Alpen-U-Bahn und hundert Täler (1/3, 67 Bilder) (Reiseberichte)

TD, Samstag, 22.08.2020, 15:00 (vor 1336 Tagen)

Hallo zusammen,

nachdem ich Euch zuletzt auf eine Reise nach Montenegro mitgenommen hatte, will ich jetzt noch eine letzte Reise aus dem Jahr 2018 aufbereiten.

Vielleicht erinnert Ihr Euch an die bisherigen Einkaufstouren von Geburtstagstorten wie Linzer Torte oder Sachertorte. Diesmal soll es ein Kuchen aus dem italienischen Mantua sein, rundherum basteln wir eine dreitägige Tour und besuchen auch die Dorf-U-Bahn von Serfaus und die Centovalli-Bahn.

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Am ersten Reisetag fahren wir vom Bodensee über die Arlbergstrecke nach Landeck-Zams und mit dem Bus nach Serfaus, am Abend geht es weiter nach Innsbruck. Am zweiten Reisetag Tag fahren wir über die Brennerstrecke nach Mantua und weiter nach Mailand. Für die Rückfahrt am dritten Tag wählen wir den Umweg mit der Centovalli-Bahn und über die Lötschberg-Bergstrecke. Die erstklassige Tour fand Ende September/Anfang Oktober 2018 statt.


Tag 1: Konstanz – Friedrichshafen Hafen – Friedrichshafen – Lindau – Bregenz – Landeck-Zams – Serfaus – Landeck-Zams – Innsbruck

Für die Fahrt von Konstanz Richtung Arlberg gibt es verschiedene Varianten, viele durch die Schweiz. Allerdings bin ich diesen häufig genutzten Verbindungen etwas überdrüssig, so fällt die Entscheidung diesmal gegen den Landweg.

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Und so besteigen wir im morgendlichen Herbstnebel den Katamaran zur Fahrt über den Bodensee von Konstanz nach Friedrichshafen. Am frühen Sonntagmorgen sind weder Pendler noch Touristen unterwegs, so dass die Besetzung überschaubar ist. Zum Einsatz kommt das jüngste Schiff „Ferdinand“. Der Name ist angelehnt an Ferdinand Graf von Zeppelin, der in Konstanz geboren wurde und in Friedrichshafen seine Wirkungsstätte hatte.

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Die Überfahrt dauert 52 Minuten. Während der Fahrt lichtet sich der Nebel und bis wir in den Hafen von Friedrichshafen einlaufen, strahlt die Sonne.

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In schöner Regelmäßigkeit wird hier im Forum nach der kürzesten Zugverbindung in Deutschland gefragt. Häufig wird dann als Antwort die Strecke zwischen Friedrichshafen Hafen und Stadtbahnhof genannt. Für die Fahrzeit von einer Minute nutzen wir nun also ein Regioshuttle der Bodensee-Oberschwaben-Bahn (BOB). Betrieblich ist Friedrichshafen Hafen ein Bahnhofsteil des 800 Meter entfernten Stadtbahnhofs.

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Mit einem Regional-Express fahren wir nun am Seeufer entlang von Friedrichshafen nach Lindau. Während unseres Besuchs ist in Friedrichshafen von der Oberleitung noch nichts zu sehen, bis 2021 soll die Strecke Ulm-Friedrichshafen-Lindau elektrifiziert sein.

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Auf dem östlichen Teil der Bodenseegürtelbahn fahren wir durch die vom Seeklima begünstigten Obstanlagen zur bayerischen Grenze. Auf dem Lindauer Bodenseedamm geht es dann zum Hauptbahnhof auf die Insel.

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Mit der S 1 der S-Bahn Vorarlberg fahren wir zurück zum Festland und weiter nach Bregenz. Zum Einsatz kommt ein auf Cityjet-Standard modernisierter Talent der ÖBB. Die Vorarlbergerbahn erreicht nun bald die Grenze zu Österreich, die Bahnstrecke führt für einen längeren Abschnitt direkt am Bodenseeufer entlang.

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In Bregenz wechseln wir auf den Fernverkehr, mit einem Railjet geht es auf die Arlbergstrecke. Wir fahren weiter auf der Vorarlbergerbahn erst durch das Rheintal, dann durch den Walgau.

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In Bludenz geht die Vorarlberger Bahn in die Arlbergbahn über. Auf der Strecke geht es mithilfe zahlreicher Tunnel, Lawinenschutzgalerien und Brücken in Hanglage hinauf zum Arlberg. Von Bregenz bis zum Scheitelpunkt im Arlbergtunnel überwindet die Bahn über 900 Höhenmeter.

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Bei einem Verlängerten genießen wir die weitere Fahrt, nun geht es auf der Ostrampe durch das Tal der Rosanna auf der Tiroler Seite hinab. Im 19. Jahrhundert dachte man noch groß, englische Eisenbahnkonstrukteure brachten damals erstmals eine Bahnstrecke über den Arlbergpass ins Gespräch als Teil einer Verbindung von England nach Ägypten. Später wurden Forderungen nach einer Verbindung vom Bodensee zur Adria laut. Nachdem mit dem Bau der Semmeringbahn die technischen Möglichkeiten einer Gebirgsbahn deutlich wurden, wurde schließlich auch der Bau einer Bahnstrecke über den Arlberg in Angriff genommen, die Strecke wurde 1884 eröffnet.

