Kleiner Reisebericht "Schwarzburg, 17 Uhr" (m. B. / Thür.) (Reiseberichte)
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Schwarzburg, 17 Uhr (Reisebericht)
Das Schneechaos lässt grüßen: Am Ende kam es doch anders als geplant. Doch vielleicht war es besser so, denn sonst wäre es sicherlich nicht zu diesen stimmungsvollen Aufnahmen gekommen.
Eigentlich wollte ich mein Tagesziel, die Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn, ja noch bei Tageslicht erreichen.
Doch Dank mehrerer Weichenstörungen zwischen Berlin und Leipzig wird daraus dann nichts mehr. Die Fahrt, die über Leipzig, Erfurt (bis hierhin ICE) und Arnstadt geht, bekommt in Leipzig einen ungeplanten Aufenthalt und verläuft nunmehr 60 Minuten verspätet.
Blick aus dem Fenster
Schienenoberkante: Schnee so weit das Auge reicht
Und so steige ich ungeachtet der einbrechenden Dämmerung in Arnstadt in den gemütlichen Desiro, der mich in nur 25 Minuten bis nach Rottenbach bringt.
Obwohl der Bahnhof Rottenbach ziemlich (n)ostalgisch erscheint, wirkt er irgendwie auch klassisch: Es passt einfach alles zum Erscheinungsbild dieses kleinen Kreuzungsbahnhofes. Ein Gleis nebenan, am Hausbahnsteig, beginnt die Schwarzatalbahn, eine Stichstrecke, die mit etwa 30 Minuten Fahrtzeit ins enge und dicht bewaldete Schwarzatal bis nach Katzhütte führt.
Zugkreuzung in Rottenbach
Auf dieser Strecke verkehren die als sogenannten Walfisch bezeichneten Dieseltriebzüge, die sogar über ein kleines Snack- und Getränkeangebot verfügen.
Eingetaucht ins Schwarzatal: Mit dem Walfisch nach Katzhütte
Und so setzt sich unser Zug pünktlich um 16:41 Uhr in Bewegung. Nur wenige Minuten nach Abzweigen von der Hauptstrecke taucht der Walfisch ein in die Tiefen des Thüringer Waldes. Die Strecke schmiegt sich an die Schwarza entlang des immer enger werdenden Tals. Die Bewaldung ist so dicht, dass es zunehmend dunkel wird. Wie Skulpturen erscheinen die schneebedeckten Tannen im Dämmerlicht.
Nicht viel los: In Schwarzburg
In Schwarzburg steige ich aus. Inzwischen ist es fast dunkel. Schemenhaft sind noch die bläulich schimmernden Berge im Nebeldunst in der Ferne zu erkennen, bevor auch diese von der Dunkelheit verschluckt werden. Wie passend der Name dieses Haltepunkts doch zur aktuellen Situation ist!
Die Station ist menschenleer, dunkel und verlassen. Der Schnee umlagert die Schienen, Tannen und Dächer. Gerade einmal ein kleiner Weg ist geräumt und führt hinein in den dunklen Wald. Häuser gibt es keine. Nur das Bahnhofsgebäude ist bewohnt. In den Fenstern leuchten Lichter, die sich auf dem Schnee spiegeln und lustige Schatten werfen.
bewohntes ex-Bahnhofsgebäude
Jetzt hat auch das letzte Tageslicht dieses verlorene Fleckchen Erde verlassen und eine gespenstische Stille legt sich über den Wald. Der Schnee verschluckt jedes noch so leise Geräusch. In der Ferne lässt sich ein Uhu vernehmen, der anhaltend und bedächtig seine Botschaft in den Wald schickt: „Wuhuuu, wuhuuuu“. Sonst kein Laut, vollkommene Stille. Nur neben mir, irgendwo unter einer Tanne, ist ein Rascheln zu hören. Ganz leise, als ob sich ein Tier in seinem Winterschlaf kurz gewendet hat. Das einzige Zeichen von Zivilisation ist die Bahntrasse, doch auch die scheint schneebedeckt und verlassen.
Und da kommt der magische Moment, der Augenblick, der doch so unerwartet scheint: Schwarzburg, 17 Uhr!
Schwarzburg, 17 Uhr: Es dunkelt, gleich kommt der Zug
Signaltöne unterbrechen die Stille, ein Hupen ertönt und wenig später sind sich nähernde Lichter zu erkennen: Der Augenblick des Innehaltens und Erstarrens wird gebrochen. Langsam nähert sich der Walfisch und lässt mich schließlich in seinen Bauch steigen. Warm ist es hier – und leer. Ich bin der einzige Fahrgast. Gemächlich geht es zurück nach Rottenbach und dann weiter mit dem Desiro bis nach Saalfeld. Bis Bad Blankenburg ist es voll, hier sind viele Wintersporttouristen unterwegs.
Aufgetaucht: Wal wieder zurück in Rottenbach
Im Bahnhof Saalfeld ist es kalt und zugig. Bis auf einen Dönerimbiss und eine versoffene Bahnhoskneipe sind die wenigen Läden geschlossen. Da mein ICE nach Berlin mit 35 Minuten Verspätung angekündigt ist, erkunde ich ein wenig den Ort Saalfeld. Doch bis auf viel Schnee und einen Norma-Supermarkt, der immerhin Wärme und Nahrung spendet, gibt es hier nicht viel zu entdecken.
Den Knaller schießt die Zugzielanzeige im Bahnhof Saalfeld ab: Hier wird der ICE von Berlin nach München, mit Halt in Bad Blankenburg und Rottenbach, angekündigt mit „unbestimmt verpätet“. Na, wenn das nichts ist! Hier, an der Saale, wird Bahnfahren eben doch noch zum Abenteuer!
![[image]](http://www.alice-dsl.net/benjamin.radke/pic/de/01.jpg)
"Unendlich verspätet"
Froh bin ich dann aber doch, dass mein ICE nur 35 Minuten später eintrifft, zwar diesmal nur fünfteilig, aber dafür mit einem gemütlichen und warmen Sitzplatz.
Um 22 Uhr bin ich zurück in Berlin. Eine Fahrt, die eigentlich ganz anders verlaufen sollte. Bis zur Bergbahn habe ich es zeitlich ja gar nicht mehr geschafft. Aber auch so hatte die Fahrt ihren Reiz.
Weitere Bilder
Weitere Bilder zur Schwarzatalbahn sowie Bilder zur Oberweißbacher Bergbahn, die ich ja nun nicht mehr besuchen konnte, aus dem Sommer habe ich hier bereitgestellt:
http://www.alice-dsl.net/benjamin.radke/prb_insp_schwarzburg.htm
(Homepage-Version des Reiseberichts)
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