Vive Lyon! Von Traboules, Bouchons und Mâchons - 6/11 (Reiseberichte)
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Im letzten Teil bin ich aus der Auvergne kommend in Paris angekommen und habe einen ersten Museumstag absolviert. In diesem Teil folgt ein weiterer Museumstag in Paris, die Heimfahrt und zwei weitere Tagesausflügen.
Heute ist der letzte Urlaubstag angebrochen, aber bis zur Heimreise ist noch lange Zeit. Mein TGV nach Lyon fährt erst nach 16 Uhr. Mein heutiges Hauptziel ist das Château de Vincennes am Stadtrand. Da es erst um 10 Uhr öffnet und ich zeitig wach bin, besuche ich davor noch den bekannten Friedhof Père-Lachaise mit vielen schönen Gräbern aus dem 19. Jh. in der Nähe des Hostels. Hier sind auch viele bekannte Persönlichkeiten wie Chopin und Edith Piaf bestattet.
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Vincennes war im späten Mittalter ein Jagdschloss und beliebte Residenz der französischen Könige. Später wurde es als Porzellanmanufaktur, Festung und Staatsgefängnis genutzt. 1917 wurde hier die bekannte Doppelagentin Mata Hari hingerichtet. Bis heute werden Gebäude vom Verteidigungsministerium genutzt.
Wie dieses Modell zeigt, hatte es in seiner größten Ausdehnung mit den mächtigen Türmen der Außenmauer beachtliche Maße.
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Die äußeren Türme wurden leider beim Umbau zur Festung gestutzt. Der zentrale Donjon, mit 50 m der höchste seiner Art, hat seine imposante Höhe aber bis heute erhalten. Im Kriegsfall konnte er vom Königshaus als Rückzugsort genutzt werden.
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Die linke Wappenhälfte zeigt die Lilien der französischen Könige, die rechte Seite dürfte dem einer oder anderen hier im Forum von daheim bekannt vorkommen. Es zeigt die bayerischen Rauten der in Frankreich unbeliebten Königin Isabeau de Bavière (Elisabeth von Bayern-Ingolstadt), einer der schillerndsten Figuren aus der Zeit des 100jährigen Kriegs.
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Die Schlosskapelle wird ebenfalls Sainte-Chapelle genannt und weist große Ähnlichkeit zu ihrem Vorbild im Stadtzentrum auf.
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So sieht die Außenmauer mit den immer noch imposanten, aber eingekürzten Türmen heute aus.
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Dann fahre ich wieder in die Stadt zurück. Von hier fahren die Metrolinie 1 und die RER A ins Zentrum. Lieber würde ich die schnellere RER nehmen, aber unsinnigerweise ist auf dieser Realtion die RER teurer als die Metro.
Als letztes Museum besichtige ich wieder in der Stadt das Musée des Arts et Métiers, eine Art nationales Technikmuseum. Für ein Technikmuseum reichlich ungewöhnlich ist die Unterbringung in der ehemaligen Abtei Saint-Martin-des-Champs.
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Teil der Ausstellung ist auch ein Bereich zur Eisenbahn mit zahlreichen Modellen.
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Zu den absoluten Topexponaten zählt der erste Dampfwagen „Fardier“ von Nicolas Cugnot aus dem Jahre 1769. Dieser wurde im Auftrag des Militärs als Zugmaschine für Kanonen entwickelt, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Mit seiner Masse von 4 t war er ohne die Nutzung von Schienen sehr schwerfällig und schlecht zu steuern.
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Keinen direkten Bahnbezug, aber für den Ingenieur in mir sehr interessant, sind das Urkilogramm und der Urmeter und das Urkilogramm.
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Im Kirchenschiff sind einige Flugzeuge an der Decke aufgehängt, darunter die berühmte Blériot 11, mit der der gleichnamige Konstrukteur als Erster erfolgreich den Ärmelkanal überflogen hat. Im Vordergund hängt das originale Foucaultsche Pendel, mit dem die Erdrotation nachgewiesen werden kann. Um dieses Exponat findet in Umberto Eccos erfolgreichem Roman „Das Foucaultsche Pendel“ über Verschwörungstheorien hier im Museum der Showdown statt.
