Strohgäubahn wurde ursprünglich als Meterspurbahn geplant, sie sollte bis ins 50 Kilometer entfernte Pforzheim führen und die Perspektiven der ländlich geprägten Region verbessern. Stattdessen wurde nur eine Stichstrecke nach Weissach realisiert, die Strecke wurde 1906 eröffnet. Der Bahnhof von Hemmingen stammt aus dem Eröffnungsjahr der Bahnstrecke.

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Seit dem Jahr 2017 ist Heimerdingen Endpunkt des regulären Personenverkehrs. Nach einer Fahrzeit von 23 Minuten ist der 4.000-Einwohner-Ort erreicht. Auch hier unternehmen wir einen kleinen Spaziergang durch das Dorf.

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Auch das Bahnhofsgebäude von Heimerdingen stammt aus dem Jahr 1906, es ist mittlerweile als Kulturdenkmal ausgewiesen. Die Strecke führt von hier noch knapp sechs Kilometer weiter nach Weissach.

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Ein paar Schritte folgen wir dem nicht mehr regulär befahrenen Abschnitt der Strohgäubahn. Die Strohgäubahn war früher einstellungsgefährdet, im Jahr 1978 gab es gerade noch vier Personenzüge täglich. Im Jahr 2009 wurde die Strecke von einem kommunalen Zweckverband übernommen. Seither wurde die Strecke zwischen Korntal und Heimerdingen modernisiert, der letzte Abschnitt bis Weissach hingegen wurde aufgegeben, da die Fahrgastprognosen die Mehrkosten für eine erhöhte Umlaufzeit und notwendige Investitionen nicht rechtfertigten. Der Streckenabschnitt bis Weissach wurde zur Sicherung der Bahninfrastruktur von der Gemeinde Weissach erworben, er wird im Rahmen von Sonderfahrten befahren.

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Für uns geht es nun zurück nach Korntal, die Strecke wird Montag bis Samstag im 30-Minuten-Takt bedient, sonntags stündlich. Die Farbgebung der Triebwagen sei eine Hommage an die goldgelben Felder und die saftig grünen Wiesen des Strohgäus, so heißt es.

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Auch in Schwieberdingen gibt es ein historisches Bahnhofsgebäude. Hier befindet sich der tiefste Punkt der Strecke, nach Korntal geht es nun wieder leicht hinauf. Die Gemeinde Schwieberdingen ist eines der Mitglieder des Zweckverbands Strohgäubahn.

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Am Bahnhof Korntal endet unser Besuch bei der Strohgäubahn. Der Bahnhof wurde 1868 von der Königlich Württembergischen Staatsbahn eröffnet, damals noch unter dem Namen Kornthal.
Wir fahren nun mit der S-Bahn nach Stuttgart, eine knappe Viertelstunde dauert die Fahrt ins Zentrum.

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Und mit zwei Abendbildern mit dem Brunnen auf dem Schlossplatz und dem Neuen Schloss beschließen wir den ersten Reisetag. In den nächsten Tag folgt der zweiten Teil, dann widmen wir uns der Wieslauftalbahn und den Zügen des Ersatzverkehrs zwischen Stuttgart und Tübingen.

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Viele Grüße

Tobias

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[image] "Fensterplatz, bitte." - Meine Bahnreiseberichte.de.| instagram.com/fensterplatz.bitte/

Optimismus.

Der Blaschke, Bissendorf-Wissingen, Mittwoch, 15.02.2023, 21:56 (vor 1045 Tagen) @ TD

Hey.

Die Strecke wurde 2018 elektrifiziert, seither gibt es einen Mischbetrieb mit Regioshuttle-Dieseltriebzügen und Elektrotriebzügen der Baureihe 426. Wir erwischen einen 426er.

Der Bonsai-Quietschie! Ein wundervolles Fahrzeug - ein Traum für jeden Erheber. Kurze Wege. Herrlich übersichtlich. Keine Berg- und Talfahrt beim Fußboden. Einfach toll. Nie hat man besseres erfunden.

Aber so schlimm ist das mit der Baustelle gar nicht – denn ich werde wiederkommen, das habe ich mir schon vorgenommen. Und zwar sobald Weil der Stadt auch aus der anderen Richtung erreichbar ist. Der Bahnhof von Weil der Stadt liegt an der Württembergischen Schwarzwaldbahn von Stuttgart nach Calw. Während der Abschnitt von Stuttgart nach Weil der Stadt zum S-Bahn-Netz gehört, ist der weitere Abschnitt in den Schwarzwald seit den 1980er-Jahren außer Betrieb. Derzeit laufen die Vorbereitungen zur Reaktivierung der Strecke unter dem Namen Hermann-Hesse-Bahn. Ich bin schon darauf gespannt, eines Tages aus der anderen Richtung in den Bahnhof einzufahren.


Du willst also unsterblich werden ...

Immerhin: das ist Optimismus, den Deutschland braucht!


Schöne Grüße von jörg

Danke!

ICE4711, Montag, 20.02.2023, 04:38 (vor 1041 Tagen) @ TD

Danke für den tollen Bericht aus der Region Stuttgart. Als Stuttgarter kenne ich die beiden befahrenen Nebenbahnen bereits, habe jetzt dank dir aber noch einiges über sie gelernt :)

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