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Die Arlbergbahn wurde später immer weiter ausgebaut und verändert. So wurde um den Ort Zams eine neue Tunnelstrecke gebaut, wodurch der Ort Zams seinen Bahnanschluss verlor. In der Folge wurde der Bahnhof Landeck umbenannt und heißt nun Landeck-Zams. Wir steigen hier auf den Bus nach Serfaus um.

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Der Bus folgt zunächst dem Inn durch die Tallandschaft Oberes Gericht zwischen Ötztaler Alpen und Samnaungruppe. Hier blicken wir auf den Ort Prutz mit der Dekanatspfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Diese Gegend kennen wir bereits von einer Tour mit der RhB nach Scuol-Tarasp.

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Dann verlässt der Bus das Inntal und windet sich auf Serpentinen hinauf auf die Sonnenterasse. Die Sonnenterasse ist eine Hanglage 400 bis 500 Meter über dem Talboden des Inns. Dort oben liegen die drei Tourismusgemeinden Ladis, Fiss und Serfaus. Wir fahren bis nach Serfaus.

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Der Ort Serfaus hat nur rund 1.100 Einwohner, aber 7.500 Gästebetten. Besonders der Wintertourismus prägt den Ort, die zusammengefassten Skigebiete Serfaus-Fiss-Ladis gehören zu den bekanntesten Tourismusregionen in Tirol. Der Skitourismus zu den Bergbahnstationen führte im Winter regelmäßig zu einem Verkehrschaos, wenn sich die PKWs in der Sackgasse durch das Dorf stauten. 1970 wurde deshalb ein großer Parkplatz am Dorfeingang errichtet, die Dorfstraße wurde für den Individualverkehr gesperrt und Skitouristen wurden fortan mit Bussen vom Dorfeingang zu den Bergbahnstationen am anderen Dorfende transportiert.
Nachdem auch die Skibusse an Kapazitätsgrenzen stießen, wurde als alternatives Beförderungskonzept die „Dorfbahn Serfaus“ geboren. 1986 wurde schließlich die unterirdische Luftkissenschwebebahn eröffnet.

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Zwischen 2017 und 2019 wurde die Bahn modernisiert. Während unseres Besuchs ist die Modernisierung schon weit fortgeschritten, die Station „Parkplatz“ ist bereits barrierefrei mit Lift und Rolltreppen umgebaut. Der Umbau bedeutet auch das Ende der Bescheidenheit bei der Namensgebung, die vormalige „Dorfbahn“ nennt sich nun „U-Bahn“ und verwendet das von anderen Untergrundbahnen bekannte blaue U-Symbol.

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Die U-Bahn wird während der Sommer- und der Wintersaison betrieben. Den großzügigen Ein- und Ausgänge nach zu urteilen, ist hier im Winter deutlich mehr los. Die Fahrt ist kostenlos.

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In der Station zeigen Anzeigetafeln den Standort und die Fahrtrichtung des Zugs an. Die Bahn hat zwei Zwischenstationen, eine ist während unseres Besuchs jedoch aufgrund der Modernisierung geschlossen, deshalb ist auf der Anzeige nur die Zwischenstation Kirche zu sehen.

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Auch das Fahrzeug wurde modernisiert, allerdings erfolgte dies erst im letzten Modernisierungsschritt, so dass wir noch auf den alten Wagen treffen. Die Bahn wird vollautomatisch betrieben und von einer Leitstelle aus überwacht.

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Die Strecke ist 1,3 Kilometer lang und verläuft komplett in einem Tunnel. Der Tunnel wurde in offener Bauweise unter der Dorfbahnstraße errichtet. Rechtlich handelt es sich bei der Bahn um eine Standseilbahn, sie wird auch als Peoplemover kategorisiert. Die Bahn gleitet auf einem Luftkissenpolster über den Boden, angetrieben wird das Fahrzeug durch ein Zugseil hinter einer seitlichen Führungsschiene. Eine Oberleitung versorgt das Fahrzeug mit Strom für Beleuchtung, Kompressoren und Türantriebe.

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Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 40 km/h, die Fahrzeit zwischen beiden Endstationen beträgt elf Minuten. Je nach Betriebslage werden die Zwischenstationen nur in der Hauptlastrichtung bedient, dann verkürzt sich die Fahrtdauer auf neun Minuten. Hier erreichen wir schon die Endstation Seilbahn. Alle Stationen verfügen über Bahnsteigtüren.

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Die Endstation befindet sich direkt an der Talstation mehrerer Seilbahnen. Die blauen Anzeigewürfel an den Stationen zeigen abwechselnd die Dauer bis zur nächsten Abfahrt, eine Uhr oder das U-Bahn-Symbol an. Im Hintergrund sieht man die Alpkopfbahn...

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...und wenn wir schon mal hier sind, fahren wir eine Runde mit.

