Mont Blanc & Chablais 2/7: der Berg (39 B) (Reiseberichte)

TD, Dienstag, 12.05.2020, 18:03 (vor 1442 Tagen)

Hallo zusammen,

willkommen zum zweiten Teil unserer Rundfahrt zwischen Genfersee, Mont Blanc und Chablais. Im ersten Teil waren wir vom Bodensee an den Genfersee gefahren und weiter nach Chamonix in den französischen Alpen.

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Am zweiten Reisetag widmen wir uns zwei Zahnradbahnen in der Gegend um Chamonix. Die Ausbeute des Tages war so groß, dass es für zwei Reiseberichtsteile ausreicht.


Tag 2a: Chamonix-Mont-Blanc - Saint-Gervais-les-Bains-Le Fayet - Nid d’Aigle - Saint-Gervais-les-Bains-Le Fayet - Chamonix-Mont-Blanc

Wir haben heute ein straffes Tagesprogramm, da müssen wir das Frühstück im Hotel sausen lassen; stattdessen sind wir kurz nach sieben Uhr schon am Bahnhof von Chamonix-Mont-Blanc.

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Im Hintergrund steht bereits der Zug nach Saint-Gervais-les-Bains-Le Fayet, zunächst werfen wir aber noch einen Blick auf die Stromschiene. Die Strecke wurde schon beim Bau elektrifiziert, dabei setzte man auf Wasserkraftwerke entlang der Strecke. Aufgrund der Lawinengefahr in der Bergregion entschied man sich gegen eine Oberleitung und setzte stattdessen auf eine seitliche Stromschiene.

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Mit den ersten Sonnenstrahlen fahren wir durch den Talkessel der Arve, die Strecke kennen wir bereits von der Anreise am Vortag. Die neueren Triebwagen vom Typ Z 850 haben zwar einen Mittelwagen mit Panoramafenstern, für Streckenfotos sind offene Fenster aber besser geeignet.

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Nach gut 40 Minuten haben wir den Bahnhof Saint-Gervais-les-Bains-Le Fayet erreicht. In dem Bahnhof treffen die Meterspur- und die Normalspurstrecke der SNCF zusammen. Noch interessanter wird es aber vor dem Bahnhof, denn auf dem Bahnhofsvorplatz hat die Tramway du Mont-Blanc (TMB) ihren Ausgangspunkt.

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Die TMB ist eine Zahnradbahn in Meterspur, die vom Bahnhof Saint-Gervais-les-Bains-Le Fayet zu dem Aussichtspunkt Nid d’Aigle am Mont Blanc führt. Die TMB hat drei Triebwagen mit zugehörigen Steuerwagen. Die Züge haben unterschiedliche Farben und sind nach den Töchtern des damaligen Direktors benannt. Die Bergfahrt werden wir mit Jeanne antreten.

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Ich bin sehr dankbar für das tolle Wetter, bei strahlendem Sonnenschein fahren wir nun hinauf durch die grandiose Bergwelt. Von Le Fayet führt die Strecke zunächst zum Bahnhof Saint-Gervais-Ville, anschließend windet sich die Bahn am Hang des Montjoie-Hochtals empor.

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Je höher wir kommen, desto spektakulärer werden die Ausblicke. Hier sind wir schon auf der letzte Etappe und blicken auf die Streckenführung unter uns.

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Die Strecke hat fünf Zwischenbahnhöfe mit Kreuzungsmöglichkeit und sechs Zahnstangenabschnitte. Es gibt kaum Kunstbauten, nur kurz vor der Endstation gibt es zwei kurze Tunnel mit 70 und 34 Metern Länge.

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Die Strecke sollte ursprünglich bis auf den Mont Blanc führen. Die Gleise enden heute jedoch etwas abrupt im Nirgendwo. Als der Weiterbau der Strecke durch den Ersten Weltkrieg an dieser Stelle ins Stoppen geriet, wurde hier eine provisorische Endstation errichtet. Der Weiterbau wäre schwierig und mit kostspieligen Tunnelbauten verbunden gewesen.
Das Provisorium überdauerte über 100 Jahre, und so ist die höchstgelegene Bahnstation in Frankreich noch heute ein Kuriosum, nämlich ein Stumpfgleis ohne Weichen, das in einer Steigung gerade so aus dem Tunnel herausreicht, dass ein Fahrgastwechsel möglich ist.

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Der ‚Bahnhof‘ Nid d’Aigle (Adlernest) liegt auf 2.372 Meter über dem Meer. Die Zahnradbahn hat auf der 12,5 Kilometer langen Strecke von Saint-Gervais-les-Bains-Le Fayet bis hier hinauf knapp 1.800 Höhenmeter überwunden. Die Bahn fährt nur im Sommer bis zur Endstation, im Winter verkehren die Züge nur bis zu einer Zwischenstation. In dem von Schneemassen und der Lawinengefahr besonders gefährdeten Bereich werden im Winter Oberleitung und Masten abgebaut.

