Samstags früh im IC nach Hamburg (Reiseberichte)

Alibizugpaar, Köln (im Herzen immer noch Göttinger), Montag, 07.10.2019, 14:44 (vor 1635 Tagen) @ J-C
bearbeitet von Alibizugpaar, Montag, 07.10.2019, 14:45

Aber diese Gruppe hatte nicht einfach nur nett geplaudert. Auf Deutsch übrigens. Die haben anscheinend eine Challenge am laufen, wessen Stimme die lauteste war.

Rücksichtslose Bande, elende.

Meine Nerven waren blank, sodass ich zum äußersten Mittel griff: Ich setzte mir einen Kopfhörer auf und hörte Musik.

DAS nenne ich Protestzeichen setzen! Jetzt haben die Herrschaften was nachzudenken.

Ich dachte, ich teile das mit euch. Vielleicht wisst ihr ja auch von sowas zu berichten.

Der Klassiker in NRW ist ja dieser: Samstagmorgens um 4 Uhr aufstehen, um 5 zur Straßenbahn, zum IC um 6 nach Hamburg. Abfahrt Köln im fast leeren Wagen, schön ruhig bei schläfrig machender, säuselnder Großraumwagen-Klimaanlage und dezentem Fahrtrauschen bei zunehmendem Tempo. Ich denke: Genau noch wie vor 30 Jahren, ich liebe dieses Geräusch. Bietet kein ICE! Vielleicht noch unter der eigenen Jacke schön warm einmummeln, weil der Morgen doch frisch war.

Düsseldorf rein, etwas Fahrgastwechsel, Außentür macht 'rammms' und ab. Auch Düsseldorfer können sich benehmen. Der Zugchef belässt es bei kurz-knappen Ansagen, wunderbar. Ich nehme beim Wegdösen für einen Moment das leichte Getöse bei der Tunneldurchfahrt am Flughafen wahr, dämmere sonst dahin bei einem lieblichen Schienen-Singsang.

Und jetzt kann man sich Duisburg, Bochum oder Dortmund aussuchen - die unterscheiden sich nicht: Die Großraumtür öffnet sich mit einem Zisch und die große bunte Ruhrpott-Kirmes beginnt "Friede und Uschi, kommt ihr zu mir? Ein Weib, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben -oh Gott- acht, neun, zehn, elf -es wird immer lauter- zwölf, dreizehn, vierzehn, fünfzehn, sechszehn Hennen. Bei Graf Zahl in der Sesamstraße hätte es nun schon mehrfach geblitzt und gedonnert. Alle 50 plus bei mindestens 1 Promille. Zum dritten Mal binnen 60 Sekunden höre ich die Reservierungsnummern krähen "41,42,43,44,45,46,47,48,51,52,53,54,55,56,57,61". Ich sacke auf meinem Eckplatz am Wagenende immer kleiner zusammen. Erna fragt Tina oder Babs lauthals, was Cordula da grad jesacht hätt. Hier die 38, is die uns? Nää, 41,42,43,44,45... Die 38 is aber och schön. Ach nee, die is reserviert. Hambursch, sind wir datt doch? Nää, 41,42,43,44,45... Renate, dat Körbchen aber nit zu weit wesch, den broche mer jetzt. Also die 38 nich? Nää, 41,42,43,44,45... Marie, kommste zu Lieschen und mir? Ich höre Gläser, die gerade aufgebaut werden. Großes Glottern. Tupperware wird gestapelt. Ich denke: Es ist doch gerade erst 7 durch - man! Der junge Zub kommt durch den Wagen gehuscht und wird direkt angeschakert. Hönn se ma, sie sin aber ein ganz Hübscher, ein Gläschen Sekt für sie? Sind sie verheiratet? Alle sind laut & lustig.

Das geht jetzt so ungefähr bis kurz vor Bremen, bis die angesäuselten Hühner von einer gewissen Promille-Müdigkeit kurz schachmatt gesetzt werden und wie ausgeknippst auf 41,42,43,44,45,46,47,48,51,52,53,54,55,56,57,61 hocken. Ehe ich mich nach dem Bremer Boxenstopp aber auf 45 Minuten Ruhe bis Harburg freuen kann und ich mir die wärmende Jacke wieder zurecht zupfe, wachen die Geier noch vorm Abzweig Sagehorn wieder auf, weil jetzt alle -eine nach der anderen- auf genau das eine Klo rennen. Danach ist Platz für neue Piccolöchen. Durchfahrt Scheeßel: Kinners, wir sind ja gleich da. Wer kennt ein Lied zu Ehren des Hamburger Hafens? Hans Albers wird angestimmt...

Ja Leute, Wagen wechseln? Gut gesagt. Einen zurück trifft man auf einen Junggesellinnenabschied 'on tour'. Gern auch auf zwei Gruppen, die sich im Zug ganz zufällig getroffen haben. Und einen Wagen vor gibt es Bibbi Blocksberg-Geschichten für alle zu hören 'Ene mene ausgerissen, auf den Sitz ein weiches Kissen. Hex-hex!'

Was willste da machen? Echt voll schade, daß ich nie einen Kopfhörer griffbereit hatte, den ich sowas von demonstrativ hätte aufsetzen können. Je Zugsparty ließe sich damit in zehn Sekunden sprengen. Muß ich mir merken.


In der nächsten Folge dann: Nacht-ICE und die 10.000 Flughafen-Koffer. Bis dann!

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Gruß, Olaf

"Die Reise gleicht einem Spiel; es ist immer Gewinn und Verlust dabei und meist von der unerwarteten Seite."

Goethe an Schiller 1797


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