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Nach dem Museumsbesuch bleiben mir noch ca. 1,5 h bis zur Abfahrt meines Zuges und ich gehe den Weg zur Gare de Lyon an. Unterwegs komme ich wieder bei Les Halles vorbei, diesmal bei Tageslicht.
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Auch an dem Viadukt der eheamligen Lokalbahn zur Gare de la Bastille komme ich wieder vorbei. Auf ihm ist heute der Park Coulée Verte.
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Dann bin ich am Bahnhof.
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Bei einem kurzen Loungebesuch bietet sich mir eine gute Aussicht auf die zahlreichen TGV in der Bahnhofshalle.
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Weiter draußen stehen noch mehr von ihnen.
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Mein TGV hat eine halbe Bugklappe von einem Ouigo bekommen.
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Ich bin zwar wieder in Lyon, aber die Urlaubswoche ist noch nicht vorbei. Am Samstag mache ich einen Ausflug ins nordwestlich von Lyon gelegene Paray-le-Monial. Ich muss sehr früh aus dem Bett, denn ich nehme den ersten Zug des Tages.
Nein Spaß, den ersten Zug des Tages nehme ich zwar, aber die Abfahrt um kurz vor 12 Uhr brauche ich keinen Wecker. Diese Linie ist für mich eines das Paradebeispiel für eine Strecke in Frankreich im Einzugsgebiet einer Großstadt aber grausigem Fahrplan.
Wenn es schon so spät los geht, nehme ich zumindest die komplette Fahrt ab Perrache statt erst Part-Dieu mit. Auf dem Weg von der Innenstadt zum Bahnhof Perrache kommt man bei einem kleinen Umweg an der romanischen Klosterkiche Saint-Martin d’Ainay vorbei. Die kleine Kirche gehört neben der nicht für Besucher geöffneten Kirche auf der Île Barbe, wo ich im dritten Teil war, eine der ältesten erhaltenen Kirchen Lyons und obendrein bietet sich ihre Fahrradstation perfekt an, um das Velo’v vor Überschreitung der maximalen 30 min Fahrtzeit zu tauschen. Die vier Granitsäulen wurden aus einem römischen Gebäude wiederverwendet und stammen aus den Steinbrüchen von Assuan in Oberägypten. Die ursprünglich nur zwei Säulen wurde dazu halbiert.
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Wenn schon so wenige Zugpaare auf der Strecke verkehren, dann müssen zumindest die etwas hermachen. Mit meinem TER (ein Vertreter der Landplage AGC) könnte ich quer durch Zentralfrankreich bis Tours fahren.
Kurz nach Ausfahrt aus Part-Dieu Richtung Norden überquert die Strecke Richtung Dijon die Rhône und unterquert dann den Hügel von Croix-Rousse. Nach der danach folgenden Brücke über die Saône kann der aufmerksame Fahrgast kaum die Auberge du Pont de Collonges, das Stammhaus von Paul Bocusse, übersehen.
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Kurz danach zweigt mein Zug von der elektrifizierten Hauptbahn nach Osten ab auf die Strecke Richtung Roanne. Nach wenigen Kilometern ist Lozanne erreicht, wo die Strecke aus Givors-Canal vom Berg herunter kommt. Hier war ich schon einmal im dritten Teil, um auf ebendieser Strecke weiter zu fahren. Nur biegt der TER wieder nach Norden. Auf die Strecke von GIvors-Canal nach Paray-le-Monial bin ich schon im zweiten und dritten Teil bei meinen Fahrten nach brignais und Sain-Bel eingegangen. Heute werde ich den dritten und mit Abstand längsten Teil der Strecke befahren. Durch die liebliche Hügellandschaft der Monts Lyonnais geht es nach Norden.