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Nach sieben Minuten sind wir auf dem 2.022 Meter hohen Alpkopf angekommen. Hier blicken wir Richtung Samnaungruppe, in die andere Richtung geht der Blick zum Inntal.

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Bald fahren wir wieder hinab. Wer unberührte Bergidylle sucht, wird es hier schwer haben. Der Massentourismus hat doch deutliche Spuren hinterlassen und die Landschaft ist sehr verbaut. Hier sehen wir den Erlebnispark Hög hoch über Serfaus.

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Schließlich blicken wir von der Gondel über Serfaus. Bei der Talstation befindet sich die Endstation der U-Bahn, diese verläuft dann unter dem Ort. Rechts der Bildmitte sieht man einen Kirchturm, dort befindet sich die U-Bahn-Station „Kirche“.

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Jetzt wollen wir wieder etwas U-Bahn fahren. Die Bahn wird manchmal als drittkleinste U-Bahn der Welt bezeichnet, wobei keine dieser Bahnen klassische U-Bahnen im eigentlichen Sinne sind. Aber das Prädikat „höchstgelegene Luftkissenbahn der Welt“ lassen wir gelten. An der Station Seilbahn steigen wir wieder in die Bahn.

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Die Tunnel hat einige leichte Kurven und überwindet einen Höhenunterschied von 20 Metern. Wikipedia nennt für die U-Bahn eine ÖBB-Streckennummer „982 01“. Weiß jemand, was es damit auf sich hat?

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Diesmal legen wir einen Zwischenstopp an der Station Kirche ein. Da die Strecke komplett im Tunnel bzw. hinter Bahnsteigtüren verläuft, ist es recht schwierig, ein Bild des Fahrzeugs zu machen, so dass es bei diesem Versuch bleibt. Der Wagen ist mit Kindermotiven bemalt, die Türen an den Stirnseiten dienen dem Notausstieg.

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Die Station Kirche wurde bei der Modernisierung neu gebaut und erinnert mit Glas, Beton, einem Zwischengeschoss mit Rolltreppen und Lift an eine großstädtische Metrostation. Und das Ganze ohne Fahrgeldeinnahmen. Schade, dass sich dieses Modell nicht auf andere Bahnbetriebe übertragen lässt.

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Unweit der Station befindet sich die namensgebende Pfarrkirche von Serfaus. Die Kirche mit freistehendem Kirchturm stammt aus dem späten 15. Jahrhundert.

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Rund zweihundert Meter weiter liegt die Station Zentrum. Sie wird während unseres Besuchs gerade um- bzw. neugebaut und von der Bahn nicht bedient. Und so laufen wir wieder zurück zur Station Kirche.

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Eine solche blitzblanke U-Bahn-Station würde sich manche Großstadt vielleicht auch wünschen. Die U-Bahn Serfaus befördert jährlich rund 1,5 Millionen Fahrgäste, die U-Bahn verkehrt in der Sommersaison von Mitte Juni bis Mitte Oktober und dann wieder in der Wintersaison.

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Wir fahren nun wieder zur Station Parkplatz. Die bisherigen Wagen werden im Mai 2019 nach 34 Jahren ausgemustert, bis dahin werden sie über 992.000 Kilometer auf dem Buckel haben. Die neuen Fahrzeuge stammen aus Frankreich.

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Man kann sich sicherlich darüber streiten, inwiefern diese „U-Bahn“ thematisch in ein Bahnforum gehört. Ich fand dieses Verkehrsmittel mitten in den Alpen jedoch sehr interessant.

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Da ist das nächste Verkehrsmittel ja geradezu langweilig: mit einem ganz banalen Postbus fahren wir zurück nach Landeck. Auf der Sonnenterasse geht es nun nach Fiss und Ladis.

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Bei Ladis thront die Ruine von Burg Laudegg hoch über dem Oberinntal. Der Wohnturm wurde im Frühmittelalter erbaut, bis zum 17. Jahrhundert war die Burg Verwaltungssitz des Oberen Gerichts.

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Dann geht es von der Sonnenterasse hinab ins Inntal. Flussaufwärts würde man in die Schweiz kommen, unser Bus folgt jedoch dem Inn flussabwärts nach Landeck.

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Ab Landeck setzen wir die Tour im Nahverkehr fort, mit einem Talent fahren wir auf der Arlbergstrecke durch das Oberinntal weiter nach Innsbruck. Über den Arlberg selbst fahren keine Regionalzüge mehr, die Regionalzüge aus bzw. nach Innsbruck wenden hier im Bahnhof Landeck-Zams.

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In Innsbruck wartet ein Hotelzimmer auf uns. Nach Einbruch der Dunkelheit drehen wir noch eine Runde durch die Altstadt zum Goldenen Dachl, dann beschließen wir den ersten Reisetag.

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In den nächsten Tagen folgt der zweite Teil, dann geht es über die Brennerstrecke nach Italien zum Kauf der Torte und weiter nach Mailand.


Viele Grüße und einen schönen Sonntag

Tobias

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[image] "Fensterplatz, bitte." - Meine Bahnreiseberichte.de.| instagram.com/fensterplatz.bitte/


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