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Hier oben gibt es eine Berghütte, ein Restaurant – und eine grandiose Aussicht! Die Bergstation ist Ausgangspunkt für Bergsteiger, die von hier zur leichteste Route auf den Mont Blanc oder auf andere Berge der Gebirgsgruppe starten.

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Für solche anspruchsvollen Bergtouren fehlt es uns jedoch an Ausrüstung und Erfahrung. Trotzdem bleiben wir noch etwas hier oben, genießen die Aussicht und beobachten Murmeltiere. Zwischenzeitlich taucht der blaue Zug an der Bergstation auf, das ist Marie.

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Im Jahr 1913 fuhren die ersten Züge bis zur heutigen Endstation Nid d’Aigle. Die Strecke wurde von Anfang an für eine Elektrifizierung projektiert, anfangs wurde der Betrieb jedoch mit Dampflokomotiven abgewickelt.

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Schließlich fahren wir mit Anne zurück ins Tal. Die drei Triebwagen der TMB wurden 1957 geliefert. Die Höchstgeschwindigkeit liegt im Adhäsionsbetrieb bei 22 Stundenkilometern, im Zahnstangenbetrieb sind bei der Bergfahrt bis 20 Stundenkilometer zugelassen, bei der Talfahrt nur 12,8 Stundenkilometer.

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Wenn ich die Übersetzung des französischen Wikipedia-Artikels zur TMB richtig verstehe, gab es vor dem Bau der TMB in der heutigen Form weitaus phantasievollere Überlegungen, um den Gipfel des Mont Blanc zu erschließen. So gab es Pläne für einen Tunnel unter dem Mont Blanc, von dem ein Vertikallift zum Gipfel führen sollte. Allerdings gab es damals Zweifel, ob der menschliche Körper eine solche Aufstiegsgeschwindigkeit unbeschadet überstehen könne.

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Auf der Talfahrt leert sich der Zug an den Zwischenstationen. Einige Fahrgäste steigen an der Station Bellevue aus, das ist im Winter die Endstation. Dort kam man auf eine Seilbahn wechseln, die auf der anderen Seite hinab ins Arvetal führt. Weitere Fahrgäste steigen hier am Col de Voza aus, wo es eine Zugkreuzung mit Jeanne gibt. So ergibt sich nun auch die Möglichkeit für ein Innenbild.

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Der Zug erreicht nun wieder die bewaldete Region im Hochtal des Bonnant. Bald tauchen wir wieder in die Zivilisation ein und erreichen die ersten Häuser von Saint-Gervais-les-Bains.

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Am Bahnhof von Saint-Gervais begegnet uns wieder Marie. Die letzten Meter führen anschließend in Straßenlage durch den Ortsteil Le Fayet zum Endpunkt vor dem SNCF-Bahnhof Saint-Gervais-les-Bains-Le Fayet. Die Bezeichnung „Tramway“ (Straßenbahn) bezieht sich auf diesen Streckenabschnitt zwischen Le Fayet und Saint-Gervais. Es gibt nur wenige Fahrgäste, die bis zur Endstation mitfahren.

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Nun können wir auch noch ein Bild von Anne nachholen. Die Triebwagen wurden in Frankreich gebaut unter Beteiligung schweizerischer Firmen. Die Vorstellwagen stehen immer auf der bergwärtigen Seite.

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An der Talstation ist als Denkmal die Lok Nr. 3 „Mademoiselle d’Angeville“ aufgestellt. Eine 1903 für die schweizerische Martigny-Châtelard-Bahn gebaute Lok diente als Modell für die zwischen 1905 und 1911 gebauten Loks mit den Nummern 1 bis 5. Schließlich wurde auch die Lok, die als Baumuster diente, von der TMB übernommen und bekam die Nummer 6. Heute sind drei der ursprünglichen Lokomotiven verschrottet und drei weitere in unterschiedlichem Zustand erhalten.

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Vom SNCF-Bahnhof Saint-Gervais-les-Bains-Le Fayet fahren wir nun mit der Schmalspurbahn zurück nach Chamonix-Mont-Blanc. Die Züge werden von der SNCF betrieben. Die dreiteiligen Triebzüge der Reihe Z 850 wurden von Stadler geliefert, es handelt sich um Züge der SPATZ-Reihe (Schmalspur-Panorama-Triebzug), die auch auf der Brünigbahn eingesetzt werden.

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Entlang der Arve fahren wir nun nach Chamonix. Die Nachfrage auf dieser Strecke schwankt stark, während in der Nebensaison gerade mal 500 Fahrgäste pro Tag die Züge im Nah- und Schülerverkehr nutzen, können es in der Ferienzeit bis zu 10.000 Fahrgäste sein, besonders während der Skisaison.

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Am frühen Nachmittag sind wir dann zurück in Chamonix-Mont-Blanc. Mit der Chemin de fer du Montenvers wollen wir nun noch eine zweite Zahnradbahn besuchen. Doch dazu dann mehr in den nächsten Tagen im dritten Teil.

Viele Grüße

Tobias

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