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Ein besonders dichter Fahrplan ginge leider heute infrastrukturseitig gar nicht mehr. Auf dem 95 km langen Abschnitt zwischen Paray-le-Monial und Lozanne gibt es nur noch einen Kreuzungsbahnhof Lamure-sur-Azergues bei Kilometer 65,1.
Aus strategischen Gründen wurde die Bahnstrecke aufwändig traddiert, um auch schwere Militärzüge befördern zu können. Ähnlich wie bei der Wutachtalbahn in Südbahn gibt es deshalb sogar einen Kehrtunnel, der gar nicht zu der relativ sanften Mittelgebirgslandschaft passen will. Durch einen der längsten Tunnel Frankreichs verlassen wir das Département Rhône und kommen in das burgundische Charolais, Heimat der Charolaisrinder.
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Der Fußweg ins Stadtzentrum führt kurz hinter dem Bahnhof über den Canal du Centre.
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Und liegt schon die romanische Klosterkirche von Paray-le-Monial vor mir, die malerisch an der Bourbince liegt. Die Kirche gilt als deutlich kleineres Abbild der rieisigen Kirche des vermutlcih bedeutendsten Klosters des Mittelalter Cluny nicht weit von hier, die leider bis auf einen kleinen Teil in der französischen Revolution abgerissen wurde.
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Nach gut zwei Stunden muss ich schon wieder zurückfahren. Der dünne Fahrplan lässt nicht viel Freiraum für Spontanitäten. Die Zeit reicht aber auch für den Ort.
Hier weiden die Charolaisrinder für das Boeuf Bourguignon.
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Auf der Rückfahrt gelingt mir ein verwertbares Bild vom Kehrtunnel. In wenigen Minuten werden wir dort unten rauskommen.
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Nach nicht ganz zwei Stunden bin ich zurück in Part-Dieu. Bei herrenlosem Gepäck versteht die SNCF keinen Spaß. Also denkt dran, wenn ihr nächstes Mal euren Koffer im Bahnhof stehen lässt. Ihr seid dann Schuld dran, dass die kleine Louise traurig ist, weil sie nicht mit Oma uns Opa in Urlaub fahren konnte. Schämt euch!
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Das war dann wirklich die letzte Bahnfahrt der Allerheiligenferien. Am Montagmorgen steht die nächste Prüfung an und am Sonntag sollte ich deshalb nicht schon wieder in der Gegend rumfahren.
Lange muss ich nicht auf den nächsten Ausflug warten. Der kommende Donnerstag, der 11.11. ist ein Feiertag. Erst stehe ich obwohl geschichtlich ganz gut bewandert ein wenig auf dem Schlauch. St. Martin? Karneval? Nein, 11.11.1918, Waffenstillstand des 1. Weltkriegs. Ich nutze den Feiertag für einen Ausflug ins Rhônetal nach Avignon.
Wie alle durchgehenden TER nach Marseille, sind meine beiden TER auf Hin- und Rückfahrt noch lokbespannte Corail-Wagengarnituren mit Knicknase. Im Rhônetal reihen sich mehrere Atomkraftwerke auf. Südlich von Valence passieren wir das AKW von Cruas mit Bild am Kühlturm.
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Gegenüber des Bahnhofs beginnt direkt hinter der Stadtmauer die Altstadt. Davor fährt seit einigen Jahren eine Straßenbahn.
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Avignon war im 14. und 15. Jh. Papstresidenz bzw. nach Rückkehr des Papstes nach Rom Gegenpapstresidenz. Erst beim Konstanzer Konzil wurden dann 1415 die inzwischen drei konkurrierenden Päpste durch einen Konsneskandidaten in Rom abgelöst. In Avignon standen die Päpste, selbst überwiegend Franzosen, unter starkem Einfluss des französischen Königs. Eindrucksvoller Zeuge dieser Zeit ist der mächtige Papstpalast im Stadtzentrum.
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In der Kathedrale sind die meisten der Päpste von Avignon bestattet, darunter Benedikt XII. Unter ihm wurde der Bau des Palastes begonnen.
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Avignon ist Präfektur des Départements Vaucluse. Vermutlich deshalb findet auch hier eine Zeremonie zu besagtem Feiertag statt.
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Zweite Hauptattraktion neben dem Papstpalast ist die durch das populäre Lied „Sur le pont „ bekannte Brücke. Sie stammt auch aus der Zeit der Päpste. Auf die andere Rhôneseite kommt man aber schon lange nicht mehr. Kurz hinter dem Fotostandort endet die Brücke mitten im Fluss.
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Von einem Hügel neben dem Papstpalast hat man eine tolle Aussicht auf das Rhônetal. Richtung Süden fällt der Blick auf den Pont d‘Avignon und am anderen Rhôneufer Villeneuve-lès-Avignon. Seit letztem Jahr kann man von Avignon wieder mit dem TER auf der rechten Rhônestrecke durch Villeneuve fahren, aber ohne Halt. Wie ich im Ende August bei Lokreport ( https://www.lok-report.de/news/europa/item/43562-frankreich-wiedereroeffnung-der-streck... ) lesen konnte, verläuft die Reaktivierung aber erfolgreich und die Einrichtung weiterer Halte, unter anderen in Villeneuve, sind geplant. Vielleicht ist also in naher Zukunft wieder möglich auch dorthin mit dem Zug zu fahren.
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Richtung Norden erhebt sich der Mont Ventoux über der Landschaft.
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Dann genehmige ich mir vor der Heimfahrt noch ein leicht verpätetes Mitttagessen. Hauptgericht des Mittagstisches ist das „Metzgerstück“. Dazu trinke ich passend zum frühen Nachmittag in der Provence einen Pastis.
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Zurück am Bahnhof wartet schon mein TER auf die Fahrt nach Lyon.
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Kurz nach Verlassen der Provence durchquert die Strecke das enge Durchbruchstal Defilé de Donzère. User Joachim hat neulich ein sehenswertes Bild eingestellt, wie diese Stelle von außen aussieht (https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10537416).
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Am Brücken-Freitag des Feiertagswochenendes fahre ich ins Jura. Ich habe entdeckt, dass die TGV Lyria für den Abschnitt Bellegarde Bourg-en-Bresse ziemlich bezahlbar sind und nun möchte ich dies für eine Fahrt über das Viaduc de Cize-Bolozon nutzen. Um bei dem schönen Wetter nicht den ganzen Tag im Zug zu sitzen, bastelle ich mir noch eine kleine Wanderung um den Bahnhof Bellegarde ins Programm ein.
Los geht es wie schon oft in den letzten Wochen über die immer wieder sehenswerte Strecke von Lyon durchs Jura Richtung Genf.
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Bei Culoz ist ein größerer Lokfriedhof. Neben zahlreichen Corailwägen stehen hier unter anderem die Reste von Eurostars der ersten Generation.
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Mein Ziel bei Bellegarde sind die Pertes de las Valserine. Auf dem Hinweg ist das Steilufer der Valserine auch schon sehenswert.
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Die Valserine, ein kleiner Nebenfluss der Rhône aus dem Jura „verschwindet“ hier für einige hundert Meter im Karst. Der Fluss hat sich mehrere Meter tief in das Kalkgestein eingegraben und ist von oben kaum noch zu sehen, nur zu hören. Die Rhône hat bei Bellegarde ein vergleichbares Phänomen, die Pertes du Rhône“ geschaffen. Diese sind jedoch seit Jahrzehnten durch den Bau einer Talsperre unter der Wasseroberfläche versunken.
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Zurück in Bellegarde erwische ich im Stadtgebiet diesen Régiolis Richtung Évian auf der Brücke über die Valserine.
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Bevor ich Bellegarde mit dem TGV Lyria verlasse, mache ich hier mal wieder einen Schnitt. Im nächsten Teil folgen einige weitere Tagesausflüge im November um Lyon und ich bekomme nach längerer Pause nochmal Besuch.